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Für den Politikwissenschaftler, der sich mit einem europäischen Land be schäftigt, ist es selbstverständlich geworden, die Dimension seines Themas fiir den europäischen Integrationsprozeß in den Blick zu nehmen. Wie und warum Frankreich sich mit der V. Republik auf den Weg zur Verfassungs staatlichkeit begab, ist somit auch als Beitrag zur Beantwortung der Frage zu verstehen, ob die europäischen Demokratien sich im Prozeß der europäischen Integration angleichen. Das Wort der europäischen Verfassung ist vielerorts zu hören, das der europäischen Demokratie hingegen kaum. Daß Demokratie und…mehr

Produktbeschreibung
Für den Politikwissenschaftler, der sich mit einem europäischen Land be schäftigt, ist es selbstverständlich geworden, die Dimension seines Themas fiir den europäischen Integrationsprozeß in den Blick zu nehmen. Wie und warum Frankreich sich mit der V. Republik auf den Weg zur Verfassungs staatlichkeit begab, ist somit auch als Beitrag zur Beantwortung der Frage zu verstehen, ob die europäischen Demokratien sich im Prozeß der europäischen Integration angleichen. Das Wort der europäischen Verfassung ist vielerorts zu hören, das der europäischen Demokratie hingegen kaum. Daß Demokratie und Verfassung zusammengehören, in einer bestimmten Balance, mag als Anregung zum Nach-und Weiterdenken genügen. Ohne Anregungen zum Weiterdenken wäre dieses Buch nie zustandege kommen. Dabei hat die Aufforderung, beim politikwissenschaftlichen Fragen "es sich nicht ganz so einfach zu machen", die wesentliche Rolle gespielt. Für diese Aufforderung möchte ich Prof. Dr. Peter Graf Kielrnansegg an erster Stelle danken. Sein Rat und seine tatkräftige Unterstützung, verbunden mit dem Freiraum, den er mir an seinem Lehrstuhl ließ, waren ausschlaggebend fiir das gute Gefühl, mit der Dissertation auf dem richtigen Weg zu sein.
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.05.2002

Die hegende Kraft
Verfassung und Verfassungswirklichkeit in der V. Republik

Wolfram Vogel: Demokratie und Verfassung in der V. Republik. Frankreichs Weg zur Verfassungsstaatlichkeit. Verlag Leske und Budrich, Opladen 2001. 347 Seiten, 30,90 Euro.

Die V. Republik, die Schöpfung von Charles de Gaulle, war zu Anbeginn in Frankreich heftig umstritten. Ihre Verfassung stand mit der massiven Stärkung der Exekutive und einer damit verbundenen Zurückdrängung des Parlamentes quer zu der aus der III. und IV. Republik gewohnten Herrschaft von Deputiertenkammer und Senat, dem "régime des assemblées". Zwar hatten die Franzosen in einer Volksabstimmung das neue Regime mit überwältigender Mehrheit legitimiert, aber das war eher Ausdruck der Hoffnung, de Gaulle werde es gelingen, den schon vier Jahre dauernden Algerien-Krieg zu beenden.

Angesichts der offenkundig ganz auf die Person des Gründers zugeschnittenen Verfassung wuchs jedoch gleichzeitig die Sorge um die Zukunft der Demokratie in Frankreich. Rasch war man mit dem Bonapartismusvorwurf bei der Hand. Ein Verfassungskonsens war 1958 nicht vorhanden. Selbst der liberale Soziologe und Publizist Raymond Aron, der im Kriege in den Reihen des Freien Frankreichs an der Seite de Gaulles gestanden hatte, meinte, mit dieser Verfassung werde die Demokratie nicht überleben. Und auf der Linken bezeichnete Mitterrand noch vier Jahre später in einem vielzitierten Pamphlet die gaullistische Republik als ein System des "permanenten Staatsstreiches." Dennoch hat die Demokratie mit dieser Verfassung bis heute überlebt. Die Linke gelangte sogar ab 1981 in einer demokratischen "Alternance" an die Macht; Mitterrand stand als dritter Nachfolger von de Gaulle dem Gründungsvater in eindrucksvoller Repräsentanz der Republik in nichts nach.

Um diese Entwicklung zu erfassen, spitzt der Verfasser in seinem anspruchsvollen Buch das Problem auf die Frage zu, ob Frankreich seit 1958 zu einem demokratischen Verfassungsstaat geworden ist. In einem solchen setzt das Verfassungsprinzip, die Suprematie der geschriebenen Verfassung, dem Demokratieprinzip, das im Kern die Dominanz der Volkssouveränität meint, Grenzen. Die Verfassung entwickelt dabei - nicht zuletzt interpretiert von einem unabhängigen Verfassungsgericht - eine "hegende Kraft". Sie mäßigt den demokratischen Souverän so, daß Freiheit und Sicherheit der Bürger gewährleistet sind. So entsteht ein Verfassungskonsens.

Frankreich hat in seiner Geschichte, so zeigt der Verfasser in einem historischen Rückgriff, die Errichtung neuer republikanischer Regime stets mehr mit dem Demokratieprinzip als mit dem Verfassungsprinzip zu legitimieren versucht. Gegenüber dieser historischen Dominanz des Demokratieprinzipes haben die Verfassungsväter der V. Republik um Charles de Gaulle den Versuch gemacht, beide Prinzipien miteinander zu vereinbaren. Das Demokratieprinzip kommt in der Institution des Referendums und der Direktwahl des Präsidenten zum Ausdruck und gewährleistet eine starke Exekutive. Das Verfassungsprinzip spiegelt sich in der Einsetzung des Conseil Constitutionel - eines Verfassungsrates, der die Kontrolle der einfachen Gesetzgebung gemäß den Prinzipien der Verfassung ermöglicht.

Im Laufe der Entwicklung - so zeigt der Verfasser anhand eingehender quantitativer wie qualitativer Analysen der Rechtsprechung des Verfassungsrates - hat der Conseil schrittweise seine Kompetenzen ausgeweitet und damit den Weg zu einem Verfassungsgericht spezifischer Art eingeschlagen. In wegweisenden Entscheidungen drückte sich sein Wille zur Verfassungsstaatlichkeit insofern aus, als er die in der Verfassung festgelegten Regeln, Verfahren und Prinzipien als verbindlich für alle am politischen Entscheidungsprozeß beteiligten Akteure gemacht hat. Seine Rechtsprechung unterwirft unterschiedliche Mehrheiten den gleichen Verfassungsprinzipien. Das wurde insbesondere nach dem Wechsel der Mehrheiten ab 1981 von Bedeutung. Andererseits aber hat der Verfassungsrat die Volkssouveränität als dominante konstitutionelle Leitidee insofern aufrechterhalten, als er das absolute, das heißt durch den Conseil Constitutionel nicht zu beschränkende Recht des Souveräns zur Veränderung der Verfassung durch Referenden ebenfalls betont.

Der bekannte Historiker François Furet folgerte daraus, daß die Verfassung von 1958 in ihren Institutionen Ancien Régime wie Revolution in sich vereine. Die V. Republik, so das Fazit der Untersuchung, habe sich zwar nicht dem Ideal des Verfassungsstaates verschrieben, wohl aber einen Weg gefunden, die Spannung zwischen dem demokratiestaatlichen, auf revolutionärer Volkssouveränität beruhenden Ideal und einer verfassungsstaatlichen Einhegung so auszubalancieren, daß schließlich ein die Franzosen einender Verfassungskonsens entstanden ist. Dieser läßt sich in den Verfassungselogen anläßlich der verschiedenen Jubiläumsjahre der Republik ebenso erkennen wie in allen Meinungsumfragen. Auch wenn die realpolitische und sozioökonomische Entwicklung nur am Rande einbezogen wird, ist dies doch ein überzeugender Befund.

KLAUS-JÜRGEN MÜLLER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ist Frankreichs Fünfte Republik ein Verfassungsstaat? Von dieser provozierenden Frage geht Wolfram Vogel in seiner Studie aus, erklärt Rezensent Klaus-Jürgen Müller. Wie Vogel erläutere, sind die französische Republiken bisher eher mit der Volksouveränität - also dem demokratischen Prinzip - legitimiert worden. Die geschriebene Verfassung, die dem Volksouverän Grenzen setzt, wurde dagegen vergleichsweise als weniger wichtig angesehen. Erst die Verfassungsväter der Fünften Republik hätten mit der Schaffung des Conseil Constitutionel - des Verfassungsrates, der Übereinstimmung von einfachen Gesetzen mit der Verfassung überprüft - versucht, ein Gegengewicht zur Exekutive zu schaffen. Nach dem historischen Rückblick hat Vogel, so der Rezensent, die Rechtsprechung des Verfassungsrates einer "eingehenden quantitativen wie qualitativen Analyse" unterzogen und dabei festgestellt, dass der Conseil sich "schrittweise" zu einem Verfassungsgericht entwickelt hat, der verbindliche Regeln für alle am politischen Prozess Beteiligten aufstellt. Alles in allem ist es der Fünften Republik nach Vogel somit durchaus gelungen, eine ausgewogene Balance zwischen Demokratie- und Verfassungsprinzip zu erreichen. Der Rezensent findet diesen Befund überzeugend. Nur ein paar mehr Fakten über die "realpolitische und sozioökonomische Entwicklung" hätte er sich gewünscht.

© Perlentaucher Medien GmbH
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