Ein junger Mann, der sich im Zug nicht auf seine Arbeit konzentrieren kann, weil die Fenster zu Spiegeln werden, ein Schüler, der im Zeichenunterricht eingeschüchtert wird, bis ihm alle Perspektiven verrutschen, ein alternder Autor, der mitten in der Arbeit eine frohe Botschaft erhält: Wo immer wir sie antreffen, lassen sich Geisers Figuren wunderbar über die Schulter direkt ins kreative Handwerk blicken. Ob sie entheimatet in einem Kellerloch in New York zusammen mit einer Katze hausen, einen writer's block beim Verfassen einer pornographischen Auftragserzählung erleiden oder plötzlich von einem Ameisenschwarm heimgesucht werden - wir sind hier Zeugen von Momenten, in denen Leben und Schreiben in eins fallen und Texte entstehen. Aus Anlass seines sechzigsten Geburtstags versammelt dieser Band unveröffentlichte und veröffentlichte Texte Geisers, die seinen Weg als Autor von den Anfängen bis heute zeigen und seine Entwicklung deutlich machen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.09.2009Von der Lust am Text
Das journalistische, inhaltsorientierte Schreiben habe ihm nie gelegen, erklärt Christoph Geiser in immer neuen kunstvollen Perioden, und dabei hat er als junger Mann sogar eine Weile für den schweizerischen "Vorwärts" gearbeitet. Aus dieser Zeit ist ihm vor allem seine marxistisch inspirierte Abneigung gegen die Marktmechanismen des Literaturbetriebs geblieben; alle Spielarten eines sozialistischen Realismus waren ihm hingegen schon immer suspekt. Das bezeugen die Reden und Essays, mit denen Geiser seit mehr als dreißig Jahren sein eigenes Schreiben und die Entstehung seiner Romane begleitet und reflektiert. Als "Angler des Zufalls" versteht sich der heute Sechzigjährige gern, als Sammler von poetischen Momenten, die kein spezielles Thema oder Sujet benötigen, denn alle Literatur handle am Ende ja doch immer wieder von demselben: der Angst, dem Alleinsein, der Sehnsucht und der Verzweiflung. Das klingt düster, und doch betont Geiser zugleich die Lust des Schreibens, die sich nicht zuletzt im Rhythmus der Worte und Sätze manifestiert. Die Text-Lust hängt für diesen Sprachartisten stets eng mit der Körper-Lust zusammen; seine Betrachtungen zu Caravaggios jugendlichem Amor etwa erinnern in ihrer Sinnlichkeit und Detailfreude an Winckelmanns Beschreibungen antiker Torsi. Literatur dürfe unanständig sein und sie müsse Grenzen verletzen, lautet ein zentraler Bekenntnissatz dieser Sammlung. Auch die Grenzen zwischen den Künsten verschwimmen dabei, Malerei, Musik und Literatur bilden das Fundament einer radikal ästhetischen Weltsicht: "Ich schreibe meine Texte inzwischen so, wie ich Beethovens Klaviersonaten höre." (Christoph Geiser: "Der Angler des Zufalls". Schreibszenen. Herausgegeben von Michael Schläfli. Männerschwarm Verlag, Hamburg 2009. 208 S., geb., 20,- [Euro].) sdoe
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das journalistische, inhaltsorientierte Schreiben habe ihm nie gelegen, erklärt Christoph Geiser in immer neuen kunstvollen Perioden, und dabei hat er als junger Mann sogar eine Weile für den schweizerischen "Vorwärts" gearbeitet. Aus dieser Zeit ist ihm vor allem seine marxistisch inspirierte Abneigung gegen die Marktmechanismen des Literaturbetriebs geblieben; alle Spielarten eines sozialistischen Realismus waren ihm hingegen schon immer suspekt. Das bezeugen die Reden und Essays, mit denen Geiser seit mehr als dreißig Jahren sein eigenes Schreiben und die Entstehung seiner Romane begleitet und reflektiert. Als "Angler des Zufalls" versteht sich der heute Sechzigjährige gern, als Sammler von poetischen Momenten, die kein spezielles Thema oder Sujet benötigen, denn alle Literatur handle am Ende ja doch immer wieder von demselben: der Angst, dem Alleinsein, der Sehnsucht und der Verzweiflung. Das klingt düster, und doch betont Geiser zugleich die Lust des Schreibens, die sich nicht zuletzt im Rhythmus der Worte und Sätze manifestiert. Die Text-Lust hängt für diesen Sprachartisten stets eng mit der Körper-Lust zusammen; seine Betrachtungen zu Caravaggios jugendlichem Amor etwa erinnern in ihrer Sinnlichkeit und Detailfreude an Winckelmanns Beschreibungen antiker Torsi. Literatur dürfe unanständig sein und sie müsse Grenzen verletzen, lautet ein zentraler Bekenntnissatz dieser Sammlung. Auch die Grenzen zwischen den Künsten verschwimmen dabei, Malerei, Musik und Literatur bilden das Fundament einer radikal ästhetischen Weltsicht: "Ich schreibe meine Texte inzwischen so, wie ich Beethovens Klaviersonaten höre." (Christoph Geiser: "Der Angler des Zufalls". Schreibszenen. Herausgegeben von Michael Schläfli. Männerschwarm Verlag, Hamburg 2009. 208 S., geb., 20,- [Euro].) sdoe
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