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Die Bronzeinschrift »Dem Deutschen Volke« wurde während des Ersten Weltkriegs am Reichstagsgebäude in Berlin angebracht, ein Auftrag für die Hoflieferanten Albert und Siegfried Loevy. Peter Behrens, Walter Gropius und die führenden Architekten des Bauhauses ließen bei der renommierten Berliner Gelb- und Bronzegießerei ihre Entwürfe fertigen. Der 1855 gegründete Familienbetrieb belieferte bis zu seiner ?Arisierung? im Jahr 1939 repräsentative Staatsbauten und private Villen mit Beschlägen, Beschriftungen und aufwendig gestalteten Türportalen. Die Ausstellung des Jüdischen Museums Berlin und…mehr

Produktbeschreibung
Die Bronzeinschrift »Dem Deutschen Volke« wurde während des Ersten Weltkriegs am Reichstagsgebäude in Berlin angebracht, ein Auftrag für die Hoflieferanten Albert und Siegfried Loevy. Peter Behrens, Walter Gropius und die führenden Architekten des Bauhauses ließen bei der renommierten Berliner Gelb- und Bronzegießerei ihre Entwürfe fertigen. Der 1855 gegründete Familienbetrieb belieferte bis zu seiner ?Arisierung? im Jahr 1939 repräsentative Staatsbauten und private Villen mit Beschlägen, Beschriftungen und aufwendig gestalteten Türportalen. Die Ausstellung des Jüdischen Museums Berlin und dieses Buch erzählen die Geschichte der Familie Loevy und ihrer Bronzegießerei vom Kaiserreich bis in die Zeit der Verfolgung im Nationalsozialismus.

Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.03.2004

Im Namen des Volkes
Zeitzeugnisse aus dem jüdischen Deutschland
AUBREY POMERANCE (Hrsg.): Jüdische Zwangsarbeiter bei Ehrich &
Graetz. Dumont Verlag, Köln 2003. 270 Seiten, 16,90 Euro.
HELMUTH F. BRAUN / MICHAEL DORRMANN (Hrsg.): Dem Deutschen Volke. Die Geschichte der Berliner Bronzegießer Loevy. Dumont Verlag, Köln 2003. 189 Seiten, 12,90 Euro.
(Aus der Reihe Zeitzeugnisse des Jüdischen Museums Berlin).
Im Zusammenhang mit den Ermittlungen über den Sprengstoffanschlag des Neonazis Martin Wiese auf das Gelände der künftigen Synagoge am Münchner St.-Jakobs-Platz berichteten die Medien über Versäumnisse der Polizei bei der Observierung der Münchner Naziszene. Dabei wurde auch der Fall des 78-jährigen Martin Löwenberg thematisiert, der als Demonstrant gegen Naziaufmärsche protestierte und deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Die Abteilung „Politischer Extremismus” der Münchener Polizei legte dem Gericht einen Bericht über die strittige Demonstration als Beweismittel vor. Darin wurde der ehemalige KZ-Häftling Löwenberg als „KFZ-Häftling” bezeichnet, Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels heißt „Göppel”. Das ARD-Fernsehmagazin Kontraste, das über Wiese und die Versäumnisse des Innenministeriums am 25. September 2003 einen Beitrag sendete und im Gegenzug das absurde Gerichtsurteil gegen Löwenberg kommentierte, schien selbst nicht glauben zu können, als was der 78-Jährige im Demonstrationsbericht der Abteilung „Politischer Extremismus” bezeichnet wurde – und der entgeisterte Zuschauer fragte sich skeptisch, wie extrem das Maß der Unwissenheit und Gedankenlosigkeit im Hinblick auf die Ereignisse des Holocaust geworden ist.
Die Vergegenwärtigung dieser Geschichte bleibt also wichtig – und die leistet eine Buchreihe über Zeitzeugnisse aus dem Jüdischen Museum Berlin mit handlichen Beiträgen: Die vorliegenden Bände sind Taschenbücher, gut aufgemacht, gut lesbar, bilderreich, mit Zeittafeln und weiterführenden Daten ausgestattet. Die vielen Abbildungen bereichern das Thema um eine emotionale Komponente, sie machen die spröden Zahlen und Daten von Opfern, von Vertreibungen, Hinrichtungen und Tötungen durch die bildliche Gegenwärtigkeit von Gesichtern nachvollziehbar. Die Gesichter könnten von heute stammen: Das belegt besonders der Band über jüdische Zwangarbeiter der Berliner Firma Ehrich & Graetz, in dem eine ausführliche Dokumentation von mehr als 500 Fotos und persönlichen Daten jüdischer Zwangsarbeiter aufgelistet ist, die zwischen Herbst 1940 und Februar 1943 dort arbeiten mussten. Nach dem Krieg waren Passfotos an das Jüdische Museum weitergegeben worden – ein wichtiger Fundort für Angehörige, die oft nichts über das Schicksal ihrer Verwandten und Freunde wussten. Die meisten Zwangsarbeiter bei Ehrich & Graetz wurden deportiert – der Band stellt ihr Vermächtnis dar, ein Photoalbum aus Biographien und Bildern, aus dem einem die Mitmenschen individuell und unmittelbar entgegentreten.
„In modernen Formen und nach historischen Originalen arbeitet die Bronzegießerei S. A. Loevy”: Von ihrer Gründung 1855 bis zur Zwangsarisierung 1939 belieferte sie die meisten großen öffentlichen Gebäude und private Herrschaftshäuser mit Beschlägen, Beschriftungen, Ornamenten, Portalen. Bekannte deutsche Architekten gehörten zu ihren Auftraggebern. Von der Firma Loevy stammt auch die Inschrift am Berliner Reichstagsgebäude „Dem Deutschen Volke”, die 1915/16 nach langen Querelen angefertigt wurde. Verwendet wurde dafür übrigens Bronze aus erbeuteten Geschützen des Jahres 1813.
Die Scharmützel um Entstehung und Gestaltung dieser umstrittenen Inschrift erinnern an eine Politposse, die vor dem Hintergrund der Familiengeschichte der Loevys spielt. Sie reicht von deren Anfängen im Kaiserreich bis zum Tod durch den Strick, zu dem das Familienmitglied Erich Gloeden 1944 wegen Begünstigung eines der Generäle des 20. Juli verurteilt wurde. Auch das geschah im Namen des deutschen Volkes. Auch hier erregen und bewegen viele Abbildungen: Sie befriedigen das Interesse an Privatem, an Bruchstellen und Zwistigkeiten, wie sie in einer jüdischen Familie und ihren Traditionen zwischen Assimilation und Eigenständigkeit zu Tage treten.
Zwei weitere Bände handeln unter anderem von der Tradition jüdischer Neujahrsgrüße und den Erinnerungen jüdischer Kindheit und Jugend in Deutschland nach 1945; das Tagebuch einer Tochter aus gutem Hause von 1888 schildert ausführlich die politische und gesellschaftliche Aktualität sowie deren Einfluss auf das Leben einer jüdischen Familie. Alle Bücher basieren auf Sammlungen und Ausstellungen des Museums, neue Themen sind in Vorbereitung.
BIRGIT WEIDINGER
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