Dead Lions is the second book in the Sunday Times bestselling, award-winning, Slough House series, featuring Mick Herron's much loved band of disgraced spies, led by Jackson Lamb, 'the most fascinating and irresistible thriller series hero to emerge since Jack Reacher' (Sunday Times)
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Praise for Mick Herron's Jackson Lamb series: .
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2019Zikaden in Gloucestershire
Spione sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren: Mick Herron entmystifiziert die Gentleman-Agenten und kämpft trotzdem weiter für das Gute - schwarz, böse und unterhaltsam.
Bahnchaos. Ein Sicherungskasten bei Swindon legt den Pendlerverkehr lahm. Im Getümmel um einen Platz im Schienersatzverkehr vulgo Bus erkennt der ehemalige Spitzel Dickie Bow einen ebenfalls ehemaligen sowjetischen Agenten, der ihn einst gefoltert hat. Er nimmt die Verfolgung auf, kassiert einen Stich mit einer vergifteten Regenschirmspitze und stirbt noch während der Busfahrt. Offiziell war es ein Herzinfarkt. Bows letztes Wort, getippt auf ein uraltes Nokia "mit ungefähr so vielen Funktionen wie ein Flaschenöffner": Cicadas.
So klassisch hebt der zweite ins Deutsche übertragene Fall für Jackson Lamb an; der erste, "Slow Horses", ist letztes Jahr bei Diogenes erschienen (F.A.Z. vom 5. November 2018). Im Original begann Mick Herron 2010 mit seiner Reihe um die ausgemusterten Spione des Inlandsgeheimdienstes MI5, aktuell ist in diesem Herbst in England der sechste Band erschienen. Slough House heißt die fiktive Zweigstelle des MI5, irgendwo hinter der St.-Pauls-Kathedrale in Finsbury gelegen. Wer hier arbeitet - im vorliegenden Fall sind es jenseits des Chefs sieben Agentinnen und Agenten - hat seine Laufbahn hinter sich. Auch wenn jede(r) von ihnen glaubt, es doch zurückschaffen zu können nach Thames House, dem Sitz des MI5 am Regent's Park, geschafft hat es noch keiner. Sterbezimmer heißt so etwas in deutschen Banken. Mitarbeiter durch sinnlosen Kram so lange zermürben, bis sie von selbst kündigen.
Der Titel "Dead Lions" erinnert an das Versteckspiel "Sleeping Lions", bei dem ein Kind der Jäger ist und alle anderen sich möglichst unsichtbar machen. Mit den Zikaden aber hat es Folgendes auf sich: Die Gattung Magicicada entwickelt sich siebzehn Jahre unter der Erde, um dann auf einen Schlüpf-Schlag die ganze Population auf die Welt loszulassen. Von diesem Verhalten leitet Herron seine Arbeitshypothese ab. Sowjetische Schläfer haben überwintert, alsbald werden sie ans Licht kommen.
Aber ergibt sie auch Sinn, da der Auftraggeber nicht mehr existiert? Zwar versucht der "Park", also der MI5, einen russischen Oligarchen namens Paschkin ("so wie der Dichter") als Informanten zu ködern, aber so ganz geht die Konstruktion nicht auf. Dennoch kommt sie Jackson Lamb, einem Veteranen des Kalten Krieges, gerade recht. In seinen Augen leuchten keine Dollarzeichen, sondern Hammer und Sichel: Sein Feind steht noch immer im Osten.
Überhaupt, dieser chauvinistische Menschenschinder Lamb. Raucht, säuft, furzt. Ein Chefzyniker vor dem Herrn, der aber für seine Truppe alles tun würde (ohne es sich anmerken zu lassen). Als zwei seiner Leute abgeordnet werden, den Bodyguard für Paschkin zu spielen, und einer während der Vorbereitung des Treffens ums Leben kommt, wittert Lamb den Braten. Und schlägt zu.
Er schicke "nie einen Agenten ins Feld ohne ihm vorher sämtliche Informationen an die Hand zu geben", erklärt er seinem Mitarbeiter River Cartwright, dessen Großvater ein hoher Geheimdienstler zur Zeit des Kalten Kriegs war, mit jeder Menge Leichen, die auf sein Konto gehen. Cartwright bekommt den Auftrag, der Spur der Schläfer zu folgen. Das liest sich bei Herron dann so: "Es dauerte fünf Sekunden, bis River das begriffen hatte. ,Ins Feld?' ,Können wir den Teil überspringen, bei dem Sie ständig wiederholen, was ich gerade gesagt habe?' River sagte: ,Okay. Übersprungen. Feld. Wo?' ,Ich hoffe, Sie sind gegen alles geimpft', sagte Lamb. ,Sie fahren nämlich nach Gloucestershire."'
Sarkasmus ist eine der großen Stärken dieses Autors, schwarzer Humor eine weitere. Und an erzählerischer Phantasie scheint es ihm auch nicht zu mangeln. 1963 in Newcastle upon Tyne geboren, blieb Herron nach dem Literaturstudium in Oxford hängen. Er arbeitet als Lektor für einen juristischen Verlag in London. Anders als die Überväter des Agentenromans John Buchan, William Somerset Maugham, Frederik Forsyth und John le Carré ist von Herron nicht bekannt, ob er Beziehungen zu den Geheimdiensten unterhält. Auf jeden Fall ist er viel lustiger als der häufig zähe le Carré.
Herron spielt gekonnt mit Mustern des Genres und überträgt dessen Regeln in die Gegenwart, die leider so viel digitaler und komplizierter geworden ist. Und viel weniger glamourös. Der Autor schlägt einen weiteren Nagel in den Sarg der einst so glorreichen Geheimdienstgeschichte Britanniens als Teil der überragenden Intelligenz des Empire. Gentleman-Spione, das ist Herrons Botschaft, die waren einmal. Diese Entmystifizierung serviert er vor dem Hintergrund der sich abwärts bewegenden Flugbahn der englischen Gesellschaft. Und so sind seine abgewrackten Spione schon wieder Sympathieträger, fehlbare Menschen, die ein Patzer die Karriere gekostet hat und die dennoch nicht aufhören wollen, etwas Gutes zu tun. Damit spiegelt die Agentenwelt die soziale Lage des Landes, die sich im Roman mit Demonstrationen und Tumulten gegen die Üblichkeiten (Banken, Globalisierung, Klimawandel) immer weiter radikalisiert. Am Ende brennt London, aber in den Cotswolds spielt man weiter kultivierte Bürgerlichkeit.
Dem "Economist" hat Herron unlängst anvertraut, als "menschliches Wesen und als Bürger dieses Landes verachte ich so gut wie alles, was sich derzeit im öffentlichen Leben abspielt". Aber als Romancier mit Hang zur Satire sei diese Lage "ein Geschenk". Vor diesem Hintergrund muss man wohl auch die im Stil eines James-Bond-Finales reichlich dick aufgetragene Wendung des Plots als Satire nehmen: Auch Londoner Hochhäuser sind stehende Einladungen für fliegende Selbstmordattentäter.
HANNES HINTERMEIER
Mick Herron: "Dead Lions". Ein Fall für Jackson Lamb. Roman.
Aus dem Englischen von Stefanie Schäfer. Diogenes Verlag, Zürich 2019. 478 S., geb., 24.- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Spione sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren: Mick Herron entmystifiziert die Gentleman-Agenten und kämpft trotzdem weiter für das Gute - schwarz, böse und unterhaltsam.
Bahnchaos. Ein Sicherungskasten bei Swindon legt den Pendlerverkehr lahm. Im Getümmel um einen Platz im Schienersatzverkehr vulgo Bus erkennt der ehemalige Spitzel Dickie Bow einen ebenfalls ehemaligen sowjetischen Agenten, der ihn einst gefoltert hat. Er nimmt die Verfolgung auf, kassiert einen Stich mit einer vergifteten Regenschirmspitze und stirbt noch während der Busfahrt. Offiziell war es ein Herzinfarkt. Bows letztes Wort, getippt auf ein uraltes Nokia "mit ungefähr so vielen Funktionen wie ein Flaschenöffner": Cicadas.
So klassisch hebt der zweite ins Deutsche übertragene Fall für Jackson Lamb an; der erste, "Slow Horses", ist letztes Jahr bei Diogenes erschienen (F.A.Z. vom 5. November 2018). Im Original begann Mick Herron 2010 mit seiner Reihe um die ausgemusterten Spione des Inlandsgeheimdienstes MI5, aktuell ist in diesem Herbst in England der sechste Band erschienen. Slough House heißt die fiktive Zweigstelle des MI5, irgendwo hinter der St.-Pauls-Kathedrale in Finsbury gelegen. Wer hier arbeitet - im vorliegenden Fall sind es jenseits des Chefs sieben Agentinnen und Agenten - hat seine Laufbahn hinter sich. Auch wenn jede(r) von ihnen glaubt, es doch zurückschaffen zu können nach Thames House, dem Sitz des MI5 am Regent's Park, geschafft hat es noch keiner. Sterbezimmer heißt so etwas in deutschen Banken. Mitarbeiter durch sinnlosen Kram so lange zermürben, bis sie von selbst kündigen.
Der Titel "Dead Lions" erinnert an das Versteckspiel "Sleeping Lions", bei dem ein Kind der Jäger ist und alle anderen sich möglichst unsichtbar machen. Mit den Zikaden aber hat es Folgendes auf sich: Die Gattung Magicicada entwickelt sich siebzehn Jahre unter der Erde, um dann auf einen Schlüpf-Schlag die ganze Population auf die Welt loszulassen. Von diesem Verhalten leitet Herron seine Arbeitshypothese ab. Sowjetische Schläfer haben überwintert, alsbald werden sie ans Licht kommen.
Aber ergibt sie auch Sinn, da der Auftraggeber nicht mehr existiert? Zwar versucht der "Park", also der MI5, einen russischen Oligarchen namens Paschkin ("so wie der Dichter") als Informanten zu ködern, aber so ganz geht die Konstruktion nicht auf. Dennoch kommt sie Jackson Lamb, einem Veteranen des Kalten Krieges, gerade recht. In seinen Augen leuchten keine Dollarzeichen, sondern Hammer und Sichel: Sein Feind steht noch immer im Osten.
Überhaupt, dieser chauvinistische Menschenschinder Lamb. Raucht, säuft, furzt. Ein Chefzyniker vor dem Herrn, der aber für seine Truppe alles tun würde (ohne es sich anmerken zu lassen). Als zwei seiner Leute abgeordnet werden, den Bodyguard für Paschkin zu spielen, und einer während der Vorbereitung des Treffens ums Leben kommt, wittert Lamb den Braten. Und schlägt zu.
Er schicke "nie einen Agenten ins Feld ohne ihm vorher sämtliche Informationen an die Hand zu geben", erklärt er seinem Mitarbeiter River Cartwright, dessen Großvater ein hoher Geheimdienstler zur Zeit des Kalten Kriegs war, mit jeder Menge Leichen, die auf sein Konto gehen. Cartwright bekommt den Auftrag, der Spur der Schläfer zu folgen. Das liest sich bei Herron dann so: "Es dauerte fünf Sekunden, bis River das begriffen hatte. ,Ins Feld?' ,Können wir den Teil überspringen, bei dem Sie ständig wiederholen, was ich gerade gesagt habe?' River sagte: ,Okay. Übersprungen. Feld. Wo?' ,Ich hoffe, Sie sind gegen alles geimpft', sagte Lamb. ,Sie fahren nämlich nach Gloucestershire."'
Sarkasmus ist eine der großen Stärken dieses Autors, schwarzer Humor eine weitere. Und an erzählerischer Phantasie scheint es ihm auch nicht zu mangeln. 1963 in Newcastle upon Tyne geboren, blieb Herron nach dem Literaturstudium in Oxford hängen. Er arbeitet als Lektor für einen juristischen Verlag in London. Anders als die Überväter des Agentenromans John Buchan, William Somerset Maugham, Frederik Forsyth und John le Carré ist von Herron nicht bekannt, ob er Beziehungen zu den Geheimdiensten unterhält. Auf jeden Fall ist er viel lustiger als der häufig zähe le Carré.
Herron spielt gekonnt mit Mustern des Genres und überträgt dessen Regeln in die Gegenwart, die leider so viel digitaler und komplizierter geworden ist. Und viel weniger glamourös. Der Autor schlägt einen weiteren Nagel in den Sarg der einst so glorreichen Geheimdienstgeschichte Britanniens als Teil der überragenden Intelligenz des Empire. Gentleman-Spione, das ist Herrons Botschaft, die waren einmal. Diese Entmystifizierung serviert er vor dem Hintergrund der sich abwärts bewegenden Flugbahn der englischen Gesellschaft. Und so sind seine abgewrackten Spione schon wieder Sympathieträger, fehlbare Menschen, die ein Patzer die Karriere gekostet hat und die dennoch nicht aufhören wollen, etwas Gutes zu tun. Damit spiegelt die Agentenwelt die soziale Lage des Landes, die sich im Roman mit Demonstrationen und Tumulten gegen die Üblichkeiten (Banken, Globalisierung, Klimawandel) immer weiter radikalisiert. Am Ende brennt London, aber in den Cotswolds spielt man weiter kultivierte Bürgerlichkeit.
Dem "Economist" hat Herron unlängst anvertraut, als "menschliches Wesen und als Bürger dieses Landes verachte ich so gut wie alles, was sich derzeit im öffentlichen Leben abspielt". Aber als Romancier mit Hang zur Satire sei diese Lage "ein Geschenk". Vor diesem Hintergrund muss man wohl auch die im Stil eines James-Bond-Finales reichlich dick aufgetragene Wendung des Plots als Satire nehmen: Auch Londoner Hochhäuser sind stehende Einladungen für fliegende Selbstmordattentäter.
HANNES HINTERMEIER
Mick Herron: "Dead Lions". Ein Fall für Jackson Lamb. Roman.
Aus dem Englischen von Stefanie Schäfer. Diogenes Verlag, Zürich 2019. 478 S., geb., 24.- [Euro].
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