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Karl Christ, renommierter deutscher Althistoriker und Pionier der Wissenschaftsgeschichte seines Faches, legt ein Buch über den Münchner Altertumswissenschaftler Alexander Schenk Graf von Stauffenberg vor. Während Claus und Berthold von Stauffenberg durch das Attentat auf Hitler einen festen Platz im kollektiven Gedächtnis der Deutschen gefunden haben, ist ihr Bruder - wie sie ein Mitglied des George-Kreises und eingeweiht in die Attentatspläne - fast völlig in Vergessenheit geraten. Die biographische Skizze und die wissenschaftsgeschichtliche Studie erhellen das Bild dieses "anderen…mehr

Produktbeschreibung
Karl Christ, renommierter deutscher Althistoriker und Pionier der Wissenschaftsgeschichte seines Faches, legt ein Buch über den Münchner Altertumswissenschaftler Alexander Schenk Graf von Stauffenberg vor. Während Claus und Berthold von Stauffenberg durch das Attentat auf Hitler einen festen Platz im kollektiven Gedächtnis der Deutschen gefunden haben, ist ihr Bruder - wie sie ein Mitglied des George-Kreises und eingeweiht in die Attentatspläne - fast völlig in Vergessenheit geraten. Die biographische Skizze und die wissenschaftsgeschichtliche Studie erhellen das Bild dieses "anderen Stauffenberg".
Hatte Alexander von Stauffenberg bis zum 20. Juli 1944 seinen Weg als Jünger Stefan Georges sowie als Dichter, Althistoriker und Soldat genommen, geriet er danach in die Fänge der Gestapo, kam in Sippenhaft, durchlief verschiedene Konzentrationslager und verlor in den letzten Kriegstagen seine geliebte Frau Melitta, die ihn offenbar aus der Lagerhaft befreien wollte. Nach amerikanischer Kriegsgefangenschaft lebte er, existentiell erschüttert und weitgehend mittellos, am Bodensee - gestützt von einstigen Mitstreitern seiner Brüder und alten Weggefährten. Eine neue Ehe und die Berufung auf den Münchener Lehrstuhl für Alte Geschichte halfen ihm, die materielle Not zu überwinden, und eröffneten ihm neue Lebensperspektiven. Seine eigenwilligen Arbeiten, sein dichterisch-wissenschaftlicher Stil und seine Sensibilität für gesellschaftliche und politische Veränderungen ließen ihn zu einem fachlichen Außenseiter und unbequemen Mahner werden. Karl Christ läßt mit seiner einfühlsam gestalteten Studie diesem "anderen Stauffenberg" eine bemerkenswerte Würdigung zuteil werden.
Autorenporträt
Karl Christ lehrte bis zu seiner Emeritierung als Professor für Alte Geschichte an der Universität Marburg. Er gilt als einer der besten Kenner der Geschichte der römischen Kaiserzeit.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.04.2008

Keusch fast die Rede ihm floss

Das letzte Buch des Althistorikers Karl Christ ist eine Studie über Alexander von Stauffenberg, den Bruder der Verschwörer.

Es ist charakteristisch für den Verfasser, dass die "Einleitung" zu seiner biographischen Studie über Alexander Schenk Graf von Stauffenberg bibliographischer Natur ist. Dass die heutigen Spezialforscher auf den Schultern von Riesen stehen, war das Grundgefühl, aus dem heraus Karl Christ, der wenige Tage vor seinem fünfundachtzigsten Geburtstag, dem kommenden Sonntag, verstorbene Marburger Althistoriker, die Geschichte seines Faches zu seiner Sache gemacht hat. Christs personengeschichtlicher Ansatz, den Alexander Demandt gestern im Nachruf dieses Feuilletons hervorgehoben hat, entsprang seinem Empfinden für das Element persönlicher Leistung im Gelehrtendasein, Leistung verstanden allerdings im moralischen, geradezu existentiellen Sinne. Am Anfang von Christs Arbeiten steht immer der Respekt vor den Vorarbeiten. In seinen Einleitungen werden die Nibelungen der arbeitsteiligen Wissenschaft gewürdigt, die die Hinterlassenschaften der Giganten edieren und interpretieren. Auch diese unberühmten Forscher verdienen erinnert zu werden.

Im Überblick über die schmale Forschung zu Alexander von Stauffenberg, dem Zwillingsbruder Bertholds, geboren 1905, der 1948 auf den althistorischen Lehrstuhl der Universität München berufen wurde und schon 1964 starb, ist die umfassendste Spezialstudie, die Christ herauszuheben hat, eine Leipziger Dissertation aus dem Jahre 1968. Dieses Detail erscheint wiederum charakteristisch. Christ hat sich schon früh in der ihm eigenen Gründlichkeit mit der Geschichtswissenschaft der DDR beschäftigt. Dabei waren ihm die wissenschaftsfeindlichen Prämissen des Staatsmarxismus zuwider; neben dem Interesse an einer Art Gegenprobe auf die Tragfähigkeit westlicher Ergebnisse etwa zur antiken Sklaverei leitete ihn wohl die Absicht des Nachweises, dass auch in diktatorischen Verhältnissen, die sich die Menschen nicht ausgesucht haben, gelehrte Leistungen entstehen.

Christ nennt die von Werner Berthold und Rigobert Günther betreute Doktorarbeit von Günter Katsch ein "eigenwilliges Werk". Die Gegenstandswahl mag ins kämpferische Konzept der Parteihistoriker gepasst haben: Stauffenberg, in seinem Fach wegen seiner Treue zur Terminologie des George-Kreises ebenso ein Außenseiter wie in einer westdeutschen Gesellschaft, in der seine Brüder vielerorts noch als Verräter galten, war als Kritiker Adenauers und insbesondere der Wiederbewaffnung hervorgetreten und insofern das Gegenteil jener "Nato-Historiker", als die Stauffenbergs Zunftgenossen von ihren DDR-Kollegen beschimpft wurden.

Aber Katsch hatte wohl, so scheint Christ vermutet zu haben, eigene Gründe, einer exzentrischen Gestalt wie Stauffenberg, die durch alle ideologischen und disziplinären Raster fällt, eine umfangreiche Monographie zu widmen. Neben der unübertroffenen Quellenbasis des Kapitels zu Stauffenbergs um die Figuren von "Dichter", "Denker" und "Täter" kreisendem Geschichtsbild stellt Christ die Darstellung der politischen Aktivitäten des Münchner Ordinarius heraus. "Sie sind in der übrigen, nichtmarxistischen Wissenschaftsgeschichte nur selten gestreift worden." Leider werden diese Vorträge und Zeitungsaufsätze auch von Christ nur gestreift. Christs letztes Buch, das der Autor noch in Händen halten konnte, hat einen fragmentarischen Zug, die Darstellung nähert sich dem Aphoristischen.

Doch dieser aussparende Stil ist dem Gegenstand kongenial. Graf Stauffenberg wird uns vorgestellt als das Urbild eines Aristokraten, dessen hochgewachsene Erscheinung wirklich den Schluss auf die uradeligen Tugenden des Freimuts und der Hochherzigkeit gestattete, der aber Distanz zu wahren wusste. Christs Schilderung des Lehrenden im Kreis der Münchner Kollegen ist erkennbar aus persönlicher Anschauung geschöpft, aber nicht eigentlich anschaulich. Die Problematik dieser Persönlichkeit, die nach bürgerlichen Maßstäben ihrem Typus vielleicht zu sehr entsprach, ist gestaltet in einem Porträt, das der Germanist Rudolf Fahrner für die postume Ausgabe der Gedichte des künstlerisch begabtesten der Stauffenberg-Brüder verfasste. Dort heißt es in der Orthographie und Interpunktion des Kreises über Stauffenbergs Freunde: "Sie wissen von seinem starken verlangen nach ansehen. geltung und wirkung und von seinem abtun aller ehren um eines reinen daseins willen." Christ stellt keine psychologischen Spekulationen an, sondern lässt die Tatsachen des Schicksals sprechen.

Melitta Gräfin Stauffenberg, Pilotin und Sturzflugforscherin, die wegen ihrer kriegswichtigen Arbeit vom "Führer" 1941 "deutschblütigen Personen gleichgestellt" worden war, wurde am 8. April 1945 abgeschossen. Christ kann aus den Beständen des Instituts für Zeitgeschichte den Brief mitteilen, in dem ihr Mann 1952 die Umstände erläuterte, aus denen er geschlossen hatte, dass sie auf dem Weg zu seiner Befreiung war. Dass Alexander, nach dem 20. Juli in Sippenhaft genommen, nicht hingerichtet wurde, ließ das Gerücht aufkommen, seine Brüder hätten ihn in den Attentatsplan nicht eingeweiht, weil sie gefürchtet hätten, er würde sich unvorsichtig verhalten. Dieser in der Literatur herrschenden Meinung widerspricht unter Berufung auf den Sohn Caesar von Hofackers die Tochter Gudula Knerr-Stauffenberg in einem Gespräch, das im Anhang abgedruckt ist.

Geführt hat es nach den Instruktionen, aber nicht nach der Methode des Verfassers - die Oral History überließ Christ den Generationen, die auf seinen Schultern stehen -, der Beck-Lektor Stefan von der Lahr. Die ungemein eindringlichen persönlichen Auskünfte ergänzen Christs objektive Zeichnung nicht zum ausgewogenen Bild; das wäre, der von der Tochter bezeugten "Sehnsucht nach Harmonie" zum Trotz, dem Grafen gar nicht angemessen. Christs Buch regt dazu an, Peter Hoffmanns großes Dreibruderbuch, Gerhard Brackes Biographie der Melitta Gräfin Stauffenberg und vor allem Alexander von Stauffenbergs Gedichte selber zu lesen. In seinem Zyklus "Der Tod des Meisters" hat er die erste Audienz bei George festgehalten. "Erinnerung steigt: Stadt der Elisabeth / Am fuss des burgbergs graues dach: die ladung". In dieser Stadt hat auch Karl Christ gewirkt, und für seine Schüler verbindet sich mit dem von seinem letzten Buch gestellten Problem, dass der Bruder und womöglich doch Miteingeweihte des Hitler-Attentäters sein wissenschaftliches Werk der Verbindung von Macht und Dichtung im Tyrannen weihte, mit dem Gedanken, dass ihr durch und durch unpathetischer Meister im Streben eines Heldenverehrers ein Bild der eigenen Bemühungen erkennen konnte.

PATRICK BAHNERS

Karl Christ: "Der andere Stauffenberg". Der Historiker und Dichter Alexander von Stauffenberg. Verlag C. H. Beck, München 2008. 200 S., 16 Abb., geb., 22,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der Biografie "Der andere Stauffenberg" des kürzlich verstorbenen Althistorikers Karl Christ fehlt nach Meinung des Rezensenten Hans-Albrecht Koch zwar die "letzte Feile", dennoch liefert sie ihm ein anschauliches Bild dieses universitären Außenseiters. In seiner Besprechung skizziert Koch den Lebensweg Stauffenbergs und legt besonderes Gewicht auf dessen frühe Begegnung mit Stefan George, dessen "Jünger" er wurde. Die spannungsgeladene Berufung auf den Münchener Lehrstuhl für Geschichte und die Beliebtheit des Historikers unter seinen Studenten konnte Koch der Biografie ebenso entnehmen wie eine informations- und aufschlussreiche Darstellung der zweiten Frau Marlene durch die gemeinsame Tochter Gudula Knerr-Stauffenberg.

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