Lou steht unter Schock: Nachts, beim Einfahren in den Pariser Almatunnel, ist eine große schwarze Limousine mit mörderischer Geschwindigkeit auf sie aufgefahren, hat ihren kleinen weißen Fiat kurz gestreift, ist dann mit voller Wucht gegen einen Tunnelpfeiler geprallt. Lou hat vor lauter Schreck nicht angehalten, hat keine Hilfe geleistet. Hat jemand ihr Nummernschild notiert? Hat sie Fahrerflucht begangen? Als sie aber am nächsten Morgen im Radio die unglaubliche Nachricht hört, daß Lady Di und ihr Begleiter Dodi Al Fayed in der Nacht bei einem Autounfall im Almatunnel getötet wurden, begreift sie das ganze Ausmaß der Tragödie: Sie war dort in diesen Unfall verstrickt, die ganze Welt wird sie für den Tod der Prinzessin von Wales verantwortlich machen. Sie muß sich verstecken, sich in Luft auflösen, wenn sie nicht für den Rest ihres Lebens von der Skandalpresse gejagt werden will. Ein Alptraum hat begonnen, der ihr Leben völlig umkrempeln wird.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Stephan Maus preist diesen Roman, der seinen Anfang im tödlichen Unfall der Lady Di im Pariser Almatunnel nimmt, über den grünen Klee. Aus einem "Schundroman", den das Leben geschrieben habe, macht Laurence Cosse einen "perfekten Spannungsroman, so der Rezensent überzeugt. Die französische Autorin legt das Hauptaugenmerk nämlich nicht etwa auf Lady Di und ihren ägyptischen Liebhaber, sondern macht die Fahrerin eines Fiat Uno, die den Unfallwagen kurz vor dem tödlichen Aufprall gestreift hatte und nie gefunden wurde, zur Hauptperson und Spiegelfigur, erklärt Maus. Er versichert, dass die Spannung, die das Buch mit der atemlosen Flucht der Lou vom Unfallort erzeugt, bis zum letzten Satz aufrecht erhalten wird, und die Leser "gebannt" die Entwicklung der Hauptfigur vom "panischen Fluchttier zur kühl planenden Under-Cover-Existenz" verfolgen werden. Maus preist die Autorin als "würdige Nachfolgerin" großer "Spannungsschriftstellerinnen", wobei er sich insbesondere von der Mixtur aus "lakonischer Thrillerhatz" und "schnoddriger" Figurenrede begeistert zeigt. Nachdrücklich lobt der Rezensent die lebendige Figurenschilderung, die bis in die Nebenfiguren "Lebensfülle" entstehen lässt und er findet die Schilderung der Wandlung der Lou von einer Frau die sich an die "Richtgeschwindigkeit hält" zur "Draufgängerin" sehr "glaubwürdig". Ein "makelloser Page-Turner" findet ein restlos begeisterter Maus.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.10.2005Das Gesicht im Panda
Laurence Cossé spinnt eine Fiktion um Prinzessin Dianas Unfalltod
Es ist nur eine kleine Leerstelle in einem Großereignis, das einen ganzen Sommer über Millionen mit Nahrung für Trauer und Sensationsgier versorgt hat. Acht Jahre nach dem Unfall vom 31. August 1997, bei dem Lady Diana ums Leben kam, nach zahllosen kriminologischen wie journalistischen Untersuchungen, ist noch immer nicht bekannt, wer sich am Steuer des Wagens befunden hat, der als fahrendes Hindernis eventuell die sehr viel schneller fahrende Limousine von Lady Diana aus der Bahn geworfen hat. Es ist nur eine übriggebliebene Frage ganz am Rande der Weltbühne, auf der die tragische Farce vom Tod der letzten Märchenprinzessin gespielt wurde. Doch für die berufsbedingte Neugier einer Schriftstellerin mag es eine unwiderstehliche Herausforderung sein, diese Leerstelle mit einer Geschichte zu füllen und dem weißen Fiat Panda eine Fahrerin zu geben. Die französische Autorin Laurence Cossé hat sich in ihrem neuesten Roman "Der 31. Tag des Monats August" dieser Aufgabe gestellt und einen Psychotrip entworfen, der die öffentliche Sensationsgier zum Auslöser eines privaten Verfolgungswahns macht.
Der von der französischen Presse und der Verlagswerbung immer wieder zitierte Vergleich mit Hitchcock stimmt allerdings nur insofern, als der Altmeister an der Ausgangssituation und den Entwicklungen, die Cossé entwirft, sicherlich seine Freude gehabt hätte. Der Beginn des Romans ist ein makelloser Einstieg in einen abgründigen Psychothriller: Eine junge Frau sitzt in ihrem Auto in ihrer Garage, doch die vertraute Welt um sie herum ist plötzlich fremd geworden. Vor nicht einmal einer Stunde hat sie ein schwarzer Mercedes beim Einfahren in den Pariser Almatunnel in rasendem Tempo seitlich gerammt, ist ins Schlingern gekommen und an einen Tunnelpfeiler geprallt. Schlimm genug, das alles mit ansehen zu müssen, doch Lou, die junge Frau, reagiert in Panik anders, als sie es hätte sollen. Sie tritt das Gaspedal bis zum Bodenblech durch und kommt erst zu Hause wieder ganz zu sich. "Es war der Tod natürlich, vor dem sie geflüchtet war Samstagnacht, der Tod mit seinem grausigen Lärm, der Tod mit seiner scharfkantigen Eisenklinge, die zerschnitt, zerfetzte."
Das ist kein schlimmes Verbrechen, eher eine durchaus nachvollziehbare Angstreaktion, eine menschliche Schwäche vor dem Anblick mörderischer Gewalt, doch ergibt sich aus ihrer Fahrerflucht für Lou ein untilgbares Gefühl der Schuld. Als sie am nächsten Morgen aus dem Radio erfährt, daß es sich bei einem der Unfallopfer um Lady Diana handelt, gesellt sich zur Schuld noch die Angst. Ohne wirklich etwas dafür zu können, war Lou am Tod eines der bekanntesten und beliebtesten Menschen der Welt beteiligt, und sie weiß, daß ihre Rolle dabei nicht nur falsch verstanden werden wird, sondern auch, daß sie sie selbst nicht ganz erklären kann.
Über Nacht ist sie zur Gejagten geworden, auch ohne daß bis zu diesem Zeitpunkt irgend jemand überhaupt etwas von ihr weiß. Es beginnt eine imaginäre Jagd, bei der der Jäger vom Gejagten stets erst dazugedacht werden muß. Hier gerät nun der Vergleich mit Hitchcock der Autorin eher zum Nachteil. Denn in seinen Händen wäre wohl die Angst der Protagonistin intensiv spürbar geworden, der gehetzte Blick über die Schulter nach einem Verfolger, der weniger beängstigend wäre, wenn man ihn endlich sehen könnte. Im Roman wird all dies zwar in regelmäßigen Abständen beschworen, bleibt aber über längere Strecken eher eine Behauptung.
Lou beschließt, sich von ihrem bisherigen Leben zu verabschieden. Die Trennung von ihrem Freund ist da noch relativ einfach, denn spätestens seit dem Ereignis, von dem sie ihm nichts erzählt, liegt seine Unbekümmertheit wie eine unsichtbare Mauer zwischen den beiden. Schwerer wird es schon, den Fiat loszuwerden. Zuerst läßt sie ihn nur reparieren, doch bald wird ihr klar: Er muß verschwinden, genauso wie sie. Sich auflösen, unsichtbar werden, das möchte Lou, sie kappt alle Verbindungen zu ihrer Welt und beginnt daraufhin, haltlos zu treiben.
Je mehr sich die Ereignisse weiterentwickeln, je extremer die Protagonistin in ihrem Wunsch reagiert, sich zu schützen, um so weniger verständlich wird ihre eigentliche Angst. Schließlich ist sie im wesentlichen nur auf der Flucht vor der Aufmerksamkeit der Regenbogenpresse, sie wird nicht wegen Mordes gesucht und hat auch keinen Killer auf ihren Fersen. Mehr als einmal möchte man ihr zurufen, sich doch einmal etwas zu beruhigen oder sich gar zusammenzureißen. Wir sehen die Maus laufen, aber wir finden letztlich die Katze nicht gefährlich genug. Statt dessen bekommen wir jeden einzelnen Haken der Flucht mit größter Gewissenhaftigkeit geschildert.
Immerhin erkennt Cossé die Stellen, an denen ihre Geschichte auf Grund zu laufen droht, und fügt stets gerade rechtzeitig überraschende Wendungen ein. Damit sichert sie sich immer wieder die Aufmerksamkeit ihrer Leser, die nie so recht wissen können, was für eine Art von Geschichte sie eigentlich lesen, bis hin zum originellen Schluß. Vielleicht sind sie einige Male kurz davor, mit dem Roman und seiner Protagonistin die Geduld zu verlieren, am Ende aber warten sie doch gespannt darauf, wie die ganze Sache ausgeht.
SEBASTIAN DOMSCH
Laurence Cossé: "Der 31. Tag des Monats August". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Michael Kleeberg. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2005. 251 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Laurence Cossé spinnt eine Fiktion um Prinzessin Dianas Unfalltod
Es ist nur eine kleine Leerstelle in einem Großereignis, das einen ganzen Sommer über Millionen mit Nahrung für Trauer und Sensationsgier versorgt hat. Acht Jahre nach dem Unfall vom 31. August 1997, bei dem Lady Diana ums Leben kam, nach zahllosen kriminologischen wie journalistischen Untersuchungen, ist noch immer nicht bekannt, wer sich am Steuer des Wagens befunden hat, der als fahrendes Hindernis eventuell die sehr viel schneller fahrende Limousine von Lady Diana aus der Bahn geworfen hat. Es ist nur eine übriggebliebene Frage ganz am Rande der Weltbühne, auf der die tragische Farce vom Tod der letzten Märchenprinzessin gespielt wurde. Doch für die berufsbedingte Neugier einer Schriftstellerin mag es eine unwiderstehliche Herausforderung sein, diese Leerstelle mit einer Geschichte zu füllen und dem weißen Fiat Panda eine Fahrerin zu geben. Die französische Autorin Laurence Cossé hat sich in ihrem neuesten Roman "Der 31. Tag des Monats August" dieser Aufgabe gestellt und einen Psychotrip entworfen, der die öffentliche Sensationsgier zum Auslöser eines privaten Verfolgungswahns macht.
Der von der französischen Presse und der Verlagswerbung immer wieder zitierte Vergleich mit Hitchcock stimmt allerdings nur insofern, als der Altmeister an der Ausgangssituation und den Entwicklungen, die Cossé entwirft, sicherlich seine Freude gehabt hätte. Der Beginn des Romans ist ein makelloser Einstieg in einen abgründigen Psychothriller: Eine junge Frau sitzt in ihrem Auto in ihrer Garage, doch die vertraute Welt um sie herum ist plötzlich fremd geworden. Vor nicht einmal einer Stunde hat sie ein schwarzer Mercedes beim Einfahren in den Pariser Almatunnel in rasendem Tempo seitlich gerammt, ist ins Schlingern gekommen und an einen Tunnelpfeiler geprallt. Schlimm genug, das alles mit ansehen zu müssen, doch Lou, die junge Frau, reagiert in Panik anders, als sie es hätte sollen. Sie tritt das Gaspedal bis zum Bodenblech durch und kommt erst zu Hause wieder ganz zu sich. "Es war der Tod natürlich, vor dem sie geflüchtet war Samstagnacht, der Tod mit seinem grausigen Lärm, der Tod mit seiner scharfkantigen Eisenklinge, die zerschnitt, zerfetzte."
Das ist kein schlimmes Verbrechen, eher eine durchaus nachvollziehbare Angstreaktion, eine menschliche Schwäche vor dem Anblick mörderischer Gewalt, doch ergibt sich aus ihrer Fahrerflucht für Lou ein untilgbares Gefühl der Schuld. Als sie am nächsten Morgen aus dem Radio erfährt, daß es sich bei einem der Unfallopfer um Lady Diana handelt, gesellt sich zur Schuld noch die Angst. Ohne wirklich etwas dafür zu können, war Lou am Tod eines der bekanntesten und beliebtesten Menschen der Welt beteiligt, und sie weiß, daß ihre Rolle dabei nicht nur falsch verstanden werden wird, sondern auch, daß sie sie selbst nicht ganz erklären kann.
Über Nacht ist sie zur Gejagten geworden, auch ohne daß bis zu diesem Zeitpunkt irgend jemand überhaupt etwas von ihr weiß. Es beginnt eine imaginäre Jagd, bei der der Jäger vom Gejagten stets erst dazugedacht werden muß. Hier gerät nun der Vergleich mit Hitchcock der Autorin eher zum Nachteil. Denn in seinen Händen wäre wohl die Angst der Protagonistin intensiv spürbar geworden, der gehetzte Blick über die Schulter nach einem Verfolger, der weniger beängstigend wäre, wenn man ihn endlich sehen könnte. Im Roman wird all dies zwar in regelmäßigen Abständen beschworen, bleibt aber über längere Strecken eher eine Behauptung.
Lou beschließt, sich von ihrem bisherigen Leben zu verabschieden. Die Trennung von ihrem Freund ist da noch relativ einfach, denn spätestens seit dem Ereignis, von dem sie ihm nichts erzählt, liegt seine Unbekümmertheit wie eine unsichtbare Mauer zwischen den beiden. Schwerer wird es schon, den Fiat loszuwerden. Zuerst läßt sie ihn nur reparieren, doch bald wird ihr klar: Er muß verschwinden, genauso wie sie. Sich auflösen, unsichtbar werden, das möchte Lou, sie kappt alle Verbindungen zu ihrer Welt und beginnt daraufhin, haltlos zu treiben.
Je mehr sich die Ereignisse weiterentwickeln, je extremer die Protagonistin in ihrem Wunsch reagiert, sich zu schützen, um so weniger verständlich wird ihre eigentliche Angst. Schließlich ist sie im wesentlichen nur auf der Flucht vor der Aufmerksamkeit der Regenbogenpresse, sie wird nicht wegen Mordes gesucht und hat auch keinen Killer auf ihren Fersen. Mehr als einmal möchte man ihr zurufen, sich doch einmal etwas zu beruhigen oder sich gar zusammenzureißen. Wir sehen die Maus laufen, aber wir finden letztlich die Katze nicht gefährlich genug. Statt dessen bekommen wir jeden einzelnen Haken der Flucht mit größter Gewissenhaftigkeit geschildert.
Immerhin erkennt Cossé die Stellen, an denen ihre Geschichte auf Grund zu laufen droht, und fügt stets gerade rechtzeitig überraschende Wendungen ein. Damit sichert sie sich immer wieder die Aufmerksamkeit ihrer Leser, die nie so recht wissen können, was für eine Art von Geschichte sie eigentlich lesen, bis hin zum originellen Schluß. Vielleicht sind sie einige Male kurz davor, mit dem Roman und seiner Protagonistin die Geduld zu verlieren, am Ende aber warten sie doch gespannt darauf, wie die ganze Sache ausgeht.
SEBASTIAN DOMSCH
Laurence Cossé: "Der 31. Tag des Monats August". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Michael Kleeberg. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2005. 251 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Wer ist die eigentliche Berühmtheit? Ein Fiat Uno. Er schafft den Umstand, er wird zum Schicksal." Figaro Magazine
"Ein erzählerischer Genuß, den man einfach nicht verpassen darf." (Le Point)
"Und da ist wieder Laurence Cosses Talent zur Satire. Sie entwickelt ein meisterhaftes erzählerisches Gespür und verwandelt eine gute Idee ganz im Stile von Hitchcock in die Treibjagd auf eine Frau." (Elle)
"Mehr als nur ein Roman. Spannend, bewegend." (Marie Claire)
"Ein erzählerischer Genuß, den man einfach nicht verpassen darf." (Le Point)
"Und da ist wieder Laurence Cosses Talent zur Satire. Sie entwickelt ein meisterhaftes erzählerisches Gespür und verwandelt eine gute Idee ganz im Stile von Hitchcock in die Treibjagd auf eine Frau." (Elle)
"Mehr als nur ein Roman. Spannend, bewegend." (Marie Claire)