In seinen autobiografischen Schriften („Die Ursache“, „Der Keller“, „Der Atem“, „Die Kälte“ und „Ein Kind“) verarbeitete der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard seine Kindheit und Jugend. Diese Erinnerungen spiegeln seine furchtbaren Erlebnisse im nationalsozialistisch und katholisch
geprägten Österreich wider.
Erschütternd und polemisch schildert er die frühen Verletzungen und das…mehrIn seinen autobiografischen Schriften („Die Ursache“, „Der Keller“, „Der Atem“, „Die Kälte“ und „Ein Kind“) verarbeitete der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard seine Kindheit und Jugend. Diese Erinnerungen spiegeln seine furchtbaren Erlebnisse im nationalsozialistisch und katholisch geprägten Österreich wider.
Erschütternd und polemisch schildert er die frühen Verletzungen und das Eingesperrtsein in den verschiedenen Institutionen wie Schule, Internat, Erziehungslager, Krankenhaus und Sanatorium. Wer die Welt von Thomas Bernhard verstehen will, findet hier den Schlüssel. Kaum ein Text ist intimer und berührender als diese Erinnerungen. Alle fünf Bände erschienen Ende der 70er bzw. Anfang der 80er Jahre im Residenz Verlag Pölten und liegen nun aus Anlass des 90. Geburtstags von Thomas Bernhard als Taschenbuchausgaben im Deutschen Taschenbuch Verlag vor.
„Der Atem - Eine Entscheidung“ (1978) ist der dritte Band dieser fünfteiligen Autobiografie, der sich nahtlos an den Vorgängerband „Der Keller“ anschließt. Bernhard schildert darin, wie er im Januar 1949 mit einer nassen Rippenfellentzündung ins Salzburger Landeskrankenhaus eingeliefert wird. Seit zwei Tagen liegt dort bereits sein Großvater, mit dem Verdacht eines Tumors im Bauchraum. Bernhards Zustand verschlechtert sich massiv, denn eine Lungenentzündung ist hinzugekommen. Wochenlang schwebt er zwischen Leben und Tod. Von den Ärzten wird er bereits aufgegeben und ins Sterbezimmer abgeschoben.
Dem todkranken Bernhard wird in dieser Situation jeder einzelne Atemzug bewusst. Er darf nicht aufhören zu atmen, wenn er leben will. In seinen Gedanken entwickelt sich ein Wechselspiel aus Ohnmacht, Selbstaufgabe und Existenzbehauptung. Doch im Sterbezimmer erwacht seine Willens- und Widerstandskraft, die ihm schließlich das Überleben sichert.
Dazwischen erinnert sich der Autor immer wieder an die intensiven Gespräche mit dem Großvater in seinem Krankenzimmer. Doch eines Tages bleiben dessen Besuche aus und Bernhard erfährt erst später aus der Zeitung, dass sein Großvater gestorben ist. Als diese Stütze weggebrochen ist, entwickelt der18jährige eine innere Selbstbehauptungsstrategie, indem er die Ereignisse ringsum aufmerksam und unerbittlich beobachtet, darunter auch die katastrophalen Krankenhausbedingungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit.
Als sein Gesundheitszustand es erlaubt, wird er in ein „Erholungsheim für an den Atmungsorganen Erkrankte“ verlegt, das er zunächst als „Krankenverwahrung“ in guter Luft und waldreicher Gegend ansieht. Nachdem die Lungenkrankheit seine Träume von einem Sänger zerstört hat, wendet sich Bernhard hier in der Abgeschiedenheit der Literatur zu. In dem Bücherschatz seines Großvaters entdeckt er die Werke von Shakespeare, Stifter, Lenau und Cervantes. Mit der Lektüre, oft bis tief in die Nacht, gewinnt er neue Lebenskraft. Als er das Sanatorium schließlich verlassen kann, ist seine Mutter im Salzburger Landeskrankenhaus wegen einer Krebserkrankung operiert worden.
Manfred Orlick