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Miguel Abensours Demokratie gegen den Staat gehört zu den Klassikern der radikalen Demokratietheorie und der kritischen Theorie. Darin entwickelt er eine Theorie der aufständischen Demokratie, die politische Freiheit mit einer lebendigen Kritik von Herrschaft verbindet. Überraschenderweise nimmt dieser Versuch seinen Ausgang bei Karl Marx, der gemeinhin nicht als bedeutender Demokratietheoretiker gilt. Abensour gelingt es jedoch, in den Texten des frühen Marx eine Theorie der »wahren Demokratie« freizulegen, in der die Demokratie nicht mit dem Staat zusammenfällt. Es ist eine »Demokratie gegen…mehr

Produktbeschreibung
Miguel Abensours Demokratie gegen den Staat gehört zu den Klassikern der radikalen Demokratietheorie und der kritischen Theorie. Darin entwickelt er eine Theorie der aufständischen Demokratie, die politische Freiheit mit einer lebendigen Kritik von Herrschaft verbindet. Überraschenderweise nimmt dieser Versuch seinen Ausgang bei Karl Marx, der gemeinhin nicht als bedeutender Demokratietheoretiker gilt. Abensour gelingt es jedoch, in den Texten des frühen Marx eine Theorie der »wahren Demokratie« freizulegen, in der die Demokratie nicht mit dem Staat zusammenfällt. Es ist eine »Demokratie gegen den Staat«, welche sich jeder Unterordnung verweigert und gegen die Auflösung der Politik in Bürokratie und Repräsentation rebelliert.
Autorenporträt
Miguel Abensour (1939-2017) war Professor für politische Philosophie an der Universität Paris Diderot, Präsident des Collège international de philosophie und Herausgeber der einflussreichen Reihe Critique de la politique. Er war einer der maßgeblichen Denker des Wiederauflebens der politischen Philosophie in Frankreich.
Rezensionen
»Abensours Text hilft, die Fixierung auf den Staat - als Reforminstrument oder Unterdrückungsapparat - aufzugeben und das demokratische Potenzial einer Politik der Straßen und Plätze zu begreifen.« Die Tageszeitung

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Miguel Abensour versuche in seinem Buch "Demokratie gegen den Staat", die Politik aus den Fängen der Wirtschaft zu befreien - aus Herfried Münklers Sicht allerdings ohne Erfolg. Münkler führt das Zu-kurz-greifen des französischen Philosophen vor allem auf ein fehlerhaftes - weil vornehmlich am Staat zu Marx Zeiten orientiertes - Staatsverständnis einerseits und ein voreiliges Urteil über den Charakter des "Volkes" zurück. Abensour wolle den jungen Marx ("einmal mehr") gegen den späten in Stellung bringen, den Staat als bloßen Oberbau der wirtschaftlichen Verhältnisse und - nach einer Auslegung von Machiavellis Schriften - als Instrument der herrschenden Klasse deuten, das dem demokratischen Freiheitsdrang "des Volkes" entgegenstehe. "Kompliziert und voraussetzungsvoll" nennt Münkler diese Ausführungen Abensours - und dennoch unterkomplex. Der Staat habe sich seit Machiavelli und Marx gehörig verändert und bei den derzeitigen Sozialetats sei es zumindest fragwürdig, ob die Menschen einer rigoros partizipatorischen Demokratie den Vorzug vor dem derzeitigen System geben würden - "Dauerpräsenz und Dauerpartizipation" seien vielleicht weniger ansprechend als Abensour meine. Insbesondere bezweifelt Herfried Münkler die praktische Tauglichkeit der Überlegungen des Autors.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.05.2012

Absage an die Ordnung
Miguel Abensour preist die „rebellierende Demokratie“
Zur Demokratie gehört seit ihrer Erfindung bei den Griechen auch die Auseinandersetzung darüber, worin sie eigentlich besteht und wie sie realisiert werden kann. Einem heute in Theorie wie Praxis gängigen Verständnis zufolge müssen wir uns wohl oder übel mit einem Mix aus Mehrparteiensystem, regelmäßigen freien Wahlen und öffentlicher Debatte begnügen. Gegen ein solches recht minimalistisches und staatszentriertes Verständnis ist jüngst von radikaldemokratischer Seite verstärkt Einspruch erhoben worden. Wesentliche Momente der demokratischen Praxis drohen so aus dem Blick zu geraten – wie die Bilder aus Stuttgart, Kairo und New York vor Augen führen, findet Demokratie oft auf der Straße statt und reimt sich nicht unbedingt auf Ordnung und Stabilität.
Dieser Tendenz gibt der französische Philosoph Miguel Abensour in seinem Buch „Demokratie gegen den Staat. Marx und das machiavellische Moment“ nun eine besondere und radikale Wendung: besonders, weil er seine Inspiration beim frühen Marx findet und diesen damit als genuin politischen Denker rehabilitiert; radikal, weil er den Widerstand gegen den Staat zum Wesen der Demokratie erklärt.
Abensours Argumentation ist dabei zunächst negativ und zielt auf die Kritik „real existierender“ Demokratien. Diese ähneln ihm zufolge viel eher Oligarchien als Demokratien, sind aber vor allem Ausdruck einer fatalen Verwechslung, nämlich der „wahren Demokratie“ (Marx) mit einem Regime, das repräsentative Regierung und Rechtsstaatlichkeit miteinander kombiniert.
Für Abensour ist die Rede von einem „demokratischen Staat“ jedoch ein Widerspruch in sich. Er folgt dem anarchistischen Anthropologen Pierre Clastres (und dessen brillanter, leider noch immer nicht neu aufgelegten Studie „Staatsfeinde“) und begreift den Staat als wesentlich antidemokratisches Projekt. Als Inkarnation einer von der Gesellschaft abgetrennten (und vermeintlich neutralen) Macht beruht er auf der Unterscheidung von Herrschenden und Beherrschten – einer Unterscheidung, deren Aufhebung Abensour als Kern des demokratischen Projekts begreift. Die kritische Pointe seiner Marx-Lektüre – Demokratie ist das Gegenteil von staatlicher Herrschaft – soll uns von der Illusion befreien, der zufolge der Staat die universelle und unüberwindbare Form der Organisation komplexer politischer Gemeinschaften ist.
Der Titel „Demokratie gegen den Staat“ bringt diese Annahme auf den Punkt: Die Demokratie ist nichts anderes als der Kampf gegen den Staat und für die Wiederaneignung der Macht, die sich der Staat angeeignet hat. Wie Abensour darlegt, ist die Demokratie durch eine anarchische Logik gekennzeichnet, die sich ihrer Überführung in ein stabiles und einheitliches Institutionengefüge widersetzt und stattdessen zu einem nicht auflösbaren Spannungsverhältnis zwischen Demokratie und Staat führt.
In demokratischen Revolutionen reklamiert das Volk jene politische Handlungsfähigkeit, die der Staat zu monopolisieren und nur in kontrollierten Dosen – Wahlen, genehmigte Demonstrationen etc. – an die Bürger auszuteilen bestrebt ist. Die Demokratie ist daher ebenso wesentlich revolutionär wie die demokratische Revolution ein wesentlich unabschließbarer Prozess ist, weil die Logik der Demokratie im Verhältnis zu einem jeden Versuch, sie zu institutionalisieren und damit zu domestizieren, etwas Überschüssiges hat. Abensours Name hierfür ist „rebellierende Demokratie“. Ihren besonderen Status verdankt die „rebellierende Demokratie“ der Tatsache, dass sie die einzige politische Praxis ist, die der Konflikthaftigkeit des Politischen und seiner Verankerung in der Macht des demos – der Macht der Gemeinschaft der Bürgerinnen und Bürger – gerecht wird statt sie zu leugnen oder sie zu überwinden zu versuchen. Diese wesentliche Einsicht der politischen Ontologie – das im Untertitel angesprochene „machiavellische Moment“ – ließ Marx von der Demokratie als der Wahrheit aller Staatsformen, als dem „aufgelösten Rätsel aller Verfassungen“ sprechen.
Abensours „rebellierende Demokratie“ scheint strukturell jedoch auf eine politisch eher ungemütliche Position festgelegt zu sein: Sie ist verstrickt in einen Zwei-Fronten-Kampf gegen den Staat des „Ancien Régime“ auf der einen und den sich neu formierenden Staat auf der anderen Seite. Da es die wahre Demokratie demnach nur im Aufstand, im anarchischen Zwischen-den-Staaten zu geben scheint – als „Schauplatz einer ‚permanenten Auflehnung‘ gegen den Staat“ –, wird die Ausdehnung dieser Zäsur zum einzig möglichen Ziel des demokratischen Kampfes. Es scheint demnach kein Jenseits der immer neuen Infragestellung der etablierten und sich stets von neuem etablierenden staatlichen Ordnung zu geben. Das ist im Vergleich mit Marx’ Vorstellung eines nach dem Absterben des Staats zu etablierenden „Vereins freier Menschen“ dann doch ein eigentümlich episodischer Zustand der Emanzipation.
Trotz der innovativen Marx-Interpretation und der kritischen und polemischen Schärfe der aus ihr gewonnenen Position, die sich resolut jenseits der Alternative von liberaler Mäßigung und anti-demokratischer Ablehnung positioniert, bleibt Miguel Abensour auf eine Reihe grundlegender Fragen die Antwort schuldig. Kann es eine demokratische Gesellschaft, die die Spaltung in Regierende und Regierte dauerhaft überwindet, überhaupt geben?
Oder ist Demokratie wirklich nur der Name für einen nie enden wollenden Kampf? Warum dann aber kämpfen? Welche nicht-staatlichen Organisationsformen und Institutionen kennt dieser Kampf? Und warum sollten nicht auch staatliche Institutionen – ebenso wie das Recht – als Zwischenergebnisse und Foren demokratischer Auseinandersetzungen begriffen werden?
All dies sind wichtige – ja, die richtigen – Fragen und dass Abensours Buch sie provoziert, zeugt vom kritischen Potential seiner politischen Philosophie, auch wenn die vom Verlag auf dem Buchumschlag in Aussicht gestellte Verbindung zu den gegenwärtigen Protestbewegungen den Lesern einiges an Vermittlungsarbeit abverlangt. Abensour erinnert uns in jedem Fall aber zu Recht daran, was auch die Demonstrationen zum Schrecken der Ordnungshüter zu belegen scheinen: dass die Demokratie nicht zuletzt als „Absage an die Ordnung“ radikal ist.
ROBIN CELIKATES
MIGUEL ABENSOUR: Demokratie gegen den Staat. Marx und das machiavellische Moment. Aus dem Französischen von Andrea Hemminger. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 269 Seiten, 24,95 Euro.
Vielleicht ist Demokratie
nur der Name für einen nie
enden wollenden Kampf
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