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Christian Lehnerts formstrenge Gedichte sind fragile Gebilde, die genau jene Stille erzeugen, in der sie wirken können. Nicht zufällig laufen viele der Texte, deren Themen und Sprechweisen einen weiten Bogen spannen von der Antike bis in die Gegenwart, vom Christlich-Abendländischen bis hin zu jüdisch-arabischen Kulturen, immer wieder auf Fragen aus.

Produktbeschreibung
Christian Lehnerts formstrenge Gedichte sind fragile Gebilde, die genau jene Stille erzeugen, in der sie wirken können. Nicht zufällig laufen viele der Texte, deren Themen und Sprechweisen einen weiten Bogen spannen von der Antike bis in die Gegenwart, vom Christlich-Abendländischen bis hin zu jüdisch-arabischen Kulturen, immer wieder auf Fragen aus.
Autorenporträt
Christian Lehnert, geboren 1969 in Dresden, ist Dichter und Theologe. Er leitet das Liturgiewissenschaftliche Institut an der Universität Leipzig. Seit mehr als 25 Jahren erscheinen im Suhrkamp Verlag Gedichtbücher und Prosabände, für die er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde, zuletzt mit dem Deutschen Preis für Nature Writing (2018).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.04.2001

Virtuelle Frömmigkeit
Christian Lehnerts Gedichtband "Der Augen Aufgang"

Wenn der Lyriker von seinem leeren Blatt aufsieht, steht womöglich ein Engel in seinem Zimmer. Wenn auch nur "unterste Charge", wie bei Enzensberger. Was dem Altmeister recht ist, kann den Jungen nur billig sein. Wenn nicht alles täuscht, kehren religiöse Themen in die Lyrik zurück. Ein Beispiel dafür gibt der junge Dresdener Christian Lehnert. In seinem zweiten Band "Der Augen Aufgang" bemüht er Novalis und Paulus als Eideshelfer. "Vielleicht beginnt ein neues Reich", hofft der Dichter mit Novalis, und von Paulus zitiert er den wunderbaren Satz vom "Spiegel in einem dunklen Wort".

Damit uns die Augen aufgehen, führt uns der Dichter im titelgebenden Zyklus zunächst einmal in die Wüste. Sie ist mit mancherlei topographischen Elementen versehen, aber wesentlich sprachlich halluziniert. Eine innere Landschaft, so recht geeignet für eine Suchbewegung. Das Schlußstück kommt auf Paulus zurück: "Im Lichtkreis eines Sterns, im Schatten, den meine / Sprache wirft, laufe ich über einen dunklen Spiegel." Aber zu welchem Ende?

Aus dieser Dialektik von Licht und Sprache resultiert zwar das Sinnbedürfnis, aber nicht der Sinn selbst. Noch weniger der Glaube oder gar die religiöse Inbrunst. Die Frage bleibt dominant. Emphase ist Lehnerts Sache nicht, eher so etwas wie Neugier. Ihn interessieren die Schnittmengen von Religionswissenschaft, Orientalistik und Theologie. Es sind eben die Fächer, die Lehnert studiert hat, und gern breitet er das erworbene Wissen aus. Manche seiner Gedichte sind Skizzen eines Ethnologen, der die "Sandgefäße eines Beduinen" ebenso würdigt wie den "Opferplatz Zibb Atuf" oder "Drei Vitrinen im Israel-Museum". Der kalte Blick befindet dort: Was "einst Gott war", ist nun "Exponat", also tot.

In "Lichteinfall" sucht der Autor einen anderen Ansatz: aus dem Widerstand der Form metaphysische Funken zu schlagen. Er bemüht dazu die kunstvollste Form der abendländischen Lyrik, den Sonettenkranz. Anfang und Schluß von vierzehn Sonetten ergeben die Summe, das Meistersonett. Lehnert hat sich durchaus ehrenvoll aus der Affäre gezogen. Seine Verse bewegen sich gelenkig in den Scharnieren der Form. Aber da die Kunst nicht per se Sinn stiftet, fühlt das lyrische Ich sich im "virtuellen Raum" gefangen. Und mit ihm das "neue Reich" eines Novalis. Der lyrische Artist markiert noch einmal die Grenze der Kunst.

Ohne Zweifel hat Lehnert das Zeug zum Virtuosen. Vor einem Bild in der Dresdener Galerie Alter Meister gelingen ihm geschmeidige Verse wie: "Die blasse Venus fügt sich weich den Händen, / sanft gegenwärtig im Quadrat aus Gold." Wie wunderschön! sagt man, und im gleichen Atemzug: Könnte das nicht von Stefan Zweig sein? Lehnert kann viel, er wird vielleicht auch lernen, was man nicht können kann.

HARALD HARTUNG

Christian Lehnert: "Der Augen Aufgang". Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000. 109 S., br., 16,90 Mark.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Religiöse Themen finden wieder Eingang in die Dichtkunst. Diesen Eindruck hat Harald Hartung jedenfalls nach der Lektüre des Gedichtbandes des Dresdner Lyrikers Christian Lehnert. Dieser bemühe in seinem zweiten Band eindeutig Novalis und Paulus. Und schickt den Leser zu Beginn seines Zyklus in die Wüste, um ihn dort, gleichsam seiner eigenen Ausbildung entlang- er hat Theologie, Religionswissenschaft und Orientalistik studiert - in eine Dialektik von Licht und Sprache zu entführen, schreibt der Rezensent. Dafür bemühe Lehnert die kunstvollste Form der abendländischen Lyrik, den Sonettenkranz. Für Hartung hat der Autor das "Zeug zum Virtuosen". Auch wenn er an einigen Stellen zu sehr den Leser mit seinem Wissen beeindrucken will - "Lehner kann viel, er wird vielleicht auch lernen, was man nicht können kann", hofft der Rezensent.

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