Sein Werther war der erste internationale Bestseller, bis heute gilt J. W. Goethe als der bedeutendste deutsche Dichter, sein Werk ist Weltliteratur. Monika Pelz erzählt so kenntnisreich und anregend von Goethes Leben, seinem Weltwissen und seiner Philosophie, dass es selbst für Goethe-Kenner ein Genuss ist.J. W. Goethe (1749-1832) ist der Klassiker schlechthin. Dabei war der junge Mann, der mit Anfang zwanzig den »Götz« und den »Werther« schrieb, für viele eine Provokation. Den älteren Zeitgenossen galt er als zu wild und respektlos, die Jüngeren machten ihn zum Idol ihrer Generation und der rebellischen Sturm-und-Drang-Bewegung. Der junge Goethe schlug eine Karriere als Anwalt aus, um seiner Generation eine neue Sprache zu geben, ehrlich, kraftvoll, genialisch. Auch nach Weimar ging er nicht schon als Klassiker und Minister, sondern um sich dort mit dem erst 18-jährigen Herzog Carl August auszutoben und das Hofleben unsicher zu machen. Ob er dann nach Italien reiste oder in denKrieg zog oder sich schwärmerisch in immer jüngere Frauen verliebte, es lag dahinter auch die Absicht, sich zu verjüngen, jung zu bleiben und sich immer wieder selbst neu zu erschaffen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.08.2010Die Kindheit holen wir später nach
Ein erwachsener Blick auf das Herz der Welt: Goethes Leben, am Publikum vorbeierzählt
Seit 1996 verzeichnet der Karlsruher Virtuelle Katalog die Gesamtzahl der in Deutschland bibliographisch erfassten Bücher. Wer dort das Stichwort "Goethe" eingibt, erhält ein Angebot von über 220 000 Treffern. Angesichts solcher Masse sollte jeder Autor, der ein weiteres Buch zum Thema erwägt, exzellente Gründe dafür anführen können, warum die Welt auf gerade sein Werk noch gewartet hat.
Sicherlich hat sich diese Frage auch die österreichische Jugendbuchautorin Monika Pelz gestellt, die unter dem Titel "Den Blick auf das Herz der Welt" eine neuerliche "Lebensgeschichte des Johann Wolfgang Goethe" vorgelegt hat. Pelz, die 1985 mit einer Biographie des polnischen Kinderbuchautors Janusz Korczak im Verlag Beltz & Gelberg debütierte, hat sich der Aufgabe unterzogen, Goethes Leben auf knappen 290 Seiten darzustellen. Keine Kleinigkeit, sollte man meinen, sofern es ihr dabei gelungen wäre, eine Vita herauszufiltern, die auf anschauliche und für Jugendliche nachvollziehbare Weise zeigt, was Goethes Welt denn wirklich "im Innersten zusammenhält". Und dieses Leitmotiv, das sich Pelz für diesen Versuch auswählt, scheint gerade in Anbetracht ihrer Zielgruppe zunächst vielversprechend: Goethe nach Pelz, das ist der bis an die Grenzen der eigenen Kräfte Liebende, der euphorischste, unersättlichste unter den großen Erotomanen der Weltliteratur. Mit einem nicht enden wollenden Repertoire an Herzensdramen und romantischen Episoden schreibt Pelz die Geschichte des Poeten als schwärmerische Fortsetzungsgeschichte und entwirft einen Liebesreigen, bei dem die parallel dazu entstandene Weltliteratur fast wie ein kompensatorisches Nebenprodukt erscheint: kein Werther ohne Charlotte Buff, kein Gretchen ohne Lilli Schönemann, keine Iphigenie ohne Charlotte von Stein. Undenkbar die "Römischen Elegien" ohne die erotischen Erlebnisse mit der ominösen Faustina (an deren realer Bekanntschaft mit dem Rom-Reisenden Pelz seltsamerweise festhält, trotz starker Zweifel der historischen Forschung) und der ihm später angetrauten Christiane Vulpius. Unentwegt wird das Werk als autobiographisches Selbstzeugnis in Goethes Leben integriert, was zwar interessante Bezüge offenbart, aber insgesamt doch eine eher defizitäre Perspektive erkennen lässt.
Nun könnte man einwenden, dass es um die Totale auch gar nicht geht, solange nur das Interesse des jungen Lesers am Thema und der Impuls zum Weiterlesen geweckt werden. Dafür aber brauchte es etwas, das man in Pelz' Werk leider vergeblich sucht: den klar strukturierten Aufbau eines Einsteiger-Werkes. Anstelle einer linearen Erzählfolge gibt es vielfache Sprünge, von denen der merkwürdigste gleich das erste Kapitel betrifft: Kurioserweise werden die ersten beiden Lebensjahrzehnte Goethes ausgespart und knapp 200 Seiten später kurz nachgetragen. Dadurch bleibt die Autorin auch bis zum Schluss den Nachweis schuldig, woher denn das dem Poeten unterstellte Verlangen, "seiner Generation eine neue Sprache zu geben" und "die Dichtung zu befreien aus den Fesseln fremder Vorbilder, Regeln und Konventionen", eigentlich rührt.
Zum Ausgleich fliegen die Namen und Episoden nur so am Leser vorbei, vor allem die von Goethes Liebschaften, die bald schon zu gesichtslosen, indifferenten Schattenwesen verkommen - von Kätchen Schönkopf und Friederike Brion über Maximiliane von La Roche und Minchen Herzlieb bis hin zu Ottilie von Pogwitsch und Ulrike von Levetzow. Im entfesselten Furor des Name-Droppings, dem kein erhellendes Register, nur eine kurze Zeittafel Abhilfe schafft, fühlt sich speziell der unvorbereitete Leser wohl rasch seltsam verloren: "Ein Gleim, ein Gellert, ein Wieland", fingiert Pelz einen Monolog des jungen Goethe "- allesamt Imitatoren! Über Gottsched, der die Franzosen an Pedanterie noch übertrifft, darf gelacht werden! Dagegen ein Lessing! Ein Klopstock!" Für eine Lese-Empfehlung ab vierzehn Jahren, die der Verlag für das Buch angibt, erscheint die vorausgesetzte Kenntnis all dieser Dichter reichlich absurd. Der Oberstufenschüler ist in dieser Hinsicht vielleicht etwas besser dran, doch auch ihm hätte man es einfacher machen können.
Als Dichter-Biographie ist Monika Pelz' Buch insgesamt zwar solide, und das Zeitbild, das sie entwirft, trägt anschauliche Züge. Den erhofften innovativen Zugang als Jugendbuch aber, der der Biographin eine eigene Stimme innerhalb der Goethe-Literatur verliehen hätte, vermisst man leider. "Den Blick auf das Herz der Welt" taugt nicht als Ausgangspunkt einer jugendlichen Rezeption, denn es schlüsselt die Welt des deutschen Klassikers nicht jugendgerecht auf: "Erst durch Goethe wird man begreifen, dass Jugend eine eigene Sprache hat", vermerkt die Autorin im ersten Kapitel. Leider ist es ihr nicht gelungen, die speziellen Eigenarten dieser Sprache und ihren ureigenen Zauber anschaulich darzustellen.
CHRISTIAN HEGER
Monika Pelz: "Den Blick auf das Herz der Welt". Die Lebensgeschichte des Johann Wolfgang Goethe. Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim 2009. 288 S., geb., 18,- [Euro]. Ab 16 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein erwachsener Blick auf das Herz der Welt: Goethes Leben, am Publikum vorbeierzählt
Seit 1996 verzeichnet der Karlsruher Virtuelle Katalog die Gesamtzahl der in Deutschland bibliographisch erfassten Bücher. Wer dort das Stichwort "Goethe" eingibt, erhält ein Angebot von über 220 000 Treffern. Angesichts solcher Masse sollte jeder Autor, der ein weiteres Buch zum Thema erwägt, exzellente Gründe dafür anführen können, warum die Welt auf gerade sein Werk noch gewartet hat.
Sicherlich hat sich diese Frage auch die österreichische Jugendbuchautorin Monika Pelz gestellt, die unter dem Titel "Den Blick auf das Herz der Welt" eine neuerliche "Lebensgeschichte des Johann Wolfgang Goethe" vorgelegt hat. Pelz, die 1985 mit einer Biographie des polnischen Kinderbuchautors Janusz Korczak im Verlag Beltz & Gelberg debütierte, hat sich der Aufgabe unterzogen, Goethes Leben auf knappen 290 Seiten darzustellen. Keine Kleinigkeit, sollte man meinen, sofern es ihr dabei gelungen wäre, eine Vita herauszufiltern, die auf anschauliche und für Jugendliche nachvollziehbare Weise zeigt, was Goethes Welt denn wirklich "im Innersten zusammenhält". Und dieses Leitmotiv, das sich Pelz für diesen Versuch auswählt, scheint gerade in Anbetracht ihrer Zielgruppe zunächst vielversprechend: Goethe nach Pelz, das ist der bis an die Grenzen der eigenen Kräfte Liebende, der euphorischste, unersättlichste unter den großen Erotomanen der Weltliteratur. Mit einem nicht enden wollenden Repertoire an Herzensdramen und romantischen Episoden schreibt Pelz die Geschichte des Poeten als schwärmerische Fortsetzungsgeschichte und entwirft einen Liebesreigen, bei dem die parallel dazu entstandene Weltliteratur fast wie ein kompensatorisches Nebenprodukt erscheint: kein Werther ohne Charlotte Buff, kein Gretchen ohne Lilli Schönemann, keine Iphigenie ohne Charlotte von Stein. Undenkbar die "Römischen Elegien" ohne die erotischen Erlebnisse mit der ominösen Faustina (an deren realer Bekanntschaft mit dem Rom-Reisenden Pelz seltsamerweise festhält, trotz starker Zweifel der historischen Forschung) und der ihm später angetrauten Christiane Vulpius. Unentwegt wird das Werk als autobiographisches Selbstzeugnis in Goethes Leben integriert, was zwar interessante Bezüge offenbart, aber insgesamt doch eine eher defizitäre Perspektive erkennen lässt.
Nun könnte man einwenden, dass es um die Totale auch gar nicht geht, solange nur das Interesse des jungen Lesers am Thema und der Impuls zum Weiterlesen geweckt werden. Dafür aber brauchte es etwas, das man in Pelz' Werk leider vergeblich sucht: den klar strukturierten Aufbau eines Einsteiger-Werkes. Anstelle einer linearen Erzählfolge gibt es vielfache Sprünge, von denen der merkwürdigste gleich das erste Kapitel betrifft: Kurioserweise werden die ersten beiden Lebensjahrzehnte Goethes ausgespart und knapp 200 Seiten später kurz nachgetragen. Dadurch bleibt die Autorin auch bis zum Schluss den Nachweis schuldig, woher denn das dem Poeten unterstellte Verlangen, "seiner Generation eine neue Sprache zu geben" und "die Dichtung zu befreien aus den Fesseln fremder Vorbilder, Regeln und Konventionen", eigentlich rührt.
Zum Ausgleich fliegen die Namen und Episoden nur so am Leser vorbei, vor allem die von Goethes Liebschaften, die bald schon zu gesichtslosen, indifferenten Schattenwesen verkommen - von Kätchen Schönkopf und Friederike Brion über Maximiliane von La Roche und Minchen Herzlieb bis hin zu Ottilie von Pogwitsch und Ulrike von Levetzow. Im entfesselten Furor des Name-Droppings, dem kein erhellendes Register, nur eine kurze Zeittafel Abhilfe schafft, fühlt sich speziell der unvorbereitete Leser wohl rasch seltsam verloren: "Ein Gleim, ein Gellert, ein Wieland", fingiert Pelz einen Monolog des jungen Goethe "- allesamt Imitatoren! Über Gottsched, der die Franzosen an Pedanterie noch übertrifft, darf gelacht werden! Dagegen ein Lessing! Ein Klopstock!" Für eine Lese-Empfehlung ab vierzehn Jahren, die der Verlag für das Buch angibt, erscheint die vorausgesetzte Kenntnis all dieser Dichter reichlich absurd. Der Oberstufenschüler ist in dieser Hinsicht vielleicht etwas besser dran, doch auch ihm hätte man es einfacher machen können.
Als Dichter-Biographie ist Monika Pelz' Buch insgesamt zwar solide, und das Zeitbild, das sie entwirft, trägt anschauliche Züge. Den erhofften innovativen Zugang als Jugendbuch aber, der der Biographin eine eigene Stimme innerhalb der Goethe-Literatur verliehen hätte, vermisst man leider. "Den Blick auf das Herz der Welt" taugt nicht als Ausgangspunkt einer jugendlichen Rezeption, denn es schlüsselt die Welt des deutschen Klassikers nicht jugendgerecht auf: "Erst durch Goethe wird man begreifen, dass Jugend eine eigene Sprache hat", vermerkt die Autorin im ersten Kapitel. Leider ist es ihr nicht gelungen, die speziellen Eigenarten dieser Sprache und ihren ureigenen Zauber anschaulich darzustellen.
CHRISTIAN HEGER
Monika Pelz: "Den Blick auf das Herz der Welt". Die Lebensgeschichte des Johann Wolfgang Goethe. Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim 2009. 288 S., geb., 18,- [Euro]. Ab 16 J.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Oje, ausgerechnet bei der Lektüre von Monika Pelz? Goethe-Buch für junge Leser wähnt Gustav Seibt sich im staubtrockenen Germanistischen Seminar. Das kann ja nicht gut gehen. Ebenso unsinnig findet Seibt den Umstand, dass die Autorin uns den jungen Goethe in seiner ersten Lebenskrise vorenthält. Für Seibt eigentlich der ideale Anknüpfungspunkt für Goethe-Beginner. Stattdessen muss sich Seibt über "bezwingende Metaphern" in der "Iphigenie" belehren lassen - gar nicht fesselnd.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Die Autorin Monika Pelz beschreibt mit leichter Hand die Lebensgeschichte eines Genies.« Luxemburger Wort »Doch die wirkliche Stärke dieser Biographie für Jugendliche ist die umfassende Darstellung, die sie Goethes breitem poetischen Oeuvre und seiner Rezeption zuteilwerden lässt - durch zahlreiche Originalzitate anschaulich gemacht, wird ein großer Teil von Goethes Werken fachkundig und detailliert vorgestellt.« 1000und1 Buch