Die deutsche Bildungspolitik ist auf dem Holzweg: Die berufliche Bildung wird vernachlässigt. Im Gegenzug wird die akademische Bildung immer beliebiger und flacher. Anerkennung und Respekt vor dem dualen Ausbildungssystem, um das Deutschland in der ganzen Welt beneidet wird, schwinden immer mehr. Mit klaren Worten und eindeutigen Fakten zeigt Julian Nida-Rümelin auf, wie gefährlich der aktuelle Akademisierungstrend ist, der am Ende sowohl die berufliche als auch die akademische Bildung beschädigen wird. Dabei sind beide Ausbildungen zwar unterschiedliche, aber gleichwertige Wege zu einem gemeinsamen Ziel: jede Person nach ihren Begabungen und Interessen zu bilden.Noch ist es nicht zu spät. Nida-Rümelin zeigt Perspektiven für eine Korrektur des bereits eingeschlagenen Weges auf. Denn es gibt erstaunlich effektive Stellschrauben, über die jedoch nicht allein der Staat verfügt, sondern auch die Wirtschaft, die Gewerkschaften und vor allem diejenigen, die die Bildung durch eigene Berufspraxis und Lebensentscheidungen tragen: die Lehrenden und Lernenden.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Hans-Albrecht Koch entdeckt einen Trend zu Büchern, die einen Trend in der Bildungspolitik problematisieren, nämlich den, dass zunehmend praxisdominierte Ausbildungsberufe ins Korsett eines theoretisch geprägten Studiums gezwängt werden. Zu den schärfsten Kritikern dieser Tendenz zählt er den Münchner Philosophen Julian-Nida-Rümelin, der in seiner Analyse dieses "Akademisierungswahns" für Koch nachvollziehbar schildert, dass unter der Verschiebung sowohl die Ausbildungsberufe, als auch die klassischen Studienfächer leiden - der Autor sieht durch den vor 15 Jahren begonnenen Bologna-Prozess gar die "Substanz der europäischen Universität" gefährdet. Dass Nida-Rümelin auch mit Entscheidungen und Entwicklungen hart ins Gericht geht, die er als Staatsminister für kulturelle Angelegenheiten im Kabinett Gerhard Schröders selbst mitgetroffen und -angeschoben hat, macht das Buch für den Rezensenten umso überzeugender.
© Perlentaucher Medien GmbH
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