Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Manager auch in der Bundesrepublik zur prägenden Figur moderner Unternehmen. Bernhard Dietz erklärt diesen Aufstieg der Manager und setzt ihn in Beziehung zu sich wandelnden Idealen und Leitbildern. Indem er untersucht, wie sich "Arbeit", "Leistung" und "Führung" zwischen Nationalsozialismus und Neoliberalismus veränderten, leistet er einen ganz neuen Beitrag zu einer Kulturgeschichte des Kapitalismus.
"Das Buch vermittelt nicht nur neue Erkenntnisse zum Wandel des unternehmerischen Selbstverständnisses, sondern auch tiefe Einblicke in gesellschaftspolitische Debatten um Werte und Leitbilder in der alten Bundesrepublik und damit in (west-)deutsche Besonderheiten. [...] Und es liest sich darüber hinaus wirklich spannend." Werner Bührer in der Süddeutschen Zeitung vom 11.1.2021
Frankfurter Allgemeine ZeitungSiegeszug der Manager
Vom Wandel der Chefetagen in der Bonner Republik
Manager sind angestellte Unternehmer, die keine oder nur wenige Anteile an den von ihnen geleiteten Unternehmen besitzen. Dieser Sozialtypus war schon vor 1945 in der deutschen Wirtschaft breit vertreten, traf aber auf erhebliches Misstrauen. Eigentümerunternehmer schienen solider zu sein, schreibt der Wirtschaftshistoriker Bernhard Dietz in seinem gut lesbaren Buch über den Aufstieg der Manager und den Wertewandel in den Führungsetagen der westdeutschen Wirtschaft nach dem Krieg bis 1989. Die von den Nationalsozialisten besonders vehement vertretene Auffassung, dass im Eigentum verwurzelte "Betriebsführer" vermeintlich "bindungslosen Angestellten" vorzuziehen seien, lebte nach 1945 fort.
Eigentümerunternehmer, die wegen ihrer NS-Verstrickungen ohnehin in der Defensive waren, stilisierten sich in den 1950er Jahren zu Garanten des Wirtschaftswunders, denen das "Führen" gleichsam in die Wiege gelegt worden war. Diese naturgegebene Eigenschaft könne man nicht erlernen. Zudem spielten antiamerikanische Vorurteile eine große Rolle, denn in den Vereinigten Staaten besaßen Manager schon einen weitaus größeren Einfluss. Business Schools, an denen sie als Generalisten universitär ausgebildet wurden, waren etabliert. Das Angebot, mit finanzieller Unterstützung und Expertise aus Amerika in Berlin ein Pendant zur Harvard Business School zu errichten, scheiterte in den 1950er Jahren am Widerstand der deutschen Wirtschaft. Es dominierte die Sorge vor dem Kontrollverlust und der Entzauberung des eigenen Geniemythos. Nach wie vor hielt man an autoritären Führungsstilen fest, die sich auch gegen die Gewerkschaften und die Mitbestimmung richteten.
In der Öffentlichkeit galten leitende Angestellte oft als Totengräber bürgerlicher Tugenden, als seelenlose und gehetzte Knechte des Kapitals. Der Begriff "Manager" wurde vermieden oder nur negativ verwendet. Der einflussreiche Jesuitenpater Leppich sah in Managern apokalyptische Reiter, die mit ihrer Rastlosigkeit und Profitsucht das Abendland in den Untergang führten. Die "Manager-Krankheit", die durch innere Leere, Stress und Überarbeitung zum vorzeitigen Tode führe, war ein vieldiskutiertes Schreckensbild.
Diese wertkonservativen Einstellungen ließ sich aber nicht lange halten, denn es herrschte ein Mangel an Führungsnachwuchs, nicht zuletzt durch die hohen Kriegsverluste der betreffenden Jahrgänge. Aus dem Kreis der Eigentümerfamilien allein war der Bedarf bei weitem nicht zu decken. Zudem schickten sich jüngere leitende Angestellte an, die Kommandohöhen der Wirtschaft zu erklimmen, indem sie sich auf Leistung beriefen, die qua Ausbildung und Bewährung nachzuweisen war. Ausgerechnet der frühere SS-Funktionär Reinhard Höhn postulierte mit dem Harzburger Modell, das die Delegation von Aufgaben über Hierarchiestufen hinweg vorsah, einen kooperativen Führungsstil. Zwischen 1956 und 1971 nahmen über 200 000 Angestellte an den Lehrgängen teil. Hinzu traten seit Mitte der 1960er Jahre tiefgreifende Veränderungen der Umwelt. Das schnelle Wachstum des Wirtschaftswunders lief aus. Die internationale Konkurrenz nahm zu, und divisionalisierte Unternehmen schufen komplexere Anforderungen. Eine zunehmend kritische Wirtschaftspresse und noch mehr die fundamentale Herausforderung durch die 1968er-Bewegung erzwangen ein Umdenken.
Der Autor zeigt, dass nicht allein die studentische Kapitalismuskritik den autoritären Konzepten den Garaus machte. Keineswegs wurden einfach linke Alternativentwürfe in neoliberale Konzepte überführt. Vielmehr erzwangen die vielen gleichzeitig auftretenden Herausforderungen eine grundlegende Neuorientierung. Das aus Amerika stammende Menschenbild der Selbstverwirklichung ließ Prinzipien wie Eigenverantwortung, Flexibilität, Teamarbeit und Kreativität in den Vordergrund treten. Führung bedeutete jetzt nicht mehr, Untergebenen Befehle zu erteilen und die Einhaltung zu überwachen, sondern Kreativität und intrinsische Motivation von Mitarbeitern zu fördern. Der heraufziehende Wertepluralismus wurde weniger als Bedrohung der alten Tugenden von Pflicht und Gehorsam gesehen, sondern als Chance. "Human Resources" war viel mehr als eine unbeholfene Übersetzung von "Personalwesen", sondern die Vorstellung, dass Mitarbeiter Produktionsfaktoren sind, die der systematischen Entwicklung bedürfen. Personalentwicklung wurde eine zusätzliche, zentrale Aufgabe des Managements.
Die Akademisierung und seit den 1980er Jahren Feminisierung des Managements, dessen Leitbilder sowie die Ausbildungsinhalte und -institutionen der Führungskräfte sind weitere zentrale Inhalte dieses Buches. Es fehlt jedoch eine Analyse der Internationalisierung und der betrieblichen Praxis. Die Darstellung basiert zum großen Teil auf programmatischen und theoretischen Schriften, während die unternehmensinterne Interaktion weitgehend ausgespart bleibt. Auch wenn die dargestellte Abkehr von autoritären Konzepten zutreffend ist, sollten Diskurse nicht mit der Realität verwechselt werden. Wenn Arbeiter plötzlich "Leistungspartner" heißen, ist nicht zwingend der Geist der Kooperation eingezogen. Unverständlich bleibt auch, warum der Autor nicht ein einziges Interview mit ehemaligen Managern oder Betriebsräten geführt hat. Auch ist der Kontrast zwischen Eigentümerunternehmern und Managern überzeichnet, denn vielfach teilten beide Gruppen dieselbe Führungsphilosophie. In der Summe handelt es sich um ein sehr spannendes Buch, das aufzeigt, wie tiefgreifend sich die Normen und das Selbstverständnis der Führungskräfte in nur wenigen Jahrzehnten verändert haben.
HARTMUT BERGHOFF
Bernhard Dietz, Der Aufstieg der Manager. Wertewandel in den Führungsetagen der westdeutschen Wirtschaft, 1949-1989, De Gruyter Oldenbourg, Berlin/Boston 2020, 524 Seiten, 74,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vom Wandel der Chefetagen in der Bonner Republik
Manager sind angestellte Unternehmer, die keine oder nur wenige Anteile an den von ihnen geleiteten Unternehmen besitzen. Dieser Sozialtypus war schon vor 1945 in der deutschen Wirtschaft breit vertreten, traf aber auf erhebliches Misstrauen. Eigentümerunternehmer schienen solider zu sein, schreibt der Wirtschaftshistoriker Bernhard Dietz in seinem gut lesbaren Buch über den Aufstieg der Manager und den Wertewandel in den Führungsetagen der westdeutschen Wirtschaft nach dem Krieg bis 1989. Die von den Nationalsozialisten besonders vehement vertretene Auffassung, dass im Eigentum verwurzelte "Betriebsführer" vermeintlich "bindungslosen Angestellten" vorzuziehen seien, lebte nach 1945 fort.
Eigentümerunternehmer, die wegen ihrer NS-Verstrickungen ohnehin in der Defensive waren, stilisierten sich in den 1950er Jahren zu Garanten des Wirtschaftswunders, denen das "Führen" gleichsam in die Wiege gelegt worden war. Diese naturgegebene Eigenschaft könne man nicht erlernen. Zudem spielten antiamerikanische Vorurteile eine große Rolle, denn in den Vereinigten Staaten besaßen Manager schon einen weitaus größeren Einfluss. Business Schools, an denen sie als Generalisten universitär ausgebildet wurden, waren etabliert. Das Angebot, mit finanzieller Unterstützung und Expertise aus Amerika in Berlin ein Pendant zur Harvard Business School zu errichten, scheiterte in den 1950er Jahren am Widerstand der deutschen Wirtschaft. Es dominierte die Sorge vor dem Kontrollverlust und der Entzauberung des eigenen Geniemythos. Nach wie vor hielt man an autoritären Führungsstilen fest, die sich auch gegen die Gewerkschaften und die Mitbestimmung richteten.
In der Öffentlichkeit galten leitende Angestellte oft als Totengräber bürgerlicher Tugenden, als seelenlose und gehetzte Knechte des Kapitals. Der Begriff "Manager" wurde vermieden oder nur negativ verwendet. Der einflussreiche Jesuitenpater Leppich sah in Managern apokalyptische Reiter, die mit ihrer Rastlosigkeit und Profitsucht das Abendland in den Untergang führten. Die "Manager-Krankheit", die durch innere Leere, Stress und Überarbeitung zum vorzeitigen Tode führe, war ein vieldiskutiertes Schreckensbild.
Diese wertkonservativen Einstellungen ließ sich aber nicht lange halten, denn es herrschte ein Mangel an Führungsnachwuchs, nicht zuletzt durch die hohen Kriegsverluste der betreffenden Jahrgänge. Aus dem Kreis der Eigentümerfamilien allein war der Bedarf bei weitem nicht zu decken. Zudem schickten sich jüngere leitende Angestellte an, die Kommandohöhen der Wirtschaft zu erklimmen, indem sie sich auf Leistung beriefen, die qua Ausbildung und Bewährung nachzuweisen war. Ausgerechnet der frühere SS-Funktionär Reinhard Höhn postulierte mit dem Harzburger Modell, das die Delegation von Aufgaben über Hierarchiestufen hinweg vorsah, einen kooperativen Führungsstil. Zwischen 1956 und 1971 nahmen über 200 000 Angestellte an den Lehrgängen teil. Hinzu traten seit Mitte der 1960er Jahre tiefgreifende Veränderungen der Umwelt. Das schnelle Wachstum des Wirtschaftswunders lief aus. Die internationale Konkurrenz nahm zu, und divisionalisierte Unternehmen schufen komplexere Anforderungen. Eine zunehmend kritische Wirtschaftspresse und noch mehr die fundamentale Herausforderung durch die 1968er-Bewegung erzwangen ein Umdenken.
Der Autor zeigt, dass nicht allein die studentische Kapitalismuskritik den autoritären Konzepten den Garaus machte. Keineswegs wurden einfach linke Alternativentwürfe in neoliberale Konzepte überführt. Vielmehr erzwangen die vielen gleichzeitig auftretenden Herausforderungen eine grundlegende Neuorientierung. Das aus Amerika stammende Menschenbild der Selbstverwirklichung ließ Prinzipien wie Eigenverantwortung, Flexibilität, Teamarbeit und Kreativität in den Vordergrund treten. Führung bedeutete jetzt nicht mehr, Untergebenen Befehle zu erteilen und die Einhaltung zu überwachen, sondern Kreativität und intrinsische Motivation von Mitarbeitern zu fördern. Der heraufziehende Wertepluralismus wurde weniger als Bedrohung der alten Tugenden von Pflicht und Gehorsam gesehen, sondern als Chance. "Human Resources" war viel mehr als eine unbeholfene Übersetzung von "Personalwesen", sondern die Vorstellung, dass Mitarbeiter Produktionsfaktoren sind, die der systematischen Entwicklung bedürfen. Personalentwicklung wurde eine zusätzliche, zentrale Aufgabe des Managements.
Die Akademisierung und seit den 1980er Jahren Feminisierung des Managements, dessen Leitbilder sowie die Ausbildungsinhalte und -institutionen der Führungskräfte sind weitere zentrale Inhalte dieses Buches. Es fehlt jedoch eine Analyse der Internationalisierung und der betrieblichen Praxis. Die Darstellung basiert zum großen Teil auf programmatischen und theoretischen Schriften, während die unternehmensinterne Interaktion weitgehend ausgespart bleibt. Auch wenn die dargestellte Abkehr von autoritären Konzepten zutreffend ist, sollten Diskurse nicht mit der Realität verwechselt werden. Wenn Arbeiter plötzlich "Leistungspartner" heißen, ist nicht zwingend der Geist der Kooperation eingezogen. Unverständlich bleibt auch, warum der Autor nicht ein einziges Interview mit ehemaligen Managern oder Betriebsräten geführt hat. Auch ist der Kontrast zwischen Eigentümerunternehmern und Managern überzeichnet, denn vielfach teilten beide Gruppen dieselbe Führungsphilosophie. In der Summe handelt es sich um ein sehr spannendes Buch, das aufzeigt, wie tiefgreifend sich die Normen und das Selbstverständnis der Führungskräfte in nur wenigen Jahrzehnten verändert haben.
HARTMUT BERGHOFF
Bernhard Dietz, Der Aufstieg der Manager. Wertewandel in den Führungsetagen der westdeutschen Wirtschaft, 1949-1989, De Gruyter Oldenbourg, Berlin/Boston 2020, 524 Seiten, 74,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Wirklich spannend und zudem kenntnisreich zudem findet Rezensent Werner Bührer die Lektüre der Habilschrift des Mainzer Historikers Bernhard Dietz. Wie sich das Selbstverständnis des Managers in Deutschland seit dem Krieg veränderte, welche Personen und Motive dabei eine Rolle spielten, vermittelt der Autor laut Bührer aufgrund von Recherchen beim BDI und in verschiedenen Unternehmens- und Wirtschaftsarchiven. Den legislativ und soziokulturell befeuerten Wandel dessen, was unter Führungsqualitäten verstanden wird, zeigt der Autor dem Rezensenten anhand der sechziger Jahre auf und an Figuren wie Alfred Herrhausen. Debatten und Leitbilder der alten BRD werden für Bührer sichtbar.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Süddeutsche ZeitungNeue Konkurrenz
für die alten Fabrikanten
Bernhard Dietz über den Aufstieg der Manager
Der Manager hatte es als Sozialfigur und Berufsbild in den ersten beiden Jahrzehnten der Bundesrepublik nicht leicht. Konservativen Publizisten und Verbandsvertretern galt er als „Symbolfigur einer rastlosen, gewinnorientierten, unmoralischen und gottlosen Welt“ und „Techniker der Führung“, dem es im Gegensatz zu Eigentümer-Unternehmern an Tradition und Souveränität fehle. Die Herausgeber der FAZ hielten ihre Redakteure bis in die 1960er-Jahre hinein dazu an, den Begriff wegen seines modischen Charakters zu meiden. Und überhaupt dominierte etwa im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lange die Überzeugung vom „geborenen Unternehmer“, nach der die Fähigkeit zur „Führung“ eine „angeborene Eigenschaft“ sei. Mit anderen Worten: „Angestellte Manager konnten aus dieser Perspektive niemals Unternehmer sein.“ Warum das 20. Jahrhundert trotz solcher Vorbehalte und Widerstände zu einem „Jahrhundert der Manager“ werden konnte, welche Faktoren und Motive, welche Personen und Institutionen dabei eine Rolle spielten, das zeigt Bernhard Dietz in seiner kenntnisreich argumentierenden und sehr gut belegten Habilitationsschrift.
Der Mainzer Historiker hat etwa die einschlägigen Bestände in den Archiven des BDI, der Deutschen Bank und des Deutschen Gewerkschaftsbunds, im Bundesarchiv (Koblenz), im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv in Köln sowie Akten der „Gesellschaft zur Förderung des Unternehmernachwuchses“ und von BMW ausgewertet. Auf dieser Grundlage geht er der Frage nach, wie Unternehmer, Interessenvertretungen, „Managementgurus“, Soziologen und Soziologinnen sowie die Wirtschaftspresse, herausgefordert durch einschlägige Gesetze etwa zur Mitbestimmung, Initiativen zur Unternehmerausbildung oder soziokulturelle Phänomene wie 1968, darüber diskutierten, wodurch sich wirtschaftliche Führungskräfte auszeichneten und wie sie diese Führungsqualitäten ausüben sollten. Den Anspruch, eine Geschichte der Professionalisierung, Demokratisierung und Verwissenschaftlichung des Managerberufs zu bieten, löst Dietz damit auf überzeugende Weise ein.
Unter der Überschrift „Führung nach dem Führer“ untersucht Dietz zunächst, wie die meisten „Wirtschaftsführer“ nach anfänglicher Orientierungslosigkeit rasch in ihre angestammten Positionen zurückkehren konnten. Unternehmerverbände unterstützten diesen Prozess, indem sie unablässig für ein „freies Unternehmertum“ warben, das allein wirtschaftlichen Wohlstand garantieren könne. Es gab allerdings ein bedrohliches Problem: die „außerordentliche Verknappung“ der Männer zwischen 35 und 45 Jahren infolge der „Blut- und Geburtenverluste zweier Weltkriege“, wie die Geschäftsführung des BDI 1953 alarmiert registrierte. Angesichts des beginnenden Wirtschaftsaufschwungs blieb nur die Lösung, ungeachtet der weiter vorherrschenden elitären Vorstellungen von der „Berufung“ zum Unternehmer eine Einrichtung zu gründen, die „wissenschaftliches Wissen und unternehmenspraktische Erfahrung“ vermitteln sollte. Das war die Geburtsstunde der „Baden-Badener Unternehmergespräche“, einer noch heute existierenden „Kaderschmiede“ zur Nachwuchsschulung. Sie adaptierte vorsichtig amerikanische Vorbilder zur Professionalisierung des Managements und des Managers, ohne „den deutschen Weg von Ausbildung, Fachstudium und innerbetrieblicher Bewährung anzutasten“.
Die 1960er-Jahre waren dagegen von einem allmählichen Abschied von autoritären Konzepten gekennzeichnet. Nun prägten Sozialwissenschaftler den Diskurs. Insbesondere das Buch des deutsch-amerikanischen Soziologen Heinz Hartmann sorgte unter deutschen Unternehmern für Furore, weil er ihnen ein „charismatisches Führungsverständnis“ und ein „elitäres Selbstverständnis“ attestierte. Während einige die Thesen Hartmanns als überholt disqualifizierten, sahen sich andere doch veranlasst, ihre Konzepte zu überdenken. Vor allem jüngere „Führungskräfte“ wie etwa Alfred Herrhausen plädierten für eine stärkere Orientierung am gesellschaftlichen Wandel. Altmodische Führungskonzepte, wie sie insbesondere die „Harzburger Akademie“ des ehemaligen SS-Mitglieds Reinhard Höhn praktizierte, verloren an Boden: „Der Führer ist tot“, konstatierte die Zeitschrift Capital 1971. Die Ereignisse um das Jahr 1968 bedeuteten für die Unternehmerschaft zwar eine politische Provokation, auf die zunächst „mit kämpferischer Rhetorik“ reagiert wurde – aber etwas später eben auch „mit Dialogbereitschaft, Absorption von Kritik und professionalisierter Öffentlichkeitsarbeit“. In den 1970er-Jahren suchten die Manager mit Nachdruck ihren Platz zwischen Kapital und Arbeit. Auch das seit 1971 im Spiegel-Verlag erscheinende Manager Magazin trug entscheidend zur wachsenden Akzeptanz des Managerbegriffs und zur Modernisierung und Demokratisierung der Konzepte zur betrieblichen Führung bei. Im letzten Kapitel zeigt Dietz, wie sich der allseits konstatierte Wertewandel in den 1980er-Jahren auf die Ausbildung des Unternehmernachwuchses und die Arbeitswelt und ganz konkret auf die Personalpolitik und das Arbeitszeitregime bei BMW – Stichwort „Flexibilisierung“ – auswirkte.
Das Buch vermittelt nicht nur neue Erkenntnisse zum Wandel des unternehmerischen Selbstverständnisses, sondern auch tiefe Einblicke in gesellschaftspolitische Debatten um Werte und Leitbilder in der alten Bundesrepublik und damit in (west-)deutsche Besonderheiten. Und es liest sich darüber hinaus wirklich spannend.
WERNER BÜHRER
Werner Bührer ist Zeithistoriker. Er lebt in München.
Nach 1945 sahen sich viele
Unternehmer von angestellten
Betriebsleitern herausgefordert
In den 1970er-Jahren suchten
die Manager mit Nachdruck ihren
Platz zwischen Kapital und Arbeit
Bernhard Dietz:
Der Aufstieg der Manager. Wertewandel in den
Führungsetagen der
westdeutschen Wirtschaft, 1949-1989.
De Gruyter/Oldenbourg, Berlin 2020. 542 Seiten, 74,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
für die alten Fabrikanten
Bernhard Dietz über den Aufstieg der Manager
Der Manager hatte es als Sozialfigur und Berufsbild in den ersten beiden Jahrzehnten der Bundesrepublik nicht leicht. Konservativen Publizisten und Verbandsvertretern galt er als „Symbolfigur einer rastlosen, gewinnorientierten, unmoralischen und gottlosen Welt“ und „Techniker der Führung“, dem es im Gegensatz zu Eigentümer-Unternehmern an Tradition und Souveränität fehle. Die Herausgeber der FAZ hielten ihre Redakteure bis in die 1960er-Jahre hinein dazu an, den Begriff wegen seines modischen Charakters zu meiden. Und überhaupt dominierte etwa im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lange die Überzeugung vom „geborenen Unternehmer“, nach der die Fähigkeit zur „Führung“ eine „angeborene Eigenschaft“ sei. Mit anderen Worten: „Angestellte Manager konnten aus dieser Perspektive niemals Unternehmer sein.“ Warum das 20. Jahrhundert trotz solcher Vorbehalte und Widerstände zu einem „Jahrhundert der Manager“ werden konnte, welche Faktoren und Motive, welche Personen und Institutionen dabei eine Rolle spielten, das zeigt Bernhard Dietz in seiner kenntnisreich argumentierenden und sehr gut belegten Habilitationsschrift.
Der Mainzer Historiker hat etwa die einschlägigen Bestände in den Archiven des BDI, der Deutschen Bank und des Deutschen Gewerkschaftsbunds, im Bundesarchiv (Koblenz), im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv in Köln sowie Akten der „Gesellschaft zur Förderung des Unternehmernachwuchses“ und von BMW ausgewertet. Auf dieser Grundlage geht er der Frage nach, wie Unternehmer, Interessenvertretungen, „Managementgurus“, Soziologen und Soziologinnen sowie die Wirtschaftspresse, herausgefordert durch einschlägige Gesetze etwa zur Mitbestimmung, Initiativen zur Unternehmerausbildung oder soziokulturelle Phänomene wie 1968, darüber diskutierten, wodurch sich wirtschaftliche Führungskräfte auszeichneten und wie sie diese Führungsqualitäten ausüben sollten. Den Anspruch, eine Geschichte der Professionalisierung, Demokratisierung und Verwissenschaftlichung des Managerberufs zu bieten, löst Dietz damit auf überzeugende Weise ein.
Unter der Überschrift „Führung nach dem Führer“ untersucht Dietz zunächst, wie die meisten „Wirtschaftsführer“ nach anfänglicher Orientierungslosigkeit rasch in ihre angestammten Positionen zurückkehren konnten. Unternehmerverbände unterstützten diesen Prozess, indem sie unablässig für ein „freies Unternehmertum“ warben, das allein wirtschaftlichen Wohlstand garantieren könne. Es gab allerdings ein bedrohliches Problem: die „außerordentliche Verknappung“ der Männer zwischen 35 und 45 Jahren infolge der „Blut- und Geburtenverluste zweier Weltkriege“, wie die Geschäftsführung des BDI 1953 alarmiert registrierte. Angesichts des beginnenden Wirtschaftsaufschwungs blieb nur die Lösung, ungeachtet der weiter vorherrschenden elitären Vorstellungen von der „Berufung“ zum Unternehmer eine Einrichtung zu gründen, die „wissenschaftliches Wissen und unternehmenspraktische Erfahrung“ vermitteln sollte. Das war die Geburtsstunde der „Baden-Badener Unternehmergespräche“, einer noch heute existierenden „Kaderschmiede“ zur Nachwuchsschulung. Sie adaptierte vorsichtig amerikanische Vorbilder zur Professionalisierung des Managements und des Managers, ohne „den deutschen Weg von Ausbildung, Fachstudium und innerbetrieblicher Bewährung anzutasten“.
Die 1960er-Jahre waren dagegen von einem allmählichen Abschied von autoritären Konzepten gekennzeichnet. Nun prägten Sozialwissenschaftler den Diskurs. Insbesondere das Buch des deutsch-amerikanischen Soziologen Heinz Hartmann sorgte unter deutschen Unternehmern für Furore, weil er ihnen ein „charismatisches Führungsverständnis“ und ein „elitäres Selbstverständnis“ attestierte. Während einige die Thesen Hartmanns als überholt disqualifizierten, sahen sich andere doch veranlasst, ihre Konzepte zu überdenken. Vor allem jüngere „Führungskräfte“ wie etwa Alfred Herrhausen plädierten für eine stärkere Orientierung am gesellschaftlichen Wandel. Altmodische Führungskonzepte, wie sie insbesondere die „Harzburger Akademie“ des ehemaligen SS-Mitglieds Reinhard Höhn praktizierte, verloren an Boden: „Der Führer ist tot“, konstatierte die Zeitschrift Capital 1971. Die Ereignisse um das Jahr 1968 bedeuteten für die Unternehmerschaft zwar eine politische Provokation, auf die zunächst „mit kämpferischer Rhetorik“ reagiert wurde – aber etwas später eben auch „mit Dialogbereitschaft, Absorption von Kritik und professionalisierter Öffentlichkeitsarbeit“. In den 1970er-Jahren suchten die Manager mit Nachdruck ihren Platz zwischen Kapital und Arbeit. Auch das seit 1971 im Spiegel-Verlag erscheinende Manager Magazin trug entscheidend zur wachsenden Akzeptanz des Managerbegriffs und zur Modernisierung und Demokratisierung der Konzepte zur betrieblichen Führung bei. Im letzten Kapitel zeigt Dietz, wie sich der allseits konstatierte Wertewandel in den 1980er-Jahren auf die Ausbildung des Unternehmernachwuchses und die Arbeitswelt und ganz konkret auf die Personalpolitik und das Arbeitszeitregime bei BMW – Stichwort „Flexibilisierung“ – auswirkte.
Das Buch vermittelt nicht nur neue Erkenntnisse zum Wandel des unternehmerischen Selbstverständnisses, sondern auch tiefe Einblicke in gesellschaftspolitische Debatten um Werte und Leitbilder in der alten Bundesrepublik und damit in (west-)deutsche Besonderheiten. Und es liest sich darüber hinaus wirklich spannend.
WERNER BÜHRER
Werner Bührer ist Zeithistoriker. Er lebt in München.
Nach 1945 sahen sich viele
Unternehmer von angestellten
Betriebsleitern herausgefordert
In den 1970er-Jahren suchten
die Manager mit Nachdruck ihren
Platz zwischen Kapital und Arbeit
Bernhard Dietz:
Der Aufstieg der Manager. Wertewandel in den
Führungsetagen der
westdeutschen Wirtschaft, 1949-1989.
De Gruyter/Oldenbourg, Berlin 2020. 542 Seiten, 74,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de