Ein Leben, das gar nicht erst hätte anfangen sollen, wird allen Widerständen zum Trotz bunt und spannend. Gerade weil Abschiede dieses Leben immer begleiten, werden ihnen Begegnungen und Geschichten entgegengesetzt. Doch das Gefühl, Teil eines Spiels zu sein, bleibt über die Jahre ein steter Begleiter. Eva Demski sammelt andere Leben, bekannte und unbekannte, Galionsfiguren der Literatur wie Reich-Ranicki, Koeppen, Kempowski, Rose Ausländer erzählen ihr von sich, sie sucht aber auch immer wieder nach Außenseitern und findet sie. Ihren eigenen Club der toten Dichter hat sie auch. Lebensbasis ist eine nach Weihrauch und Zigaretten riechende Kindheit in Regensburg, das Theater und das Jungsein mitten in politisch unruhigen Zeiten. Die werden noch unruhiger, als ihr Mann, ein RAF-Anwalt, plötzlich stirbt und die Polizei sich für sie interessiert.
Ein sehr persönliches Buch: Unsentimentale Erinnerungen aus einem Leben mit vielen schönen und bösen Überraschungen, Momentaufnahmen, die die deutsche Geschichte der vergangenen Jahrzehnte widerspiegeln.
Ein sehr persönliches Buch: Unsentimentale Erinnerungen aus einem Leben mit vielen schönen und bösen Überraschungen, Momentaufnahmen, die die deutsche Geschichte der vergangenen Jahrzehnte widerspiegeln.
»Das Leben und dessen unergründliche Schwingungen, Abzweigungen, Zumutungen, all das beschreibt Demski auf 400 packenden, anmutigen Seiten.« Thorsten Schmitz Süddeutsche Zeitung 20171002
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.09.2017Wozu Taunushütten taugen
Eva Demskis Buchpremiere im Hessischen Literaturforum
Wer wissen will, wie es sich anfühlte, den RAF-Terroristen Jan-Carl Raspe zu umarmen, der muss Eva Demskis Erinnerungen lesen, die gerade unter dem Titel "Den Koffer trag ich selber" bei Insel erschienen sind. Dabei war Demski in den frühen siebziger Jahren keineswegs mit Raspe befreundet, doch als eine Polizeistreife vorbeifuhr, umarmte die junge Frau den Bekannten der Eltern aus einem gleichsam naturhaften Reflex.
Es sind solche zahllosen kleinen Episoden, von denen Eva Demski im Gespräch mit Björn Jager, Leiter des Hessischen Literaturforums, im ausverkauften Studio des Mousonturm mitunter kopfschüttelnd erzählt. Sie selbst habe mit all den Ideologen nie etwas am Hut gehabt, betrachtete die Achtundsechziger mit kritischer Distanz und spürte nach dem frühen Tod ihres Mannes, des Strafverteidigers Reiner Demski, eine wachsende Distanz zur extremen linken Szene.
Symbol für einen solchen Wandel mag auch die Bekanntschaft mit Ignaz Bubis gewesen sein, dem sie beim Kennenlernen noch unverblümt ihre Hausbesetzer-Vergangenheit bekannte, der dann aber derjenige war, der ihr mit dem entscheidenden Rat zur Seite stand, als es darum ging, das Elternhaus im Taunus gewinnbringend zu verkaufen und als freie Schriftstellerin finanziell unabhängig zu leben. In der Rückschau zumindest schließen sich in Eva Demskis Lebenserinnerungen die Kreise, und ihre Eltern "hätte es gefreut, dass die Hütte dazu taugt".
"Der Tod war für uns Kinder ein guter Bekannter" heißt es an einer Stelle in dem aus acht Kapiteln, eines für jedes Lebensjahrzehnt der Autorin, bestehenden Buch. Früh verliert sie ihre beste Freundin, ihr Ehemann stirbt jung an einem Asthmaanfall. Doch habe es lange gedauert, ehe sie die Macht des Todes zu ganz ernst nehmen konnte, erzählt die 1944 in Regensburg geborene Demski, die noch als Kind mit den Eltern nach Frankfurt kam. Denn der Freundeskreis der Eltern bestand zu einem großen Teil aus Schauspielern, die man nach tragischem Bühnentod wieder quicklebendig bei den Eltern tafeln sah. Diese frühe Bekanntschaft mit Theater- und Filmgrößen lehrte Eva Demski aber vor allem dies: "Ich kannte die sehr gewöhnlichen Gewohnheiten der Leute, da geht das Heiligmäßige schnell weg!" In zahlreichen Porträts während ihrer Zeit als Redakteurin beim Hessischen Rundfunk ist ihr dieser Mangel an Ehrfurcht zugutegekommen.
Björn Jager, der vor lauter Begeisterung über das Buch seinen ganzen Vorrat an Superlativen verschoss, zeigte gleichwohl im sehr freundschaftlichen Gespräch mit Eva Demski die Motivketten und Strukturen des Buchs auf. Dabei geht es um Verletzlichkeit, um die Unsichtbarkeit der stillen Beobachterin, um das Sterben von Freunden und Eltern, nicht zuletzt auch um die Geschichte einer weiblichen Selbstbehauptung. "Den Koffer trag ich selber" ist eine Emanzipationsgeschichte, freilich liebevoll spöttisch dargeboten mit der für Eva Demski typischen selbstironischen Distanz.
So enthält das Buch zahlreiche Porträts, die insgesamt auch so etwas wie die Geschichte der Bundesrepublik ergeben. Manchmal sind es Seiten, manchmal genügt aber auch ein Halbsatz oder ein Wort, um treffend ein Bild des Porträtierten entstehen zu lassen. So wie bei Jan-Carl Raspe, der wenige Tage nach der letzten Begegnung 1972 in Frankfurt verhaftet wurde. Eva Demskis Wort über ihn sagt mehr als manche umfangreiche Studie: "Ein Knöchleinbündel."
MATTHIAS BISCHOFF
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eva Demskis Buchpremiere im Hessischen Literaturforum
Wer wissen will, wie es sich anfühlte, den RAF-Terroristen Jan-Carl Raspe zu umarmen, der muss Eva Demskis Erinnerungen lesen, die gerade unter dem Titel "Den Koffer trag ich selber" bei Insel erschienen sind. Dabei war Demski in den frühen siebziger Jahren keineswegs mit Raspe befreundet, doch als eine Polizeistreife vorbeifuhr, umarmte die junge Frau den Bekannten der Eltern aus einem gleichsam naturhaften Reflex.
Es sind solche zahllosen kleinen Episoden, von denen Eva Demski im Gespräch mit Björn Jager, Leiter des Hessischen Literaturforums, im ausverkauften Studio des Mousonturm mitunter kopfschüttelnd erzählt. Sie selbst habe mit all den Ideologen nie etwas am Hut gehabt, betrachtete die Achtundsechziger mit kritischer Distanz und spürte nach dem frühen Tod ihres Mannes, des Strafverteidigers Reiner Demski, eine wachsende Distanz zur extremen linken Szene.
Symbol für einen solchen Wandel mag auch die Bekanntschaft mit Ignaz Bubis gewesen sein, dem sie beim Kennenlernen noch unverblümt ihre Hausbesetzer-Vergangenheit bekannte, der dann aber derjenige war, der ihr mit dem entscheidenden Rat zur Seite stand, als es darum ging, das Elternhaus im Taunus gewinnbringend zu verkaufen und als freie Schriftstellerin finanziell unabhängig zu leben. In der Rückschau zumindest schließen sich in Eva Demskis Lebenserinnerungen die Kreise, und ihre Eltern "hätte es gefreut, dass die Hütte dazu taugt".
"Der Tod war für uns Kinder ein guter Bekannter" heißt es an einer Stelle in dem aus acht Kapiteln, eines für jedes Lebensjahrzehnt der Autorin, bestehenden Buch. Früh verliert sie ihre beste Freundin, ihr Ehemann stirbt jung an einem Asthmaanfall. Doch habe es lange gedauert, ehe sie die Macht des Todes zu ganz ernst nehmen konnte, erzählt die 1944 in Regensburg geborene Demski, die noch als Kind mit den Eltern nach Frankfurt kam. Denn der Freundeskreis der Eltern bestand zu einem großen Teil aus Schauspielern, die man nach tragischem Bühnentod wieder quicklebendig bei den Eltern tafeln sah. Diese frühe Bekanntschaft mit Theater- und Filmgrößen lehrte Eva Demski aber vor allem dies: "Ich kannte die sehr gewöhnlichen Gewohnheiten der Leute, da geht das Heiligmäßige schnell weg!" In zahlreichen Porträts während ihrer Zeit als Redakteurin beim Hessischen Rundfunk ist ihr dieser Mangel an Ehrfurcht zugutegekommen.
Björn Jager, der vor lauter Begeisterung über das Buch seinen ganzen Vorrat an Superlativen verschoss, zeigte gleichwohl im sehr freundschaftlichen Gespräch mit Eva Demski die Motivketten und Strukturen des Buchs auf. Dabei geht es um Verletzlichkeit, um die Unsichtbarkeit der stillen Beobachterin, um das Sterben von Freunden und Eltern, nicht zuletzt auch um die Geschichte einer weiblichen Selbstbehauptung. "Den Koffer trag ich selber" ist eine Emanzipationsgeschichte, freilich liebevoll spöttisch dargeboten mit der für Eva Demski typischen selbstironischen Distanz.
So enthält das Buch zahlreiche Porträts, die insgesamt auch so etwas wie die Geschichte der Bundesrepublik ergeben. Manchmal sind es Seiten, manchmal genügt aber auch ein Halbsatz oder ein Wort, um treffend ein Bild des Porträtierten entstehen zu lassen. So wie bei Jan-Carl Raspe, der wenige Tage nach der letzten Begegnung 1972 in Frankfurt verhaftet wurde. Eva Demskis Wort über ihn sagt mehr als manche umfangreiche Studie: "Ein Knöchleinbündel."
MATTHIAS BISCHOFF
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