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Ein Mann in einem fremden Land versäumt durch ein Mißgeschick den Zug, den er an einer Station nur kurz verlassen hat. Ohne die Landessprache richtig zu können, ohne Geld, Papiere und Gepäck macht er sich auf die Suche nach einem Unterschlupf für die Nacht und richtet sich notdürftig in einem Raum eines halbfertigen Wohnblocks ein. Als er durch Zufall an den Schlüssel zur Wohnung einer jungen Frau im selben Haus gerät, schleicht er sich von nun an tagsüber dort ein. Er ißt von ihren Lebensmitteln, wäscht seine Wäsche, liest ihre Bücher. Eines Tages vergißt er zu seinem Schrecken sein Hemd in…mehr

Produktbeschreibung
Ein Mann in einem fremden Land versäumt durch ein Mißgeschick den Zug, den er an einer Station nur kurz verlassen hat. Ohne die Landessprache richtig zu können, ohne Geld, Papiere und Gepäck macht er sich auf die Suche nach einem Unterschlupf für die Nacht und richtet sich notdürftig in einem Raum eines halbfertigen Wohnblocks ein. Als er durch Zufall an den Schlüssel zur Wohnung einer jungen Frau im selben Haus gerät, schleicht er sich von nun an tagsüber dort ein. Er ißt von ihren Lebensmitteln, wäscht seine Wäsche, liest ihre Bücher.
Eines Tages vergißt er zu seinem Schrecken sein Hemd in der Wohnung der Frau: doch bedeutet dies wider Erwarten nicht das Ende der heimlichen Mitbewohnerschaft...
Mit großer sprachlicher Finesse und psychologischem Raffinement lotet Michael Köhlmeier in diesem Buch die abgründigen Spielarten menschlicher Beziehungen aus. Er führt vor, wie aus Voyeurismus Intimität entsteht, und erzählt von der Lust am Eindringen in die Sphäre anderer.
Autorenporträt
Michael Köhlmeier, geb. 1949, wuchs in Hohenems/Vorarlberg auf, wo er auch heute lebt. Für sein Werk wurde der österreichische Bestsellerautor unter anderem mit dem 'Manes-Sperber-Preis', dem 'Anton-Wildgans-Preis', dem 'Grimmelshausen-Preis' sowie 2014 mit dem 'Walter Hasenclever-Literaturpreis' ausgezeichnet. Im Jahr 2015 erhielt er den mit 15.000 Euro dotierten Preis der LiteraTour Nord.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.08.1997

Ein Bett im Ungewissen
Leser müssen dichten: Michael Köhlmeiers Wohnungsbesetzer

Der junge Mann hat den Schriftsteller ins Café bestellt, um ihm eine Geschichte zu erzählen. Eine schöne, eine buchenswerte Geschichte. Ihn irritiert freilich, daß der Schriftsteller sich keine Notizen macht und sein Erzählen des öfteren durch Fragen und Einwände unterbricht. Daher bemerkt er, er habe die Freiheit, sich seine Einwände nicht anhören zu müssen - ein Hinweis mit Folgen. Zunächst aber erfahren wir, wie der junge Mann, durch ein eingangs berichtetes Mißgeschick ohne Geld, Papiere und warme Sachen, Unterschlupf in einem halbfertigen Wohnblock findet und an den Schlüssel zur Wohnung einer alleinlebenden, berufstätigen jungen Frau gerät. Eine Wohnung und nicht ein Zimmer, wie es der Titel - eine Hommage an Virginia Woolf - suggeriert.

Er verbringt dort die Zeit ihrer Abwesenheit, um sich aufzuwärmen, zu waschen, zu essen, zu trinken - und sich in die Frau zu verlieben. Anders als Schneewittchen bemerkt sie nicht, wer von ihrem Teller gegessen, von ihrem Whisky getrunken, in ihrer Wanne gebadet, ja in ihrem Bett gelegen hat - oder will sie es nicht bemerken? Gibt es einen heimlichen Pakt zwischen ihnen? Denn warum hat Marianne das Hemd gebügelt, das ihr heimlicher Mitbewohner vergaß?

Die Stunde der Wahrheit naht, als Marianne überraschend mit einem Mann in die Wohnung kommt und der Erzähler sich unters Bett flüchtet. So weit, so spannend. Da begeht der Schriftsteller, der offenbar vergessen hat, daß der Erzähler keine Diskussionen wünscht, den entscheidenden Fehler. Er fragt: "Wie sind Sie denn wieder unter dem Bett hervorgekommen?" Zur Strafe muß er raten - und mit ihm der Leser. Denn inzwischen ist der junge Mann unter einem Vorwand verschwunden: "Darin bestand seine Freiheit . . ."

Wir möchten sie ihm gönnen, wäre es nicht die bequeme Freiheit zur Desertion, die sich der Autor Michael Köhlmeier nimmt. Man kann ja zugeben, daß der Reiz der Geschichte in ihrem Schwebezustand liegt und daß eine Auflösung heikel ist. Doch der Ausweg in die Reflexion des Erzählens ist ein alter avantgardistischer Hut. Da tröstet kein pompöser Aphorismus: "Die Verfassung des Menschen aber ist ihrem Wesen nach Ungewißheit." Wieviel spannender wäre es gewesen, hätte der Autor die verrückte Konstellation genutzt und seine Figuren aufeinanderprallen lassen. Was soll uns der Mann unterm Bett? Was ein Autor, der das Dichten dem Leser überläßt? HARALD HARTUNG

Michael Köhlmeier: "Dein Zimmer für mich allein". Erzählung. Deuticke Verlag, Wien 1997. 110 S., geb., 26,- DM.

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