Gegenstand der vorliegenden Studie ist der sog. Allegorische Reichsadler, ein Einblattholzschnitt von beträchtlicher Größe. Der Humanist Conrad Celtis (1459-1508) entwarf das ikonographische Programm, der Augsburger Künstler Hans Burgkmair (1473-1531) sorgte für die überzeugende Darstellung. Kaiser Maximilian hatte im Oktober 1501 auf Wunsch und Drängen des Celtis an der Wiener Universität ein Dichter- und Mathematikerkolleg gegründet. Celtis, der Vorstand dieser innovativen Institution, brachte den Allegorischen Reichsadler wohl als Präsent in Umlauf, um für sein Kolleg zu werben. Für den heutigen Betrachter ist dieser Einblattholzschnitt ein «Rätselbild», die kleinteilige allegorische Darstellung gibt ihre Intentionen nicht ohne weiteres zu erkennen. Erst der Rückgriff auf geeignete zeitgenössische Dokumente verschafft uns Aufschluß über Sinn und Bedeutung des Bildganzen wie seiner Details. Dabei zeigt sich, daß wir ein «Denkbild» mit programmatischem Anspruch vor Augen haben, das weit über die Tagesaktualität hinaus poetologische Grundpositionen in bildhaft-enigmatischer Kürze vor Augen stellt.