Auf dieses hervorragende, bereits 2021 in erster Auflage erschienene Buch wurde ich durch die Lektüre anderer Bücher des Haupt Verlages aufmerksam. Es widmet sich dem Bartgeier, dem beeindruckenden, mit fast 3 Meter Flügelspannweite größten Greifvogel der Alpen. Anfang des 20. Jahrhunderts war die
Art im gesamten Alpen ausgerottet, ab 1986 erfolgten die ersten Wiederauswilderungen. Heute gibt es…mehrAuf dieses hervorragende, bereits 2021 in erster Auflage erschienene Buch wurde ich durch die Lektüre anderer Bücher des Haupt Verlages aufmerksam. Es widmet sich dem Bartgeier, dem beeindruckenden, mit fast 3 Meter Flügelspannweite größten Greifvogel der Alpen. Anfang des 20. Jahrhunderts war die Art im gesamten Alpen ausgerottet, ab 1986 erfolgten die ersten Wiederauswilderungen. Heute gibt es wieder über 50 Brutreviere in den Alpen, mehr als 20 davon allein in der Schweiz.
In sehr interessanten Texten, bebildert mit den zahlreichen beeindruckenden Fotos von Hansruedi Weyrich, bringen uns am Anfang die Autoren zunächst die Lebensweise der großen Geierart nahe. Teilweise ist das Buch immer wieder bildbandartig gestaltet, aber die informativen Texte ergänzen den Bildbandcharakter sehr gut.
Der Bartgeier nimmt eine besondere Rolle im Naturhaushalt der Berge ein. Er ist in den meisten Vorkommensgebieten Europas ein reiner Aasfresser, muss sich aber nicht mit den anderen Aasverwertern balgen, denn er begnügt sich mit den Knochen, die die anderen übrig lassen. In einigen Gebieten Südosteuropas erschließt sich der Bartgeier auch „Frischkost“, wo er sich bis zu einem Fünftel von Landschildkröten ernährt. Diese werden am Boden aufgenommen und aus großer Höhe von oben auf Felsen fallen gelassen, bis der Panzer geknackt ist. Ich konnte dies selbst vor über 20 Jahren an den Meteora-Klöstern in Griechenland beobachten und fand auch einmal eine recht demolierte Breitrandschildkröte, die das aber überlebt hatte.
Die Brutzeit des Bartgeiers fällt in den Winter, nicht unpraktisch, denn im Winter und während der Schneeschmelze fallen besonders viele Opfer an von Gämsen oder Steinböcken, die z.B. durch Lawinenabgänge in die Tiefe gerissen werden.
Den Kapiteln zur Lebensweise folgt ein Exkurs zu den „Verwandten“ mit einem Überblick über die Geierarten der Erde, die „Altweltgeier“ Europas, Afrikas und Asiens sowie die „Neuweltgeier“ Nord- und Südamerikas. Erstere sind auch heute noch fast alle mehr oder weniger in ihren Beständen bedroht, vor allem die asiatischen Arten sind fast alle vom Aussterben bedroht. Die amerikanischen Arten sind mit Ausnahme des Kalifornischen Kondors allesamt nahezu ungefährdet, der Kalifornische Kondor war auch bereits fast ausgerottet. Den weiteren Arten, die in den Alpen, teils nur im Sommer, vorkommen – Gänse- Schmutz- und Mönchsgeier werden ausführlicher dargestellt, ebenfalls mit beeindruckenden Fotos.
Ausführlich wird im Anschluss die Geschichte der Ausrottung des Bartgeiers im Alpenraum dargestellt. Als vermeintlicher Schafsdieb und Kinderräuber wurde er gnadenlos verfolgt, völlig ohne Sinn, denn dass die Art zumindest in den Alpen, wo es keine Schildkröten gibt, nicht selbst Beute macht, müssen aufmerksame Beobachter der Tierwelt der Alpen schon immer gewusst haben. 1913 erfolgte der letzte dokumentierte Abschuss eines Bartgeiers im italienischen Aostatal.
Mit der Rückkehr oder Wiederausbreitung der wilden Huftiere der Alpen, also Gämse und Steinbock, letzterer ebenfalls durch Wiederansiedlungsprojekte, und einem Umdenken im Umgang mit Geiern eröffneten sich ab Mitte des 20. Jahrhunderts erste Chancen für eine Wiederansiedlung des Bartgeiers. Erste erfolgreiche Zuchten in Alpenzoos und ein nachfolgendes Zuchtprogramm und das Zusammenwirken vieler Enthusiasten – die im Buch teils in Kurzkapiteln in ihrem Wirken für den Bartgeier vorgestellt werden - ließen langsam Erfolge aufkommen, nachdem erste Auswilderungen zunächst scheiterten. 1986 war es dann soweit, dass im Rauristal in den Hohen Tauern die erfolgreiche Auswilderung begann, was dann auf weitere Gebiete der Alpen ausgedehnt wurde. Ab 1997 waren dann die ersten Wildbruten zu verzeichnen.
Ein längeres Kapiteln beschäftigt sich mit den Auswilderungsprojekten in der Schweiz einschließlich der Vorstellung der Akteure. Dem folgen Kapitel zu weiteren Auswilderungsgebieten in Europa. Danach wird aber auch klargemacht, dass die Geier Europas heute nach wie vor nicht ungefährdet sind. Immer noch werden Geier illegal gewildert und neue Gefahren wie Windkraftanlagen, Energiefernleitungen oder auch die zunehmenden Störungen durch den sich ausweitenden Tourismus auch in abgelegenen Regionen der Alpen sind zu verzeichnen. Ein besonders finsteres Kapitel über Vernichtungsfeldzüge gegen Geier in Afrika und Asien beschließt fast das Buch, bevor einige Geier, die in der Startphase der Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen eine besondere Rolle spielten, „persönlich“ vorgestellt werden.
Insgesamt ist das Buch ein beeindruckendes Plädoyer für die Wiederansiedlung heimischer Arten, die zuvor der gnadenlosen Verfolgung durch den Menschen zum Opfer fielen, im Falle des Bartgeiers völlig ohne Sinn, befördert durch Dummheit, Falschaussagen und Jagdwut. Unbedingt empfehlenswert nicht nur für Naturschützer.
Dr. Frank Zimmermann