Kaum war im 19. Jahrhundert gegen den Widerstand konservativer und liberaler Eliten das allgemeine Wahlrecht errungen, begann auch schon dessen Aushöhlung, um es auf bloße Akklamation der einsamen Entscheidungen eines mit allumfassender Macht ausgestatteten Führers durch eine atomisierte Masse zu reduzieren. Erstmals in Frankreich installiert, wird ein solches Regime seit Napoleon III. als Bonapartismus bezeichnet. Es hat seither einen komplexen historischen Prozess durchlaufen und inzwischen eine moderne Form angenommen. Dank des gigantischen Konzentrationsprozesses der Massenmedien beraubt ein solches System die subalternen Klassen ihrer autonomen Interessenartikulation und beschränkt die 'Demokratie' auf den Konkurrenzkampf rivalisierender Einzelpersonen, von denen sich dann eine charismatische Figur als Führer der Nation abheben kann. Die USA sind das wichtigste Experimentierfeld für diesen modernen Bonapartismus, der aber auch in Italien schon erprobt wurde und sich zur Regierungsform unserer Zeit verallgemeinern will.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Nicht wirklich überzeugt scheint Wilfried Nippel von Domenico Losurdos Buch über "Triumph und Niedergang des allgemeinen Wahlrechts". Die Auffassung des italienischen Philosophieprofessors, das allgemeine Wahlrecht sei schon bald nach seiner Einführung ausgehöhlt worden, teilt er nicht. Von einem Niedergang kann seines Erachtens nicht die Rede sein. Das eigentliche Thema des Autors sieht er indes in einer Kritik der amerikanischen Demokratie und insbesondere an der starken Rolle des Präsidenten. Skeptisch äußert er sich über Losurdos Ansicht, dieses Amt laufe auf eine Quasi-Diktatur hinaus, zumal er in diesem Zusammenhang eingehende empirische Analysen des Autors vermisst.
© Perlentaucher Medien GmbH
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