Er war radikal und kompromisslos. Mit Charisma und Demagogie schwang sich der reiche Großbauer Franz Wieland (1850-1901) aus dem Gäubodendorf Hierlbach am Ende des 19. Jahrhunderts an die Spitze der jungen Bauernbundsbewegung, um die Landwirtschaft aus der politischen Bevormundung durch die traditionellen Autoritäten zu befreien. Darum fürchteten ihn die Beamten, predigten die Geistlichen gegen ihn und verachteten ihn die Adeligen. Die Bauern aber verehrten ihn.Der überraschende Fund seines schriftlichen Nachlasses erlaubt erstmals tiefe Einblicke in die Motive und die Denkweise dieses umstrittenen Politikers. Den Leser erwartet das Panorama einer politischen Agrargeschichte, bevölkert von rebellischen Bauern, geifernden Pfarrern und rechtbeugenden Bürokraten - eine spannende Zeitreise in diejenigen Winkel der Prinzregentenzeit, in der sie nicht kunstsinnig und glänzend war, sondern voll grober und derber Kraft.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.12.2010Von Sturköpfen, seltsamen Wörtern, Mördern und der guten alten Zeit: Bücher aus Bayern – nicht nur für Bayern
Der Dickschädel
Derb, stur, schlau: Die Wiederentdeckung des Franz Wieland
Als der Tod nahte, demonstrierte Franz Wieland noch mal seine ganze Wucht. Von wegen, er könne nur noch auf weichen Polstern sitzen und er vertrage kein Bier mehr! Zum Beleg seiner Rüstigkeit listete er einen Speisezettel auf, der geradezu überquoll von Knödeln, Rindfleisch, Ente, Semmelschmarrn, Wein – und Bier. Seine Gegner mochten Witze reißen über die bösen Folgen seiner Krankheit, er litt an Mastdarmkrebs, doch Wieland blieb kämpferisch, soweit es seine Kraft erlaubte. Trotz der üppigen Ernährung starb er am 17. September 1901. Er war einer der ersten großen Agrarpolitiker Bayerns, einer der stursten und unbestechlichsten.
Der Historiker Johann Kirchinger, ein ausgewiesener Experte bayerischer Landwirtschaftsgeschichte und Niederbayer wie einst Wieland, legt eine großartige Biographie vor, die jeder mit Gewinn und Freude lesen wird, der dem Bayern als solchen nachspüren und in die ländliche Gesellschaft der Prinzregentenzeit eintauchen will. So muss historisches Material, das Kirchinger in nicht weniger als zwölf Archiven zusammentrug, aufbereitet sein, so ist geschichtliche Literatur darzubieten, wenn sie ein breites Publikum begeistern soll: mit Sinn für Dramaturgie, mit Gespür für packende Zitate und kuriose Begebenheiten und doch mit der gebotenen Distanz des historischen Forschers. Gäb’s eine Rangliste für das Bayern-Sachbuch des Jahres, Johann Kirchingers „Der Bauernrebell“ wäre vorne dabei.
Franz Wieland, geboren 1850 in Gergweis, Bezirksamt Vilshofen, war ein Dickschädel par excellence. Seinen eigenen Hof, den er in Hierlbach erwarb, ordnete er seinen politischen Aktivitäten unter. Als Funktionär des Bauernbundes machte er sich viele Feinde, indem er im Stile eines demagogischen Freiheitskämpfers gegen die alten Eliten aufbegehrte, gegen den Adel, die Geistlichkeit, die Bürokratie. Wortgewaltig, wie er war, demütigte er seine Widersacher bei jeder Gelegenheit, selbst wenn sie ihm rhetorisch und intellektuell überlegen waren. Diese Defizite machte er spielend mit Sturheit, Derbheit und Bauernschläue wett. Viele Bauern schlossen sich ihm im Kampf gegen Bodenzinse dankbar an. Ihre Kontrahenten grölten sie nieder, und für den Fall, dass das nicht ausreichte, kamen sie mit Knüppeln in die Versammlungen.
Unweigerlich erinnert dieser Franz Wieland an Figuren aus den Stücken Ludwig Thomas. Keine Frage, Kirchinger hat eine schillernde Persönlichkeit aus der Versenkung der Geschichte geholt.
Rudolf Neumaier
Johann Kirchinger: Der Bauernrebell. Das Leben des streitbaren Landtagsabgeordneten Franz Wieland, Ökonom in Hierlbach, Post Straubing. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2010, 288 Seiten, 22 Euro.
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Der Dickschädel
Derb, stur, schlau: Die Wiederentdeckung des Franz Wieland
Als der Tod nahte, demonstrierte Franz Wieland noch mal seine ganze Wucht. Von wegen, er könne nur noch auf weichen Polstern sitzen und er vertrage kein Bier mehr! Zum Beleg seiner Rüstigkeit listete er einen Speisezettel auf, der geradezu überquoll von Knödeln, Rindfleisch, Ente, Semmelschmarrn, Wein – und Bier. Seine Gegner mochten Witze reißen über die bösen Folgen seiner Krankheit, er litt an Mastdarmkrebs, doch Wieland blieb kämpferisch, soweit es seine Kraft erlaubte. Trotz der üppigen Ernährung starb er am 17. September 1901. Er war einer der ersten großen Agrarpolitiker Bayerns, einer der stursten und unbestechlichsten.
Der Historiker Johann Kirchinger, ein ausgewiesener Experte bayerischer Landwirtschaftsgeschichte und Niederbayer wie einst Wieland, legt eine großartige Biographie vor, die jeder mit Gewinn und Freude lesen wird, der dem Bayern als solchen nachspüren und in die ländliche Gesellschaft der Prinzregentenzeit eintauchen will. So muss historisches Material, das Kirchinger in nicht weniger als zwölf Archiven zusammentrug, aufbereitet sein, so ist geschichtliche Literatur darzubieten, wenn sie ein breites Publikum begeistern soll: mit Sinn für Dramaturgie, mit Gespür für packende Zitate und kuriose Begebenheiten und doch mit der gebotenen Distanz des historischen Forschers. Gäb’s eine Rangliste für das Bayern-Sachbuch des Jahres, Johann Kirchingers „Der Bauernrebell“ wäre vorne dabei.
Franz Wieland, geboren 1850 in Gergweis, Bezirksamt Vilshofen, war ein Dickschädel par excellence. Seinen eigenen Hof, den er in Hierlbach erwarb, ordnete er seinen politischen Aktivitäten unter. Als Funktionär des Bauernbundes machte er sich viele Feinde, indem er im Stile eines demagogischen Freiheitskämpfers gegen die alten Eliten aufbegehrte, gegen den Adel, die Geistlichkeit, die Bürokratie. Wortgewaltig, wie er war, demütigte er seine Widersacher bei jeder Gelegenheit, selbst wenn sie ihm rhetorisch und intellektuell überlegen waren. Diese Defizite machte er spielend mit Sturheit, Derbheit und Bauernschläue wett. Viele Bauern schlossen sich ihm im Kampf gegen Bodenzinse dankbar an. Ihre Kontrahenten grölten sie nieder, und für den Fall, dass das nicht ausreichte, kamen sie mit Knüppeln in die Versammlungen.
Unweigerlich erinnert dieser Franz Wieland an Figuren aus den Stücken Ludwig Thomas. Keine Frage, Kirchinger hat eine schillernde Persönlichkeit aus der Versenkung der Geschichte geholt.
Rudolf Neumaier
Johann Kirchinger: Der Bauernrebell. Das Leben des streitbaren Landtagsabgeordneten Franz Wieland, Ökonom in Hierlbach, Post Straubing. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2010, 288 Seiten, 22 Euro.
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