Trotz Dekolonialisierung, mehreren Wellen der Demokratisierung (Huntington) und dem oftmals beschworenen Wind of Change ist festzustellen, daß sich Demokratie in Afrika nicht zu dem politischen Erfolgsmodell entwickelt hat wie etwa in Westeuropa oder in Nordamerika. Wie an einigen Fallstudien in diesem Buch herausgearbeitet, haben die Gründe dafür weniger etwas mit den Folgen des Kolonialismus oder vermeintlichen soziokulturellen Barrieren zu tun als viel mehr mit dominierenden Herrschaftseliten, die die Beschwörung der Vergangenheit (z.B. des Befreiungskampfes) und den "Gebrauch" staatlich/demokratischer Institutionen für eine dauerhafte Sicherung ihrer Macht einzusetzen wissen. Fassadendemokratien wurden zu einem scheinbar afrikanischen Schicksal, denn selbst bei Hoffnungsträgern wie Südafrika werden derartige Entwicklungen deutlich. Um diesem "afrikanischen Schicksal" einen alternativen Entwicklungspfad entgegenzusetzen, plädiert der Autor dafür, neben der Einführung staatlich/demokratischer Institutionen einen Prozess des Erlernens von Demokratie in Gang zu setzen. Dessen Ziel sollte es sein, eine gesellschaftliche Demokratisierung sowie die Herausbildung von Parteien, die entlang politischer Interessen organisiert sind, anzuschieben (Demokratisierung von unten). Da endogene Akteure (bislang jedenfalls) nicht in der Lage oder Willens waren, einen solchen - ihre Macht möglicherweise gefährdenden - Prozess zuzulassen oder zu fördern, wird der Gedanke an ein externes Demokratisierungsmanagement, ausgeübt von interdisziplinären Expertenpools, vorgestellt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.02.2005Schutz für alle
SÜDAFRIKA. Ende 2004 beantwortete Minister Charles Nqakula die entsprechende Frage eines oppositionellen Abgeordneten im Kapstädter Parlament dahin gehend, daß fast 150 Polizeistationen, darunter sogar deren Hauptquartier in Pretoria, zum eigenen Schutz die Dienste privater Sicherheitsgesellschaften in Anspruch nähmen. Das seit 1994 demokratische Südafrika leidet eben nicht nur an einer extremen strukturellen Arbeitslosigkeit, einer horrenden Kriminalität und der HIV/Aids-Pandemie. Vielleicht ist sogar die Schwäche der gesamten öffentlichen Verwaltung das größte Hindernis auf dem Weg zur Etablierung einer halbwegs stabilen Demokratie in der Kap-Republik. Südafrika kann also durchaus, und dies trotz aller vortrefflichen makroökonomischen Daten, den vielen bereits gescheiterten Staaten des Kontinents in die Anarchie folgen. Das mit der Besonderheit, daß dann über eine Distanz von 10000 Kilometern hinweg schätzungsweise eineinhalb Millionen EU-Bürger zu evakuieren wären. Diese Schwächen des neuen Südafrika anzusprechen ist politisch nicht korrekt. Da erscheint gerade rechtzeitig das Werk von Roland Zimmermann. Denn der sehr kenntnisreiche Autor schlachtet gleich reihenweise heilige Kühe. Auch in Südafrika leidet, so der Autor, die Entwicklung einer demokratischen Kultur unter der Dominanz eines einzigen politischen Akteurs, dessen Legitimation sich weniger aus dem Ringen um politische Konzepte als aus einem siegreichen Befreiungskampf speist. Die eine Folge ist, daß Wahlen ihren demokratischen Sinn verlieren; die Ergebnisse spiegeln nur den Proporz von Schwarzen und Nichtschwarzen wider. Die andere Folge ist, daß die Grenzen zwischen der regierenden Partei und den staatlichen demokratischen Institutionen zusehends verschwinden. Was ist zu tun, um die sonst absehbaren katastrophalen Szenarien abzuwenden? Die Antwort kann hier wohl nur sein, mit Egon Bahr (1975) und - ihm folgend - Otto Graf Lambsdorff (1993) im Interesse der Stabilität dieser jungen Demokratie die Ersetzung seiner idealtypischen demokratischen Verfassung durch ein "bislang unbekanntes Modell gleichberechtigten Miteinanders mit besonderem Schutz für Minderheiten" zu suchen. Dann mag die von Zimmermann empfohlene Erziehung der nicht nur ethnisch tiefgespaltenen Bevölkerung hin zur Demokratie eine Chance haben. (Roland Zimmermann: Demokratie und das südliche Afrika. Antagonismus oder Annäherung? VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004. 389 Seiten, 39,- [Euro].)
KLAUS FREIHERR VON DER ROPP
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
SÜDAFRIKA. Ende 2004 beantwortete Minister Charles Nqakula die entsprechende Frage eines oppositionellen Abgeordneten im Kapstädter Parlament dahin gehend, daß fast 150 Polizeistationen, darunter sogar deren Hauptquartier in Pretoria, zum eigenen Schutz die Dienste privater Sicherheitsgesellschaften in Anspruch nähmen. Das seit 1994 demokratische Südafrika leidet eben nicht nur an einer extremen strukturellen Arbeitslosigkeit, einer horrenden Kriminalität und der HIV/Aids-Pandemie. Vielleicht ist sogar die Schwäche der gesamten öffentlichen Verwaltung das größte Hindernis auf dem Weg zur Etablierung einer halbwegs stabilen Demokratie in der Kap-Republik. Südafrika kann also durchaus, und dies trotz aller vortrefflichen makroökonomischen Daten, den vielen bereits gescheiterten Staaten des Kontinents in die Anarchie folgen. Das mit der Besonderheit, daß dann über eine Distanz von 10000 Kilometern hinweg schätzungsweise eineinhalb Millionen EU-Bürger zu evakuieren wären. Diese Schwächen des neuen Südafrika anzusprechen ist politisch nicht korrekt. Da erscheint gerade rechtzeitig das Werk von Roland Zimmermann. Denn der sehr kenntnisreiche Autor schlachtet gleich reihenweise heilige Kühe. Auch in Südafrika leidet, so der Autor, die Entwicklung einer demokratischen Kultur unter der Dominanz eines einzigen politischen Akteurs, dessen Legitimation sich weniger aus dem Ringen um politische Konzepte als aus einem siegreichen Befreiungskampf speist. Die eine Folge ist, daß Wahlen ihren demokratischen Sinn verlieren; die Ergebnisse spiegeln nur den Proporz von Schwarzen und Nichtschwarzen wider. Die andere Folge ist, daß die Grenzen zwischen der regierenden Partei und den staatlichen demokratischen Institutionen zusehends verschwinden. Was ist zu tun, um die sonst absehbaren katastrophalen Szenarien abzuwenden? Die Antwort kann hier wohl nur sein, mit Egon Bahr (1975) und - ihm folgend - Otto Graf Lambsdorff (1993) im Interesse der Stabilität dieser jungen Demokratie die Ersetzung seiner idealtypischen demokratischen Verfassung durch ein "bislang unbekanntes Modell gleichberechtigten Miteinanders mit besonderem Schutz für Minderheiten" zu suchen. Dann mag die von Zimmermann empfohlene Erziehung der nicht nur ethnisch tiefgespaltenen Bevölkerung hin zur Demokratie eine Chance haben. (Roland Zimmermann: Demokratie und das südliche Afrika. Antagonismus oder Annäherung? VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004. 389 Seiten, 39,- [Euro].)
KLAUS FREIHERR VON DER ROPP
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Klaus Freiherr von der Ropp lobt den Autor dieser Studie als "sehr kenntnisreich" und freut sich sichtlich, wie Roland Zimmermann darin lauter heilige Kühe schlachtet. Als Beispiel führt der Rezensent Zimmermann Hinweis an, dass beispielsweise in Südafrika die Entwicklung einer demokratischen Kultur unter der Dominanz eines einzigen politischen Akteurs - des ANC - leide, dessen Legitimation sich weniger aus dem Ringen um politische Konzepte, als aus einem siegreichen Befreiungskampf speise. Aber auch sonst verdankt der Rezensent der Studie einige Denkanstöße.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Da erscheint gerade rechtzeitig das Werk von Roland Zimmermann. Denn der sehr kenntnisreiche Autor schlachtet gleich reihenweise heilige Kühe." Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.02.2005
"[D]er sehr kenntnisreiche Autor schlachtet gleich reihenweise heilige Kühe." Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.02.2005