Die Geschichte "Dear Evan Hansen" ist zunächst als Musical in den USA, Kanada und in London erschienen, bevor sie in Buchform geschrieben wurde. Als ich das gehört habe, war ich gleichermaßen neugierig und skeptisch. Schon während des Lesens konnte ich die Musical-Vorgeschichte kaum glauben und habe
mich mehrfach gefragt, wie man diese Story ernsthaft als Musical darbieten will...?! (Aber es…mehrDie Geschichte "Dear Evan Hansen" ist zunächst als Musical in den USA, Kanada und in London erschienen, bevor sie in Buchform geschrieben wurde. Als ich das gehört habe, war ich gleichermaßen neugierig und skeptisch. Schon während des Lesens konnte ich die Musical-Vorgeschichte kaum glauben und habe mich mehrfach gefragt, wie man diese Story ernsthaft als Musical darbieten will...?! (Aber es stimmt: man muss nur mal ein wenig googeln und wird spätestens bei Youtube fündig und kann sich Trailer und Songs aus den verschiedenen Versionen des Musicals in den USA und UK anschauen.)
So skeptisch war ich vor allem deshalb, weil dieses Buch voll von Gedankengängen und von Beschreibungen emotionaler Befindlichkeiten der Hauptfigur Evan Hansen ist. Und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie man all das, diese Intensität und Eindringlichkeit des Seelenlebens von Evan, in ein Musical packen wollte. Ob das letztlich gelungen ist oder nicht, kann ich auch nicht beurteilen. Ich kenne nur das Buch und die paar Trailer, die man online finden kann. Die haben mich tatsächlich nicht überzeugt, und ich bin froh, dass ich die Geschichte von Evan Hansen als Buch kennenlernen konnte und nicht als Musical. Das Musical würde ich tatsächlich (nach diesen ersten Eindrücken) nicht sehen wollen.
Aber worum geht´s eigentlich, fragt sich jetzt vielleicht mancher. Es geht um Evan Hansen, ein geborener Außenseiter und Einzelgänger in seinem letzten Schuljahr. Eigentlich möchte er das gar nicht sein - allein und außen vor bei den anderen -, aber er ist es nun mal. Der soziale Umgang fällt ihm schwer, Kontaktaufnahme zu anderen findet kaum statt. Freunde hat er nicht, eine Freundin dagegen hätte er schon ganz gern, und zwar Zoe, für die er schon eine ganze Weile heimlich schwärmt. Ich fand es im Buch etwas schade, dass man so wenig über die Hintergründe seiner sozialen Schwierigkeiten erfährt. Anfangs dachte ich, mal wieder wird das Autismus-Syndrom bemüht (passiert in letzter Zeit meiner Meinung nach viel zu oft!), dann dachte ich an eine Soziale Phobie. Aber das scheint es alles nicht zu sein, und so bleibt diese Frage - "Warum ist Evan so?" - für mich letztlich ein wenig ungeklärt, was ich schade, aber nicht störend für die Handlung fand. Evan soll laut seines Therapeuten jeden Tag einen positiven Brief an sich selbst schreiben. Einer dieser Briefe gelangt durch Zufall in die Hände von Schulrüpel Connor, zufällig Zoes Bruder. Am Tag darauf begeht Connor Selbstmord - und plötzlich glauben alle, Evan und Connor seien beste Freunde gewesen. Evan, der zum ersten Mal in seinem Leben von Anderen positive Rückmeldungen und Aufmerksamkeit erhält, schafft es nicht, die Wahrheit zu sagen. Aber wie lange kann er diese Lüge vor den anderen, aber auch vor sich selbst, aufrecht halten?
Die Geschichte von Evan ist ein Auf und Ab der Gefühle und man weiß gar nicht so recht, welches Gefühl man eigentlich zulassen und welchem man nachspüren sollte. Man leidet man Evan mit, freut sich mit ihm, aber auch diese unterschwellige Traurigkeit, das Gefühl von Einsamkeit und Verzweiflung gingen zumindest mir sehr an die Nieren. Mich hat die Geschichte definitiv nicht kalt gelassen, und das ist ja eigentlich mit das Beste, was ein Buch bewirken kann. Es ist kein Buch zum herzlich-mitfühlenden Weinen, auch laut Lachen wird einem eher selten passieren. Aber am Ende denkt man über sehr viel nach, finde ich, trotz mancher Schwächen in der Geschichte.
Auf das Musical kann ich gut und gerne verzichten, aber dass ich das Buch gelesen habe - darüber bin ich froh.