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Hermann Josef Abs, dessen Leben fast das gesamte 20. Jahrhundert umspannt, war der mächtigste Bankier seiner Zeit. Sein Name ist bis heute ein Synonym für den oft mehr erahnten als greifbaren Einfluß des "Kapitals" auf Politik und Wirtschaft. Lothar Galls faszinierende Biographie zeigt einen Bankier bei der Arbeit, der wie kein zweiter die Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert mitgestaltet hat.

Produktbeschreibung
Hermann Josef Abs, dessen Leben fast das gesamte 20. Jahrhundert umspannt, war der mächtigste Bankier seiner Zeit. Sein Name ist bis heute ein Synonym für den oft mehr erahnten als greifbaren Einfluß des "Kapitals" auf Politik und Wirtschaft. Lothar Galls faszinierende Biographie zeigt einen Bankier bei der Arbeit, der wie kein zweiter die Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert mitgestaltet hat.
Autorenporträt
Lothar Gall, geboren 1936, ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Frankfurt am Main. Er ist u. a. Träger des Leibniz-Preises und des Balzan-Preises.
Rezensionen
'Die Lektüre ist ein Muss weit über den Zirkel von Bankiers und Industriellen hinaus.' Thomas Fischer, Der Spiegel spezial

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.10.2004

Die Sehnsucht des Bankiers nach Ordnung
Der Historiker Lothar Gall über Hermann Josef Abs, den legendären Chef der Deutschen Bank

VON GERALD BRAUNBERGER

Ein Bankier wird kaum zum Sujet einer Biographie aus der Feder eines angesehenen Historikers, wenn er lediglich Kredite vergibt oder mit Aktien handelt. Hermann Josef Abs (1901 bis 1994) verstand sich nicht nur als eine Institution - er war eine. Privatbankier bei Delbrück, Vorstandssprecher der Deutschen Bank und der Kreditanstalt für Wiederaufbau, Multi-Aufsichtsrat, internationaler Finanzfachmann, Regierungsberater, Diplomat, Kunstsammler, Mäzen und nicht zuletzt begnadeter Selbstdarsteller: Abs blieb lange der bekannteste Vertreter der deutschen Wirtschaft - und ein höchst umstrittener Mann. Sein Erfolgsrezept: Er war ein ungewöhnlich talentierter Netzwerker. Abs kannte jeden, vergaß niemanden. Der Rheinländer wurde so zur Verkörperung des rheinischen Kapitalismus, eines auf persönlichen Beziehungen und Konsens bestehenden Nachkriegsdeutschlands, das sich allmählich aufzulösen scheint. Denn auch das ist Abs: Obgleich erst zehn Jahre tot, wirkt er wie ein Mann einer längst vergangenen Epoche.

Der Frankfurter Historiker und erfahrene Biograph Lothar Gall hat, gestützt auf den bislang unzugänglichen Aktennachlaß, eine dicht geschriebene, sich gelegentlich in Details verlierende Lebensbeschreibung verfaßt, die wichtige Einblicke in die Vita des eher zugeknöpften Bankiers gestattet, den Leser aber auch hier und da etwas unbefriedigt läßt.

Der aus einer Bonner Juristenfamilie stammende Abs war ein ehrgeiziger, früh zu Arroganz neigender Senkrechtstarter, der es mit Mitte Dreißig zum gut verdienenden Geschäftsinhaber des Berliner Privatbankhauses Delbrück brachte. Im Jahre 1938 wechselte Abs als Vorstand für das Auslandsgeschäft zur Deutschen Bank. Dort wurde er schlechter bezahlt, doch lockte ihn die Macht. Seine neue Position verglich der von Barockmusik Begeisterte mit einer Stelle als Domorganist, der auf einer wundervollen Orgel mit 5 Manualen und 72 lebenden Registern spielen könne: "die Sehnsucht eines Orgelspielers". Macht blieb für Abs kein Selbstzweck. Nutzen wollte er sie, um "Dinge, die der Ordnung bedürfen, in Ordnung zu halten oder zu bringen". Eine anspruchsvolle, man könnte mit Blick auf die Ordnungsfixierung auch sagen: eine sehr deutsche Selbstverpflichtung.

Abs' Verhalten während des Dritten Reiches bleibt bis heute Gegenstand der Kontroverse. Die Deutsche Bank suchte im Zweiten Weltkrieg in den eroberten Gebieten Fuß zu fassen - mit dem Auslandsvorstand Abs in einer prominenten Rolle. Zudem besaß er eine erhebliche Zahl von Aufsichtsratsmandaten; darunter bei der I.G. Farben, die KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter beschäftigte. Viel später gestand Abs, von dem "furchtbaren Geschehen in Majdanek oder Auschwitz" gewußt zu haben: "Sich dahinter zu verschanzen, daß man nichts davon wußte, nehme ich nur wenigen ab." Gall schließt, man könne Abs sowohl als Mitläufer wie als Mittäter wie als einen Mann mit Kontakten zum Widerstand beschreiben - eine vielleicht allzu vage Äußerung. Fest steht, daß Abs' hohes Ansehen im westlichen Ausland unter den Kriegsereignissen kaum litt. Nach einer kurzen Zwangspause etablierte sich Abs in der jungen Bundesrepublik als mächtige Spinne in einem eindrucksvollen Beziehungsnetz. Er leitete zunächst die neugegründete Kreditanstalt für Wiederaufbau und ab 1957 die Deutsche Bank, saß in mehr als 20 Aufsichtsräten, ging bei Adenauer und Erhard ein und aus. Abs leitete die Bonner Delegation bei den Londoner Verhandlungen zur Regelung der deutschen Auslandsschulden, beriet Entwicklungsländer und baute die im Krieg verlorenen Auslandsbeziehungen der Deutschen Bank wieder auf. Als Mann des Ausgleichs fand er zum Ärger der Großindustrie freundliche Worte für Gewerkschaften und Mitbestimmung. Der gläubige Katholik unterhielt enge Kontakte zum Heiligen Stuhl. Diese Omnipräsenz begriff Abs als ureigenen Beitrag zur Sicherung der westdeutschen Nachkriegsordnung. Für seine Gegner war er der Inbegriff der Macht des Geldes.

Die Welt dieses Mannes bestand, den Prinzipien seiner Zeit gemäß, aus dem Beziehungsgeflecht mächtiger Individuen, nicht, wie man es heute sieht, aus an Regeln gebundenen Institutionen. Deshalb konnte die Welt des Hermann Josef Abs keinen Bestand haben. Der Bundestag beschränkte in den sechziger Jahren in einer "Lex Abs" die Zahl der für eine Person zulässigen Aufsichtsratsmandate auf 10. Seitdem ist dem noch bestehenden Beziehungsnetz der deutschen Wirtschaft die Spinne abhanden gekommen. Und auch in der Deutschen Bank ist Abs nur noch eine Legende.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Noch zu Lebzeiten erkannte der Bankier Hermann Josef Abs, dass er das Mitglied einer aussterbenden Spezies war. Schon der Titel des Buches deutet es an: Als Vorstandssprecher und später Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank war er im strengen und heute geltenden Sinne "Angestellter" der Bank, nicht Bankier. Mit großer Selbstverständlichkeit aber nahm er sich als solcher wahr und wurde auch als solcher akzeptiert. Zu nahe war er der Macht, zu einflussreich, zu staatsmännisch trat er an der Seite Adenauers auf. Die Biografie von Lothar Gall spart freilich die Jahre Abs' im Dritten Reich nicht aus: Der Banker mag dabei als Vorstandsmitglied der Deutschen Bank eine gewisse, religiös begründet Distanz zum Regime gehabt haben, von jeder Form von "Widerstand" war und blieb er weit entfernt. Eine "direkte Mitschuld" an NS-Verbrechen lässt sich nach Galls Erkenntnissen aber nicht nachweisen. Die Biografie selbst preist der Rezensent Jürgen Jeske als "großen Wurf", mit dem Gall beweist, dass historische Seriosität und "fesselnde Geschichtserzählung" einander nicht ausschließen müssen.

© Perlentaucher Medien GmbH"