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2 Kundenbewertungen

Bademeister ist Sixten Braun erst auf dem zweiten Bildungsweg geworden. Dazu brauchte es zwei beinahe tödliche Unfälle, eine große Liebe und eine lieblose Ehe. Aber all das musste wohl sein, damit er werden konnte, was er werden sollte - nämlich der Vater eines ganz und gar fremden Kindes ...

Produktbeschreibung
Bademeister ist Sixten Braun erst auf dem zweiten Bildungsweg geworden. Dazu brauchte es zwei beinahe tödliche Unfälle, eine große Liebe und eine lieblose Ehe. Aber all das musste wohl sein, damit er werden konnte, was er werden sollte - nämlich der Vater eines ganz und gar fremden Kindes ...
Autorenporträt
Heinrich Steinfest wurde 1961 geboren. Albury, Wien, Stuttgart - das sind die Lebensstationen des erklärten Nesthockers und preisgekrönten Autors, welcher den einarmigen Detektiv Cheng erfand. Er wurde mehrfach mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, erhielt 2009 den Stuttgarter Krimipreis und den Heimito-von-Doderer-Literaturpreis. Bereits zweimal wurde Heinrich Steinfest für den Deutschen Buchpreis nominiert: 2006 mit »Ein dickes Fell«; 2014 stand er mit »Der Allesforscher« auf der Shortlist. 2016 erhielt er den Bayerischen Buchpreis für »Das Leben und Sterben der Flugzeuge«, 2018 wurde »Die Büglerin« für den Österreichischen Buchpreis nominiert.
Rezensionen
»Neben aller schelmenhaften Komik erweist sich Heinrich Steinfest als sehr scharfsinnig in seiner Art die Welt zu erzählen - denn das tut er, auf eine an Murakami erinnernde Weise. Ein herausragendes Buch, in dem man sich so wohl fühlt, dass man sich fast wünscht, es möge niemals enden.« L'Indépendant (FR) 20150511

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.04.2014

Wale platzen in der Stadt
Selja Ahava und Heinrich Steinfest feiern das Leben

Die Wahrscheinlichkeit, in der Stadt einem Wal zu begegnen, ist fern norwegischer Kühltheken nicht sonderlich groß. Strenggenommen ist sie sogar kleiner als die Wahrscheinlichkeit, in wenigen Wochen auf zwei Bücher zu stoßen, in deren Schlüsselszenen ein Wal in die Stadt kommt. Beide erinnern zudem in arbeitsseligen Zeiten an das Glück, sich mit Kindern umgeben zu dürfen. Im Zentrum von Selja Ahavas originellem, aber etwas arg mädchenhaft-poetisch erzähltem Roman steht die verwirrte Anna. Sie lebt in einem Heim "voller alter Frauen", "aus deren Geschichten keiner schlau" wird, und begegnet ihrem Schöpfer, einem Gott auf Strümpfen und mit Kippen im Umhang.

Anna geht mehr durch den Kopf, als sie in den Listen ihres Notizbuchs zu sortieren vermag: die Vierzigjährige, die tot im Schnee lag, doch wie eine in Embyrohaltung Schlafende schien; die Insel mit der Erle, die nach Jahrzehnten plötzlich einzuknicken beschloss; das Leben mit dem Dokumentarfilmer Antti, der sich (wie Eva Hornung in "Dog Boy") für einen russischen Hundejungen interessierte und früh starb. "So viele Menschen, die gar keine Kinder wollen und doch welche bekommen", sagte sie einmal zu ihm, "wieso kriegen wir nicht wenigstens eines?" Anttis Antwort: "Tja." Und da saß Anna dann, "auf einer Veranda im August, die neununddreißigjährige Anna, jeden Abend einen Tag älter".

Das ist der entscheidende Part einer Erzählung, die so fragmentiert daherkommt wie Annas Gedächtnis und immer trauriger wird, ohne dabei schwermütig zu werden. Je weiter die 45 kleinen, mit spitzem Bleistift gezeichneten Kapitel fortschreiten, umso erschrockener merken wir: Annas Gehirn zerfraß der Gedanke an die Kinder, die sie niemals bekam. Die sechs Knirpse, die im Schrank leben und mit Anna durch London ziehen, gibt es allein in ihrem Kopf. Selja Ahavas Roman ist damit nicht nur Protokoll einer fortschreitenden Demenz, bei der die Leere wie zum Trost von phantastischen Einfällen geflutet wird, nicht bloß Liebesgeschichte: "Am schwersten war die Art, wie Antti in Anna starb." Er lässt sich als alarmgelbes Post-it für die Debatte um die modernen Lebensentwürfe verstehen. Erklärt sich doch Anna zur Seelenverwandten des Wals, der aus unerklärlichen Gründen vom natürlichen Weg abkam und in die Themse geriet, ohne dass ihm wieder jemand zurück ins Meer helfen könnte.

Den Wal in London gab es dabei wirklich. Das gilt auch für den Speckriesen, der im Januar 2004 an der Küste Taiwans verendete, auf einen Laster geladen wurde und unappetitlich in der Stadt explodierte. Dem Jungmanager Sixten Braun, dem das Walgedärm ins Gesicht klatscht, verhilft das Blutbad in Heinrich Steinfests Roman "Der Allesforscher" zu erinnerungswürdigem Sex mit einer Ärztin aus Deutschland. Was wiederum einen Flugzeugabsturz, eine leidenschaftslose Ehe in Köln und einen Jobwechsel später (die "zum Businessman verwandelte Lackdose" wird Bademeister, weil Sixten mit Menschen statt Gespenstern arbeiten will) dazu führt, dass Sixten ein kleiner Kerl vorgestellt wird. Er ist sieben und spricht eine Sprache, die kein Dolmetscher der Welt zu verstehen vermag.

Simon ist nicht Sixtens Sohn; die Augenform deutet eher auf einen Asiaten als Vater. Aber er bewegt Sixten, wie er so dasteht und dreinschaut, und eine Erinnerung an Simons Mutter, die Hirnforscherin, eine Art Aufforderung zum Liebesbeweis in Abwesenheit, ist das Rätselkind auch. Also wird der Gedanke, Kinder könnten einen "in die Klapsmühle befördern", beiseitegeschoben und das Kind adoptiert. Und Simon bedankt sich, indem er Sixten bereichert: "Sein Lächeln war eine kleine, feine Schlagzeile, etwas wie: Sparzinsen steigen wieder."

Heinrich Steinfest, geschätzt als Autor abgedrehter Krimigrotesken, erzählt hier eine befreiende Geschichte, in der ein Mann das Leben zu umarmen lernt und sich alles fügt wie nach einem göttlichen Plan - derart turboplaudernd, übersprudelnd und liebevoll, dass man sie gar nicht aus der Hand legen mag. In der Sprache mag es hier und da Unwuchten geben, weil Steinfest recht mündlich erzählt. Aber auch das gehört zum unangreifbaren Reiz eines Buches, das den Flachwitz nicht scheut und doch entwaffnend klug und wach ist und einfach losfegt. Bis wir eine Familiengeschichte kennen, in der neben dem autistischen "Allesforscher" Simon auch KAI-G7@ ihren Platz hat, eine Gesichtscreme, die kinderlose Frauen plötzlich Kinder kriegen lässt. Sie ist überflüssig, wo es lichte Bücher über das Geschenk des Lebens gibt wie dieses.

MATTHIAS HANNEMANN

Heinrich Steinfest: "Der Allesforscher". Roman. Piper Verlag, München 2014. 398 S., geb., 19,99 [Euro].

Selja Ahava: "Der Tag, an dem ein Wal durch London schwamm". Roman. Aus dem Finnischen von Stefan Moster. Mareverlag, Hamburg 2014. 224 S., geb., 20,- [Euro].

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.07.2014

Die schönsten Seiten des Sommers
Besteigung des
Unwahrscheinlichen
Ein Wal explodiert, eine Liebe beginnt, ein Flugzeug stürzt ab – und also muss der Manager Sixten Braun sein Leben ändern. Was tun? Er wird Bademeister, bald wird ihm ein Sohn untergejubelt, ein vielfach begabtes, stilles Kind. Und da der Sohn klettert, als hätte er nie etwas anderes getan, geht es in die Berge, wo diese wilde Geschichte ihrem unwahrscheinlichen Ende entgegeneilt: einem Familienidyll. Heinrich Steinfest erzählt lustvoll, klug, mitreißend. Er zelebriert das Skurrile, Geheimnisvolle im Alltäglichen und ebenso das Banale zu Beginn unseres fahrigen Jahrhunderts. Endlich ein Gegenwartsroman über die Fülle des Daseins.
JENS BISKY
    
  
  
  
Heinrich Steinfest:
Der Allesforscher. Piper
Verlag, München 2014,
400 Seiten, 19,99 Euro,
E-Book 15,99 Euro.
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