1945 kehrt Gilbert Aldridge aus dem Zweiten Weltkrieg zurück zu seiner Familie. Während er die beschauliche Routine des Kleinstadtlebens genießt, durchstreift sein Sohn Lewis mit seiner schönen, rastlosen Mutter die Wälder - bis an einem Sommertag unten am Fluss ein schreckliches Unglück geschieht. Lewis bleibt allein und verstört zurück. Wenige Monate später wird ihm die junge Alice als neue Stiefmutter vorgestellt.
Lewis lebt fortan als Fremder im eigenen Haus; er sucht Zuflucht im Alkohol und in heimlichen Exzessen in einem Londoner Nachtclub. Seine Trauer und Wut entladen sich schließlich in einer weiteren Katastrophe.
1957 kehrt der 19jährige Lewis nach zweijähriger Haft aus dem Gefängnis zurück. Ehemalige Freunde und Nachbarn begegnen ihm mit Misstrauen: Wer nicht ist wie die anderen, muss zum Außenseiter werden. Immer wieder versucht Lewis einen neuen Anfang zu finden; immer tiefer gerät er in einen Strudel aus Gewalt, Verzweiflung und enttäuschter Hoffnung.
Sadie Jones' Roman über den "Außenseiter" Lewis ist von überwältigender Schönheit, eine leidenschaftliche und immens spannende Geschichte darüber, was mit denen geschieht, die die Regeln brechen, aber auch darüber, welches Schicksal jene ereilt, die die Regeln aufgestellt haben.
Lewis lebt fortan als Fremder im eigenen Haus; er sucht Zuflucht im Alkohol und in heimlichen Exzessen in einem Londoner Nachtclub. Seine Trauer und Wut entladen sich schließlich in einer weiteren Katastrophe.
1957 kehrt der 19jährige Lewis nach zweijähriger Haft aus dem Gefängnis zurück. Ehemalige Freunde und Nachbarn begegnen ihm mit Misstrauen: Wer nicht ist wie die anderen, muss zum Außenseiter werden. Immer wieder versucht Lewis einen neuen Anfang zu finden; immer tiefer gerät er in einen Strudel aus Gewalt, Verzweiflung und enttäuschter Hoffnung.
Sadie Jones' Roman über den "Außenseiter" Lewis ist von überwältigender Schönheit, eine leidenschaftliche und immens spannende Geschichte darüber, was mit denen geschieht, die die Regeln brechen, aber auch darüber, welches Schicksal jene ereilt, die die Regeln aufgestellt haben.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Sadie Jones' Roman "Der Außenseiter" über ein schwarzes Schaf in einem englischen Provinznest in den 50er Jahren kann Christoph Schröder wenig abgewinnen. Denn in diesem Roman wird zuviel geredet, zuviel erklärt, es werden zu viele Klischees bemüht und zu große Gefühle beschworen und überhaupt rein gar nichts unausgeleuchtet gelassen, beschwert sich der Rezensent. Und genau hier, am "Zuviel von allem", macht Schröder seine Diagnose des "Trivialen" fest, ein Etikett, das er ohne Zweifel auch dem vorliegenden Debütroman anzuheften gedenkt. Dabei sei unbestreitbar, dass die englische Autorin durchaus ein Händchen dafür habe, soghafte Spannung zu erzeugen und überhaupt ihre Zutaten für einen "gehobenen Unterhaltungsroman" einzusetzen wisse, gesteht der Rezensent zu.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.10.2008Und das Herz erbebt
Sadie Jones erzählt in ihrem Debütroman von der Doppelmoral der Provinz Von Christoph Schröder
Sie habe, sagt Sadie Jones, „einen tragischen Roman über die verwundete Seele eines jungen Menschen geschrieben, für den es aber dennoch Hoffnung, Freundschaft und Liebe gibt.” Genau genommen sagt sie das nicht, sondern schreibt es. In einem Brief an ihre Leser, der dem Buch beigelegt ist. Das ist praktisch und erleichtert die Arbeit des Rezensenten. Der weiß nun, womit er es zu tun hat. Der junge Mensch heißt Lewis Aldridge, und seine Seele ist deshalb verwundet, weil seine Mutter bei einem Badeunfall ums Leben gekommen ist und er im Alter von zehn Jahren hilflos zusehen musste. Seitdem macht Lewis nicht mehr das, was man von ihm erwartet, sondern nur noch schlimme Sachen. Der harte und strenge Vater kann leider auch nicht helfen, weil auch er eine verwundete Seele hat – er ist als Soldat aus dem Zweiten Weltkrieg heimgekehrt.
Wir schreiben die frühen fünfziger Jahre und befinden uns in der englischen Provinz; in einem kleinen Dorf, wo man sonntags noch zur Kirche geht und sich in den besseren Kreisen anschließend gemeinsam betrinkt – auf möglichst unauffällige Weise, versteht sich, und ohne dass darüber gesprochen wird. Ansonsten wird viel gesprochen in Sadie Jones’ Debüt, zu viel, vor allem von der Erzählstimme, die mit äußerster Rücksichtslosigkeit in ihre doch so sensiblen Figuren hineinfährt und deren Innenleben offen legt. Es mag eines der Kennzeichen des Trivialen sein, dass ihm ein Zuviel von allem anhaftet: „Aber immer noch war da ein Gefühl der Leere, als sei der Krieg zwar zu Ende, aber noch nicht wirklich vorbei. Es fühlte sich nicht an, als hätte etwas wirklich Neues begonnen, da sich alles um Wiederaufbau drehte.” Das mag als Stimmung einer Epoche durchaus gut getroffen sein, doch möchte man so etwas nicht lesen, sondern literarisch ausgeführt bekommen.
Doch Dezenz ist bei aller vermeintlichen Verletzlichkeit ihres Personals nicht Sadie Jones’ Stärke. Ihr Protagonist Lewis ist das schwarze Schaf der Gemeinschaft, unverstanden von allen, außer von Kit, der jüngeren Tochter der einflussreichsten Familie im Dorf, hinter deren Fassade, man ahnt es, die bloße Gewalttätigkeit herrscht. Lewis’ Vater heiratet eine jüngere Frau (deren Seele wegen anhaltender Lieblosigkeit schnell wund wird); Lewis selbst beginnt zu trinken, sich selbst zu verletzen, zündet schließlich die Kirche (ausgerechnet!) an und landet im Gefängnis. Es ist offensichtlich, dass Sadie Jones einen gehobenen Unterhaltungsroman schreiben wollte, und man kann dem Buch guten Gewissens Pageturner-Eigenschaften und eine geradezu musterhafte technische Stimmigkeit zuerkennen. Doch noch einmal: Es ist zu viel des Guten und zu viel des Bösen. Allein in einem einzigen Absatz „flappten und knatterten die Markisen”, die Sonne „blitzte so grell auf den Blechblasinstrumenten auf, dass es in den Augen wehtat”, und der Strand war „so aufgeheizt, dass er glühte”. Über ein Zwillings-Brüderpaar heißt es, dass es möglicherweise „einfach nicht genug Persönlichkeit für sie beide” gab: „Vielleicht hatten sie sich die Materialien, aus denen sie gemacht waren, teilen müssen.” Als Lewis die sonntäglichen Kirchenbesucher betrachtet, sieht er „schwarze, klaffende Löcher, in ihrer Brust, da, wo eigentlich das Herz sein sollte”, und als er aus dem Gefängnis zurückkommt, fragt seine Stiefmutter allen Ernstes: „Bist du immer noch so zerbrochen?” Kurz darauf heißt es: „Sie beugte sich vor und küsste seinen Arm, küsste die Narben an seinem Arm, und es war, als erbebe die Welt um sie herum.”
Alles wird auserzählt; nichts bleibt offen. Man wünscht sich einen Antipathosbesen, um all diese schrecklichen Traurigkeiten, schmerzhaften Gefühle, Klischees und Sprachfertigbausteine aus dem Roman zu fegen. Großbürgerliche Doppelmoral, verbotene Liebe, pubertäres Erwachen und ein kleines bisschen Verruchtheit aus der Großstadt London, wo sich ältere Frauen in Jazzkneipen an unschuldige Jünglinge heranschmeißen – „Der Außenseiter” hat im Grunde alles, was ein Erfolgsbuch braucht. Noch einmal der Brief der Autorin: „Die erste Auflage war so schnell vergriffen, dass der Verlag mit dem Nachdrucken gar nicht hinterherkam.” Für Hoffnung, Freundschaft und Liebe gibt es eben immer einen Markt.
Sadie Jones
Der Außenseiter
Roman. Aus dem Englischen von Brigitte Walitzek. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2008. 412 Seiten, 22,90 Euro.
„Der Außenseiter” hat im Grunde alles das, was ein richtiges Erfolgsbuch braucht
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Sadie Jones erzählt in ihrem Debütroman von der Doppelmoral der Provinz Von Christoph Schröder
Sie habe, sagt Sadie Jones, „einen tragischen Roman über die verwundete Seele eines jungen Menschen geschrieben, für den es aber dennoch Hoffnung, Freundschaft und Liebe gibt.” Genau genommen sagt sie das nicht, sondern schreibt es. In einem Brief an ihre Leser, der dem Buch beigelegt ist. Das ist praktisch und erleichtert die Arbeit des Rezensenten. Der weiß nun, womit er es zu tun hat. Der junge Mensch heißt Lewis Aldridge, und seine Seele ist deshalb verwundet, weil seine Mutter bei einem Badeunfall ums Leben gekommen ist und er im Alter von zehn Jahren hilflos zusehen musste. Seitdem macht Lewis nicht mehr das, was man von ihm erwartet, sondern nur noch schlimme Sachen. Der harte und strenge Vater kann leider auch nicht helfen, weil auch er eine verwundete Seele hat – er ist als Soldat aus dem Zweiten Weltkrieg heimgekehrt.
Wir schreiben die frühen fünfziger Jahre und befinden uns in der englischen Provinz; in einem kleinen Dorf, wo man sonntags noch zur Kirche geht und sich in den besseren Kreisen anschließend gemeinsam betrinkt – auf möglichst unauffällige Weise, versteht sich, und ohne dass darüber gesprochen wird. Ansonsten wird viel gesprochen in Sadie Jones’ Debüt, zu viel, vor allem von der Erzählstimme, die mit äußerster Rücksichtslosigkeit in ihre doch so sensiblen Figuren hineinfährt und deren Innenleben offen legt. Es mag eines der Kennzeichen des Trivialen sein, dass ihm ein Zuviel von allem anhaftet: „Aber immer noch war da ein Gefühl der Leere, als sei der Krieg zwar zu Ende, aber noch nicht wirklich vorbei. Es fühlte sich nicht an, als hätte etwas wirklich Neues begonnen, da sich alles um Wiederaufbau drehte.” Das mag als Stimmung einer Epoche durchaus gut getroffen sein, doch möchte man so etwas nicht lesen, sondern literarisch ausgeführt bekommen.
Doch Dezenz ist bei aller vermeintlichen Verletzlichkeit ihres Personals nicht Sadie Jones’ Stärke. Ihr Protagonist Lewis ist das schwarze Schaf der Gemeinschaft, unverstanden von allen, außer von Kit, der jüngeren Tochter der einflussreichsten Familie im Dorf, hinter deren Fassade, man ahnt es, die bloße Gewalttätigkeit herrscht. Lewis’ Vater heiratet eine jüngere Frau (deren Seele wegen anhaltender Lieblosigkeit schnell wund wird); Lewis selbst beginnt zu trinken, sich selbst zu verletzen, zündet schließlich die Kirche (ausgerechnet!) an und landet im Gefängnis. Es ist offensichtlich, dass Sadie Jones einen gehobenen Unterhaltungsroman schreiben wollte, und man kann dem Buch guten Gewissens Pageturner-Eigenschaften und eine geradezu musterhafte technische Stimmigkeit zuerkennen. Doch noch einmal: Es ist zu viel des Guten und zu viel des Bösen. Allein in einem einzigen Absatz „flappten und knatterten die Markisen”, die Sonne „blitzte so grell auf den Blechblasinstrumenten auf, dass es in den Augen wehtat”, und der Strand war „so aufgeheizt, dass er glühte”. Über ein Zwillings-Brüderpaar heißt es, dass es möglicherweise „einfach nicht genug Persönlichkeit für sie beide” gab: „Vielleicht hatten sie sich die Materialien, aus denen sie gemacht waren, teilen müssen.” Als Lewis die sonntäglichen Kirchenbesucher betrachtet, sieht er „schwarze, klaffende Löcher, in ihrer Brust, da, wo eigentlich das Herz sein sollte”, und als er aus dem Gefängnis zurückkommt, fragt seine Stiefmutter allen Ernstes: „Bist du immer noch so zerbrochen?” Kurz darauf heißt es: „Sie beugte sich vor und küsste seinen Arm, küsste die Narben an seinem Arm, und es war, als erbebe die Welt um sie herum.”
Alles wird auserzählt; nichts bleibt offen. Man wünscht sich einen Antipathosbesen, um all diese schrecklichen Traurigkeiten, schmerzhaften Gefühle, Klischees und Sprachfertigbausteine aus dem Roman zu fegen. Großbürgerliche Doppelmoral, verbotene Liebe, pubertäres Erwachen und ein kleines bisschen Verruchtheit aus der Großstadt London, wo sich ältere Frauen in Jazzkneipen an unschuldige Jünglinge heranschmeißen – „Der Außenseiter” hat im Grunde alles, was ein Erfolgsbuch braucht. Noch einmal der Brief der Autorin: „Die erste Auflage war so schnell vergriffen, dass der Verlag mit dem Nachdrucken gar nicht hinterherkam.” Für Hoffnung, Freundschaft und Liebe gibt es eben immer einen Markt.
Sadie Jones
Der Außenseiter
Roman. Aus dem Englischen von Brigitte Walitzek. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2008. 412 Seiten, 22,90 Euro.
„Der Außenseiter” hat im Grunde alles das, was ein richtiges Erfolgsbuch braucht
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