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Sammelt nicht jeder von uns Dinge, die ihm etwas bedeuten, dann aber in Vergessenheit geraten und verstauben? Finn Causley sammelt den Kram anderer Leute, lagert ihn in einer alten viktorianischen Fabrik und versteigert die Sachen, indem er ihnen redegewandt Geschichten andichtet. Wenn er jedoch Dinge betrachtet, die mit seiner eigenen Vergangenheit zu tun haben, kommen immer wieder dieselben Erinnerungen hoch: Eine Nacht in einem Swimmingpool in Sydney, eine Frau in einem Kandinsky-Kleid, die Baseballkappe, die XY in der Hand hielt, als er sie mit dem leeren Pillendöschen fand ... Ein Mann…mehr

Produktbeschreibung
Sammelt nicht jeder von uns Dinge, die ihm etwas bedeuten, dann aber in Vergessenheit geraten und verstauben? Finn Causley sammelt den Kram anderer Leute, lagert ihn in einer alten viktorianischen Fabrik und versteigert die Sachen, indem er ihnen redegewandt Geschichten andichtet. Wenn er jedoch Dinge betrachtet, die mit seiner eigenen Vergangenheit zu tun haben, kommen immer wieder dieselben Erinnerungen hoch: Eine Nacht in einem Swimmingpool in Sydney, eine Frau in einem Kandinsky-Kleid, die Baseballkappe, die XY in der Hand hielt, als er sie mit dem leeren Pillendöschen fand ... Ein Mann macht die Inventur seines Lebens - poetisch und mit einem sehr zarten Gespür für die Beziehungen zwischen den Menschen erzählt Fernyhough von der Wahrheit, die in den Dingen steckt, von den Lügen, mit denen man sich und andere betrügt, und von der Liebe, die jeder sucht und nur wenige erkennen.
Autorenporträt
Charles Fernyhough wurde 1968 in Essex geboren. Er promovierte 1995 an der Cambridge University in Entwicklungspsychologie mit einer Arbeit über die Frage, warum Kinder mit sich selbst sprechen. Im Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen Tätigkeit steht das Phänomen des privaten Sprechens, der individuellen Unterschiede in der Eltern-Kind-Interaktion und er untersuchte die Bedeutung von Vygotskys Theorien in der heutigen Entwicklungspsychologie, vor allem die Thesen über die dialogische Natur der höheren mentalen Funktionen.
Charles Fernyhough lehrt heute an der Staffordshire University und lebt seit 1997 mit seiner Frau und seiner Tochter in der Grafschaft Durham.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.04.2001

Die Lösung ist Bliss
Jedenfalls in Charles Fernyhoughs Roman „Der Auktionator”
Dieses Buch hat einen Soundtrack, der von Genesis stammt, und der färbt kräftig auf die Erzählatmosphäre ab. Versponnen und gewitzt, klar im Ton und rätselhaft in der Botschaft, von latenten Gewaltphantasien und romantischen Träumereien durchzogen, verrühren die nursery crimes von Charles Fernyhough geschickt traumatische Kindheitsechos mit blumenkindischen Wirrweisheiten, Ausflügen ins dusterste Mittelalter und Trips ins Land der Drogenträume.
Der Titelheld und Ich-Erzähler des Romans, Finn Causley, teilt mit seinem Autor das Geburtsjahr 1968: die wunderlichen Genesis-Klänge sind ein Überbleibsel frühester Kindheit. In Finns Gegenwart brechen sich allzu viele Fluchtlinien der Vergangenheit, als dass es wirklich eine Gegenwart sein könnte. Abwesenheiten bedrängen ihn: der Verlust der Mutter, die vor zwanzig Jahren in einem nordenglischen Moor ums Leben kam; der Verzicht auf Anna, in die er sich vor sieben Jahren unter dem Sternenhimmel Australiens sterblich verliebte; der Abschied von Hen, seiner Frau, die an der Marienkrankheit leidet und von geistigen Absenzen zerfressen wird.
Finns Gegenwart wird verschüttet unter dem Gerümpel seiner Geschichte. „Das Problem ist die Geschichte, und die Lösung ist Bliss.” Das hieße allerdings, dass Lösung nur Auflösung sein kann, das Versinken im Nirwana: Bliss – Glückseligkeit – ist nämlich der perverse andere Name für die Marienkrankheit, an der Hen und andere Figuren erkranken. Fernyhough hat aus Aids und BSE seine Version der ultimativen Zivilisationskrankheit synthetisiert: ein Leiden, dessen Ursache wahlweise im sexuellen Exzess, im Drogenkonsum oder auch im psychotischen Bereich vermutet wird und daher Raum lässt für Verschwörungstheorien und andere fiktionale Simulationen. Die Befallenen tragen das eingefrorene Dauerlächeln der Glückseligkeit im Gesicht und sind zu nichts anderem mehr fähig als zu penibelsten Beschreibungen der sie umgebenden Objekte.
Eben an diesem Punkt kommt der Auktionator ins makabre Spiel. In einem Lagerhaus sammelt Finn die Hinterlassenschaften der Kranken und der Toten, „Krams, Krempel, Krimskrams und Kinkerlitzchen”, zwischengelagert zur Entlastung der Hinterbliebenen und schließlich öffentlich versteigert zur Mehrung des Profits und zur Minderung der Geschichte. Denn all diese Dinge haben keine Geschichte mehr, sobald das Gedächtnis ihrer Vorbesitzer versagt. Auktionator Finn muss ihnen ihre Geschichte erst wieder andichten, und was dabei herauskommt, ist der Verkaufskatalog, aus dem in gewisser Hinsicht der Roman besteht. „Aber stellen wir uns doch bloß mal so zum Spaß vor, ein Katalog sei eine Art Geschichte, wie Versteigerer sie sich selbst erzählen, wenn sie nicht einschlafen können, eine Geschichte mit einem Anfang, einer Mitte und einem Ende.”
Wo aber liegen die Anfänge, wohin weist das Ende? Zu den Relikten der Vergangenheit zählen Fragmente aus Finns eigener Geschichte, die er nicht auf die Reihe kriegt. Die eigentliche Leistung des Romans liegt in der Raffinesse, mit der Beschreibungswonnen und Rekonstruktionsversuche einander durchdringen, wobei sich die Realitäten gleichzeitig erschaffen und ausstreichen. Je präziser ein Objekt in den Blick genommen wird, um so unbarmherziger stellt sich heraus, dass ein jedes Objekt bloß Surrogat, Ersatz sein kann, Vorspiegelung einer Welt, die verloren ist für immer.
Aus Surrogaten gebaut ist der ganze virtuos zerfallende Roman: Finns Versuche, die Schlüssel zum einen Weltrelikt in einem anderen zu finden, müssen scheitern, weil katalogisierende Beschreibung immer Isolierung bedeutet. Wie, wenn die Frau, die man geheiratet hat, nur Surrogat ist für die, von der man träumt? Wie, wenn diese Frau der Träume auftaucht und sich ihrerseits als Surrogat für etwas herausstellt? Finns „Verabredung mit der verbotenen Vergangenheit” kann selbstverständlich auch nur im Nirwana der Marienkrankheit enden.
Fernyhoughs „Auktionator” ist eine wunderbare Leistung, weil es dem Autor gelingt, in der Auffächerung der Welt zu isolierten Dingen, Zeiten, Orten ein hochsuggestives und in jedem Detail hyperpräzises Abbild der allgegenwärtigen Desorientiertheit zu schaffen. Die Versuche, in der zweiten Romanhälfte all die disparaten Stränge doch zu einer Integralhandlung zu verschnüren, sind dabei leider nicht mehr halb so faszinierend wie die zuvor betriebenen Exzesse des Zerfalls. Muss denn wirklich alle Glückseligkeit an der platten Realität zuschanden werden?
FRIEDHELM RATHJEN
CHARLES FERNYHOUGH:: Der Auktionator. Roman. Aus dem Engl. von Rudolf Hermstein. Luchterhand Literaturverlag, München 2001. 480 S., 48 Mark.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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