Am 15. August 1947 wurde Indien mit einem großen Festakt in Neu-Delhi vom britischen Vizekönig in die Unabhängigkeit entlassen. Zugleich wurde das Land geteilt, und an der neuen Grenze zwischen Indien und Pakistan kam es bald darauf zu blutigen Unruhen. Mahatma Gandhi, der Führer des indischen Freiheitskampfes, wurde Anfang 1948 ermordet. - Die inneren und äußeren Aspekte der Entkolonialisierung in Asien und Afrika sowie Ideologie und Politik der Befreiungsbewegungen bis in die sechziger Jahre.
"Wer das Buch gelesen hat, versteht vieles von dem, was er sieht, besser."'In Asien'
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.05.1998Verabredung
ENTKOLONIALISIERUNG. Kaum ein Staatslenker hatte erwartet, daß der Marsch in die Freiheit derartig schwierig werden würde, wie Dietmar Rothermund in seinem Buch über das Ende der kolonialen Herrschaft darlegt. Leider erschöpft sich sein Ehrgeiz darin, Jahreszahlen, Stammesnamen und Kolonialkriege aufzulisten. Bilanz zieht er kaum. Nur eine nicht gerade originelle Einsicht kann der Leser gewinnen: Die Europäer sind selten ihrer Verantwortung gerecht geworden. Zwar förderten sie in einzelnen Fällen Demokratie, Volksbildung und Infrastruktur - und nicht alle wüteten so übel wie die Belgier. Aber regelmäßig dachten die Kolonialherren zunächst an sich selbst. Oft verboten ihr Stolz und die Erinnerung an das Goldene Zeitalter der eigenen Größe einen wohlorganisierten Rückzug. Entsprechend chaotisch verlief meist nicht nur der Abschied, sondern auch der Neuanfang für die plötzlich souverän gewordenen Staaten. Immer wieder flammten allerorten ethnische Spannungen auf. Am Beispiel Indiens erläutert Rothermund, wie unbedacht die Briten Grenzen zogen und damit jahrzehntelang für Tod und Terror zwischen Hindus und Muslimen sorgten. Zahlreiche Waffengänge und Bürgerkriege lassen sich jedoch nicht den Europäern anlasten. Ihre Brutalität rückt deren Herrschaft nicht selten in ein milderes Licht. Oftmals lebten die Menschen in der Kolonialzeit sogar besser als unter den einheimischen Diktatoren der sechziger, siebziger und achtziger Jahre. Beim Kampf gegen die Europäer war es um Selbstständigkeit gegangen, selten um Demokratie. Nehru hatte recht, als er die Unabhängigkeit eine "Verabredung mit dem Schicksal" nannte, einem Schicksal, das nicht allen und jedem günstig gestimmt war. (Dietmar Rothermund: Delhi, 15. August 1947. Das Ende kolonialer Herrschaft. Reihe 20 Tage im 20. Jahrhundert. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1998. 258 Seiten, 19,90 Mark.)
HARTMUT KÜHNE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
ENTKOLONIALISIERUNG. Kaum ein Staatslenker hatte erwartet, daß der Marsch in die Freiheit derartig schwierig werden würde, wie Dietmar Rothermund in seinem Buch über das Ende der kolonialen Herrschaft darlegt. Leider erschöpft sich sein Ehrgeiz darin, Jahreszahlen, Stammesnamen und Kolonialkriege aufzulisten. Bilanz zieht er kaum. Nur eine nicht gerade originelle Einsicht kann der Leser gewinnen: Die Europäer sind selten ihrer Verantwortung gerecht geworden. Zwar förderten sie in einzelnen Fällen Demokratie, Volksbildung und Infrastruktur - und nicht alle wüteten so übel wie die Belgier. Aber regelmäßig dachten die Kolonialherren zunächst an sich selbst. Oft verboten ihr Stolz und die Erinnerung an das Goldene Zeitalter der eigenen Größe einen wohlorganisierten Rückzug. Entsprechend chaotisch verlief meist nicht nur der Abschied, sondern auch der Neuanfang für die plötzlich souverän gewordenen Staaten. Immer wieder flammten allerorten ethnische Spannungen auf. Am Beispiel Indiens erläutert Rothermund, wie unbedacht die Briten Grenzen zogen und damit jahrzehntelang für Tod und Terror zwischen Hindus und Muslimen sorgten. Zahlreiche Waffengänge und Bürgerkriege lassen sich jedoch nicht den Europäern anlasten. Ihre Brutalität rückt deren Herrschaft nicht selten in ein milderes Licht. Oftmals lebten die Menschen in der Kolonialzeit sogar besser als unter den einheimischen Diktatoren der sechziger, siebziger und achtziger Jahre. Beim Kampf gegen die Europäer war es um Selbstständigkeit gegangen, selten um Demokratie. Nehru hatte recht, als er die Unabhängigkeit eine "Verabredung mit dem Schicksal" nannte, einem Schicksal, das nicht allen und jedem günstig gestimmt war. (Dietmar Rothermund: Delhi, 15. August 1947. Das Ende kolonialer Herrschaft. Reihe 20 Tage im 20. Jahrhundert. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1998. 258 Seiten, 19,90 Mark.)
HARTMUT KÜHNE
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