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Dieses Buch stellt umfassend die Geschichte der unmenschlichen und wahnwitzigen, nach sowjetischem Muster organisierten Grenzsicherung der DDR dar. In einer Zeit, in der sich die Justiz bemüht, dieses düstere Kapitel der Geschichte aufzuarbeiten, zeigt es Verantwortlichkeiten auf und belegt anhand zahlreicher bisher unveröffentlichter Dokumente, daß es vor allem Politbüro und Zentralkomitee der SED sowie der Nationale Verteidigungsrat der DDR waren, die die Weichen für das blutige Geschehen inmitten Deutschlands stellten. Es beweist, daß die politische Führung der DDR und der Grenztruppen…mehr

Produktbeschreibung
Dieses Buch stellt umfassend die Geschichte der unmenschlichen und wahnwitzigen, nach sowjetischem Muster organisierten Grenzsicherung der DDR dar. In einer Zeit, in der sich die Justiz bemüht, dieses düstere Kapitel der Geschichte aufzuarbeiten, zeigt es Verantwortlichkeiten auf und belegt anhand zahlreicher bisher unveröffentlichter Dokumente, daß es vor allem Politbüro und Zentralkomitee der SED sowie der Nationale Verteidigungsrat der DDR waren, die die Weichen für das blutige Geschehen inmitten Deutschlands stellten. Es beweist, daß die politische Führung der DDR und der Grenztruppen gegen auch in der DDR geltendes Recht Befehle erteilten, die zum Tode zahlloser Menschen führten. Es macht aber auch die psychische Zwangssituation deutlich, in der sich viele "Grenzer" befanden und die sie häufig zu Tätern und zugleich zu Opfern werden ließen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.04.1997

Grenzverletzer sind zu vernichten
Dokumente eines menschenverachtenden Regimes

Volker Koop: "Den Gegner vernichten". Die Grenzsicherung der DDR. Bouvier Verlag, Bonn 1996. 600 Seiten, Abbildungen, 68,- Mark.

Schon wieder ein Buch über die Grenztruppen der DDR, über Minen und Mauern, Schießbefehl und Stacheldraht an jenen Grenzlinien, die Deutschland und Berlin bis 1990 geteilt haben? Jawohl, schon wieder - und das ist gut so, denn sein Autor trägt dazu bei, daß, was gewesen ist, nicht vergessen wird. Es darf nicht vergessen werden.

Volker Koop zeichnet die Geschichte der Grenzsicherung nach, mit deren Hilfe der "sozialistische Staat deutscher Nation" alle Wege nach Westen unter todbringender Kontrolle hielt. Die wichtigsten Zäsuren: 1946 Aufbau der Deutschen Grenzpolizei. Aus ihr gehen 1961 die Grenztruppen der DDR hervor. Sommer 1952: Schaffung eines Grenzsperrgebietes entlang der Demarkationslinie gegenüber Westdeutschland. 1961 mit Stichtag 13. August: Abriegelung gegenüber West-Berlin.

Entstanden ist ein Kompendium, das viel Material bietet. Es macht auch betroffen, weil der Autor in der Hauptsache Dokumente selbst sprechen läßt: Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, Befehle und Durchführungsbestimmungen zur Grenzsicherung und zum Gebrauch der Schußwaffe gegen "Grenzverletzer", ein Begriff, der übrigens auch in die offizielle Vergatterungsformel für Grenzstreifen einging: "Grenzverletzer sind festzunehmen oder zu vernichten", hieß es darin unumwunden. 1984 wurde das Wort "vernichten" aus dieser Formel gestrichen.

Mit Recht erinnert Koop in seinem Buch an die Rolle des Nationalen Verteidigungsrates, in dem auch alle wesentlichen Fragen der Grenzsicherung "beraten" wurden - am 14. Juli 1972 zum Beispiel, als Armeegeneral Heinz Hoffmann Bericht über "wirksame Maßnahmen zur Stabilisierung der Grenzsicherung der DDR" sowie "zur Verbesserung der pioniertechnischen Anlagen an der Staatsgrenze" zu erstatten hatte. Gemeint war die Errichtung von Streckmetallzäunen zur Anbringung von richtungsgebundenen Splitterminen, jener trichterförmigen Selbstschußgeräte, die die bis dahin an der Demarkationslinie zur Bundesrepublik verlegten erdgebundenen Schützenminen ersetzen sollten. "Moderne Grenze" à la Honecker. Als sie ab Herbst 1982 demontiert wurden, belief sich ihre Zahl auf rund sechzigtausend.

Wie viele Menschen an der innerdeutschen Grenze starben - die meisten, darunter selbst Kinder und Jugendliche, wurden erschossen -, weiß auch Koop nicht zu sagen. Mehrere hundert waren es gewiß. Besonders bestürzend wirkt bis heute die Lektüre der im Wortlaut - teils im Faksimile - wiedergegebenen internen Dokumente, in denen die Tötung von Flüchtlingen zu Protokoll genommen oder nach oben gemeldet wurde.

Zum Beispiel im Fall des Pioniers Uwe Preußner aus der 11. Grenzbrigade, der am 6. August 1969 bei Reparaturarbeiten am Sperrsystem in der Nähe von Hildburghausen über die Grenze flüchtete. Obwohl er bereits "gegnerisches", also bundesdeutsches "Territorium" erreicht hatte, wurde er hier durch gezieltes Feuer des "Sicherungspostens" angeschossen und schwer verletzt. "Insgesamt wurden elf Schuß aus der MPi und vier Schuß aus der Pistole abgegeben", hieß es in der betreffenden Meldung. "Oberleutnant Eckert, Offizier für Sperren, 11. Pionierkompanie, und Hauptmann Huck überschritten auf kürzestem Weg die Staatsgrenze und brachten P. auf das Territorium der DDR zurück." Hier ist er drei Stunden später seinen Verletzungen erlegen.

Die Vergangenheit der deutschen Teilung wird wieder gegenwärtig - in all ihrem Elend, aber auch mit aller Schuld, die freilich die einst Verantwortlichen nicht wahrhaben wollen. In einer von sechs ehemaligen Grenztruppen-Generälen in ihrem Strafprozeß vor dem Landgericht Berlin abgegebenen Erklärung, die Koop ebenfalls dokumentiert, beharren sie in kaltem Starrsinn darauf, "daß wir uns nicht schuldig gemacht haben".

Der Autor, Journalist, Jahrgang 1945, zeitweilig Pressesprecher bei Rupert Scholz als Senator für Bundesangelegenheiten und Bundesminister für Verteidigung, hat ein wichtiges Buch vorgelegt. Es hätte allerdings übersichtlicher strukturiert, in seiner Kommentierung präziser formuliert, im Ausweis der Quellen sorgfältiger ediert werden können. Die wissenschaftliche Forschung wird nur zögernd danach greifen. Schade. KARL WILHELM FRICKE

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