Demokratie ist ein Versprechen: die Herrschaft des Volkes. Das Volk ist aber keine Einheit. Es setzt sich zusammen aus vielen Individuen. Wie kann sich angesichts dieser Verschiedenheit ein demokratisches Wir einstellen, das der Versuchung eines identitären Wir widersteht?Ein Wir ist immer emotional verfasst. Das identitäre Wir sieht in der Verschiedenheit eine Gefahr. Identitätspolitisch zielt es auf die Einhegung von Pluralität durch Assimilation oder auf ihre Bekämpfung durch Exklusion (Identitäre Bewegung). Seine emotionalen Kräfte sind Stolz und Zorn.Das demokratische Wir ist plural. Es erkennt die Verschiedenheit der Individuen und des Ganzen an. Es ist ein revolutionäres Wir: Es empowert und verändert das Ich und bringt so die Verhältnisse zum Tanzen. Seine emotionale Verfasstheit beruht wesentlich auf einer Sensibilisierung. Das demokratische Wir steht für eine leidempfindliche und differenzsensible Politik, die nicht bei der Wahrnehmung des eigenen Leids stehen bleibt, sondern empfänglich ist für das Leid Ander_er.
O-Ton: »Weg mit dem Selbstmitleid!« - Jürgen Manemann im Interview bei Die Furche am 30.11.2020. »Mittels vieler Beispiele aus dem Gebaren der AfD zeigt der Autor, wie antidemokratische Haltungen aussehen können, und entlarvt dabei Stolz und Zorn als Ausprägung dieser.« Fundraiser-Magazin, 3 (2020) »Ein erfrischender und anregender Zwischenruf in der Debatte um Emotionen und Demokratie.« Politikum, 1 (2020) Besprochen in: Salzburger Theologische Zeitschrift, 22/2 (2018) Süddeutsche Zeitung, 24.11.2020, Jens-Christian Rabe Jazz & Politik (Bayern 2), 04.09.2021, Lukas Hammerstein