Produktdetails
- Verlag: Aisthesis
- Seitenzahl: 325
- Abmessung: 220mm
- Gewicht: 814g
- ISBN-13: 9783895281556
- Artikelnr.: 32506620
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.12.1998Ich sehe was, was du schon sahst
Die philosophische Ästhetik von Hans Heinz Holz
Bevor Hans Heinz Holz zunächst in Marburg und später im niederländischen Groningen seine Philosophieprofessuren antrat, war er von 1960 bis 1970 als Kunstkritiker in Zürich tätig. Die kritische Auseinandersetzung mit der Gegenwartskunst gab er auch später niemals auf. "Mindestens tausend kritische Beiträge in Rundfunkprogrammen, Zeitungen und Zeitschriften" entstanden in einem Zeitraum von etwa zwanzig Jahren, wie das Vorwort zum ersten seiner drei unabhängig voneinander lesbare Bände umfassenden "Philosophischen Theorie der bildenden Künste" notiert. Der Leser darf hoffen, in dieser Edition mehr zu finden als jene kunstblinden Deduktionen des Status der Künste, die man aus philosophischer Feder zu oft zu lesen bekommt.
Im ersten Band wird diese Hoffnung jedoch nur zum Teil erfüllt. Zwar kann man die Eigenart des Ästhetischen nach Holz nicht aus reiner Vernunft herleiten. Vielmehr müsse sie "an der materialen Beschaffenheit des ästhetischen Gegenstands abgelesen werden". Doch was er als Theorie des Ästhetischen dann präsentiert, sind weitgehend Ableitungen klassischer, vor allem von Leibniz, Kant und Hegel entlehnter Gedankenmotive, hin und wieder mit Plessnerscher und Gehlenscher Anthropologie ein wenig unterfüttert. Aus solchen Motiven entwickelt Holz die Grundzüge einer "Ontologie der Kunst", womit er "die Herausarbeitung struktureller und genetischer Determinanten" meint, "die das Wesen des Kunstwerks zugleich in seiner Historizität und seiner gegenständlichen Besonderheit auszeichnen".
Dieser Ontologie zufolge ist das Kunstwerk wesentlich ein "Anschauungsgegenstand", den wir, anders als jedes andere Ding, nicht um seines Gebrauchszwecks, sondern um der Eigenbedeutsamkeit seiner Anschauung willen betrachten. Solche Eigenbedeutsamkeit läßt seine Form erkennen, in der sich die Arbeit, die Erfahrung und das Denken des Künstlers manifestieren. Das Kunstwerk ist dabei freilich stets auch ein "Darstellungsgegenstand", denn es bringt mittels seiner sichtbaren Form einen Inhalt zum Ausdruck, was Holz insbesondere in einer allgemeinen Theorie vom Zeichencharakter des ästhetischen Gegenstands herauszuarbeiten sucht.
Die sinnliche Formgestalt des Werks verkörpert gleichsam ein "anschauliches Denken". Kaum anders nämlich als ein Begriff des Denkens Merkmale der durch ihn bezeichneten Sache hebt es auf sinnlich-anschauliche Weise "aus der Mannigfaltigkeit der kontingenten Elemente der Wirklichkeit wesentliche, mithin notwendige Charakterzüge" heraus, um etwas Allgemeines sehen zu lassen. Künstlerische Reflexion objektiviert sich im Werk, worauf nicht nur die Interpretationsfähigkeit, sondern auch die Interpretationsbedürftigkeit des Kunstwerks beruht. "Gegenstände, die als ästhetische aufgefaßt werden", sind darum nach Holz "in einem Anschauungs-, Darstellungs- und Reflexionsgegenstände".
Um den Reflexions- und Bedeutungsgehalt eines einzelnen Kunstwerks zu erschließen, muß man dessen visuelle Syntax und Semantik in einer Interpretation rekonstruieren. Die Prinzipien solcher Hermeneutik sind das Thema des zweiten Bandes, der im Kontext gegenwärtiger Kunstphilosophie und Kunstwissenschaft wohl das meiste Interesse beanspruchen darf. Holz macht hier geltend, daß man Kunstwerke tatsächlich auf eine sprachanaloge Weise auffassen könne. Er sieht sie von nachweisbaren kategorialen Strukturen aller bildlichen Darstellung bestimmt, die allen Stilwandlungen zum Trotz "als allgemeinste Formen von Bildhaftigkeit konstant" blieben. Als Archetypen möglicher Bildformen oder, wie Holz sagt, "ästhetische Universalien" formieren sie die in Kunstwerken möglichen Auffassungen des Raumes, der Fläche, der Bewegung und des Lichts, wozu der Band scharfsichtige und kenntnisreiche Analysen vorlegt.
Für Holz, den "Schüler des historischen Materialismus", sind solche Strukturen bildlicher Darstellung nicht nur Formen subjektiver Auffassung im Sehen des Künstlers, und sie werden nach ihm auch nicht durch die Formerfindungen der Kunst hervorgebracht. Vielmehr seien sie "in der materiellen Verfassung der Dingwelt begründet", weshalb in den Strukturen der Kunst Strukturen der Welt aufschienen, ja widergespiegelt würden.
Gegen diese ontologische Wendung werden viele Kunsttheoretiker der Gegenwart zweifellos Einwände erheben. Was hat es für einen Sinn, von Strukturen der sichtbaren Welt als solcher zu reden, wenn uns Wirklichkeit, wie Holz ja selbst betont, stets nur in interpretierenden Bezugnahmen durch sprachliche oder bildliche Zeichen gegeben sein kann? Denn "Abbildung von Wirklichkeit ist Erzeugung eines Zeichens für dieses Wirkliche". So wird man vielleicht eher sagen wollen, daß Formen der visuellen Auffassung der Welt durch die Zeichensysteme innovativer Kunst hervorgebracht und mit ihnen tradiert werden.
Der Grundgedanke einer rekonstruierbaren Bildsyntax bleibt dennoch fruchtbar. Denn er bewährt sich nicht nur an klassisch-mimetischer Kunst, sondern auch an ihren ungegenständlichen Spielarten dieses Jahrhunderts, in denen nicht unmittelbar Gegenstände der Welt, sondern Strukturen des Sichtbaren rein als solche gezeigt werden. Hier ist die Kunst gleichsam "von ontischen zu ontologischen Aussagen übergegangen", indem sie in Bildern die Logik des Sichtbaren selbst erforscht.
Der Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg gelingt dies in der Sicht von Holz in vielen ihrer Strömungen freilich nur noch unzureichend. Denn die Verhältnisse, unter denen sie entstehen müsse, seien nicht eben dazu angetan. Dies jedenfalls ist der Tenor des dritten Bandes. Darin singt Holz die alten neomarxistischen Klagelieder über die vermeintliche "epochengeschichtliche Wahrheit, daß die Denaturierung des Kunstwerks zur Ware im Kapitalismus die Kunst als Kunst zerstört".
Überhaupt ist Holz' Theorie weitgehend auf dem argumentativen Niveau der späten sechziger, frühen siebziger Jahre verblieben, und zwar sowohl, was den kunsttheoretischen Diskussionsstand, als auch, was die behandelten Künstler betrifft. Fast könnte der Leser den Eindruck gewinnen, Bloch und Lukács seien die gegenwärtig führenden Kunsttheoretiker, Informel und Pop- art zwei der wichtigsten Tendenzen der Gegenwartskunst. Aus manchen Texten des dritten Bandes ist gleichwohl Erhellendes zu entnehmen, zum Beispiel über die "Avantgarde und ihre Widersprüche" oder über "Tradition und Traditionsbruch" als Entwicklungsprinzipien der Kunst. Auch manche Einzelanalyse eines Künstlers ist lehrreich. STEFAN MAJETSCHAK
Hans Heinz Holz: "Philosophische Theorie der bildenden Künste". Band I: "Der ästhetische Gegenstand. Die Präsenz des Wirklichen". Band II: "Strukturen der Darstellung. Über Konstanten der ästhetischen Konfigurationen". Band III: "Der Zerfall der Bedeutungen. Zur Funktion des ästhetischen Gegenstands im Spätkapitalismus". Aisthesis Verlag, Bielefeld 1996/97. 326, 278 u. 318 S., Abb., geb., 98,- DM je Band.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die philosophische Ästhetik von Hans Heinz Holz
Bevor Hans Heinz Holz zunächst in Marburg und später im niederländischen Groningen seine Philosophieprofessuren antrat, war er von 1960 bis 1970 als Kunstkritiker in Zürich tätig. Die kritische Auseinandersetzung mit der Gegenwartskunst gab er auch später niemals auf. "Mindestens tausend kritische Beiträge in Rundfunkprogrammen, Zeitungen und Zeitschriften" entstanden in einem Zeitraum von etwa zwanzig Jahren, wie das Vorwort zum ersten seiner drei unabhängig voneinander lesbare Bände umfassenden "Philosophischen Theorie der bildenden Künste" notiert. Der Leser darf hoffen, in dieser Edition mehr zu finden als jene kunstblinden Deduktionen des Status der Künste, die man aus philosophischer Feder zu oft zu lesen bekommt.
Im ersten Band wird diese Hoffnung jedoch nur zum Teil erfüllt. Zwar kann man die Eigenart des Ästhetischen nach Holz nicht aus reiner Vernunft herleiten. Vielmehr müsse sie "an der materialen Beschaffenheit des ästhetischen Gegenstands abgelesen werden". Doch was er als Theorie des Ästhetischen dann präsentiert, sind weitgehend Ableitungen klassischer, vor allem von Leibniz, Kant und Hegel entlehnter Gedankenmotive, hin und wieder mit Plessnerscher und Gehlenscher Anthropologie ein wenig unterfüttert. Aus solchen Motiven entwickelt Holz die Grundzüge einer "Ontologie der Kunst", womit er "die Herausarbeitung struktureller und genetischer Determinanten" meint, "die das Wesen des Kunstwerks zugleich in seiner Historizität und seiner gegenständlichen Besonderheit auszeichnen".
Dieser Ontologie zufolge ist das Kunstwerk wesentlich ein "Anschauungsgegenstand", den wir, anders als jedes andere Ding, nicht um seines Gebrauchszwecks, sondern um der Eigenbedeutsamkeit seiner Anschauung willen betrachten. Solche Eigenbedeutsamkeit läßt seine Form erkennen, in der sich die Arbeit, die Erfahrung und das Denken des Künstlers manifestieren. Das Kunstwerk ist dabei freilich stets auch ein "Darstellungsgegenstand", denn es bringt mittels seiner sichtbaren Form einen Inhalt zum Ausdruck, was Holz insbesondere in einer allgemeinen Theorie vom Zeichencharakter des ästhetischen Gegenstands herauszuarbeiten sucht.
Die sinnliche Formgestalt des Werks verkörpert gleichsam ein "anschauliches Denken". Kaum anders nämlich als ein Begriff des Denkens Merkmale der durch ihn bezeichneten Sache hebt es auf sinnlich-anschauliche Weise "aus der Mannigfaltigkeit der kontingenten Elemente der Wirklichkeit wesentliche, mithin notwendige Charakterzüge" heraus, um etwas Allgemeines sehen zu lassen. Künstlerische Reflexion objektiviert sich im Werk, worauf nicht nur die Interpretationsfähigkeit, sondern auch die Interpretationsbedürftigkeit des Kunstwerks beruht. "Gegenstände, die als ästhetische aufgefaßt werden", sind darum nach Holz "in einem Anschauungs-, Darstellungs- und Reflexionsgegenstände".
Um den Reflexions- und Bedeutungsgehalt eines einzelnen Kunstwerks zu erschließen, muß man dessen visuelle Syntax und Semantik in einer Interpretation rekonstruieren. Die Prinzipien solcher Hermeneutik sind das Thema des zweiten Bandes, der im Kontext gegenwärtiger Kunstphilosophie und Kunstwissenschaft wohl das meiste Interesse beanspruchen darf. Holz macht hier geltend, daß man Kunstwerke tatsächlich auf eine sprachanaloge Weise auffassen könne. Er sieht sie von nachweisbaren kategorialen Strukturen aller bildlichen Darstellung bestimmt, die allen Stilwandlungen zum Trotz "als allgemeinste Formen von Bildhaftigkeit konstant" blieben. Als Archetypen möglicher Bildformen oder, wie Holz sagt, "ästhetische Universalien" formieren sie die in Kunstwerken möglichen Auffassungen des Raumes, der Fläche, der Bewegung und des Lichts, wozu der Band scharfsichtige und kenntnisreiche Analysen vorlegt.
Für Holz, den "Schüler des historischen Materialismus", sind solche Strukturen bildlicher Darstellung nicht nur Formen subjektiver Auffassung im Sehen des Künstlers, und sie werden nach ihm auch nicht durch die Formerfindungen der Kunst hervorgebracht. Vielmehr seien sie "in der materiellen Verfassung der Dingwelt begründet", weshalb in den Strukturen der Kunst Strukturen der Welt aufschienen, ja widergespiegelt würden.
Gegen diese ontologische Wendung werden viele Kunsttheoretiker der Gegenwart zweifellos Einwände erheben. Was hat es für einen Sinn, von Strukturen der sichtbaren Welt als solcher zu reden, wenn uns Wirklichkeit, wie Holz ja selbst betont, stets nur in interpretierenden Bezugnahmen durch sprachliche oder bildliche Zeichen gegeben sein kann? Denn "Abbildung von Wirklichkeit ist Erzeugung eines Zeichens für dieses Wirkliche". So wird man vielleicht eher sagen wollen, daß Formen der visuellen Auffassung der Welt durch die Zeichensysteme innovativer Kunst hervorgebracht und mit ihnen tradiert werden.
Der Grundgedanke einer rekonstruierbaren Bildsyntax bleibt dennoch fruchtbar. Denn er bewährt sich nicht nur an klassisch-mimetischer Kunst, sondern auch an ihren ungegenständlichen Spielarten dieses Jahrhunderts, in denen nicht unmittelbar Gegenstände der Welt, sondern Strukturen des Sichtbaren rein als solche gezeigt werden. Hier ist die Kunst gleichsam "von ontischen zu ontologischen Aussagen übergegangen", indem sie in Bildern die Logik des Sichtbaren selbst erforscht.
Der Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg gelingt dies in der Sicht von Holz in vielen ihrer Strömungen freilich nur noch unzureichend. Denn die Verhältnisse, unter denen sie entstehen müsse, seien nicht eben dazu angetan. Dies jedenfalls ist der Tenor des dritten Bandes. Darin singt Holz die alten neomarxistischen Klagelieder über die vermeintliche "epochengeschichtliche Wahrheit, daß die Denaturierung des Kunstwerks zur Ware im Kapitalismus die Kunst als Kunst zerstört".
Überhaupt ist Holz' Theorie weitgehend auf dem argumentativen Niveau der späten sechziger, frühen siebziger Jahre verblieben, und zwar sowohl, was den kunsttheoretischen Diskussionsstand, als auch, was die behandelten Künstler betrifft. Fast könnte der Leser den Eindruck gewinnen, Bloch und Lukács seien die gegenwärtig führenden Kunsttheoretiker, Informel und Pop- art zwei der wichtigsten Tendenzen der Gegenwartskunst. Aus manchen Texten des dritten Bandes ist gleichwohl Erhellendes zu entnehmen, zum Beispiel über die "Avantgarde und ihre Widersprüche" oder über "Tradition und Traditionsbruch" als Entwicklungsprinzipien der Kunst. Auch manche Einzelanalyse eines Künstlers ist lehrreich. STEFAN MAJETSCHAK
Hans Heinz Holz: "Philosophische Theorie der bildenden Künste". Band I: "Der ästhetische Gegenstand. Die Präsenz des Wirklichen". Band II: "Strukturen der Darstellung. Über Konstanten der ästhetischen Konfigurationen". Band III: "Der Zerfall der Bedeutungen. Zur Funktion des ästhetischen Gegenstands im Spätkapitalismus". Aisthesis Verlag, Bielefeld 1996/97. 326, 278 u. 318 S., Abb., geb., 98,- DM je Band.
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