Im Rahmen der Überarbeitung zentraler Handbücher zur Diagnose und Einordnung psychischer Erkrankungen wird momentan heftig darüber gestritten, wie lange beispielsweise ein Mensch nach dem Tod eines nahen Angehörigen trauern darf, ohne als depressiv oder anderweitig psychisch krank zu gelten. In der Debatte stehen Versorgungsansprüche der Betroffenen sowie deren Ängste vor Pathologisierung und Bevormundung einer medizinischen Wissenschaft gegenüber, die festlegen muss, was als "normal" gelten darf. Der Mediziner und Philosoph Andreas Heinz plädiert angesichts der Diversität menschlicher Lebensformen für einen philosophisch informierten Krankheitsbegriff, der Krankheit als Störung wesentlicher Organfunktionen definiert, die für die betroffene Person schädlich sind oder erhebliches Leid verursachen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Psychische Krankheiten sind ein weites, heikles und hochkomplexes Feld, weiß Petra Gehring: die Selbstbestimmung des Patienten, die Normen der Gesellschaft, die Geldflüsse der Krankenhäuser hängen davon ab, was als psychische Krankheit definiert ist und was nicht. In seiner Studie verschafft Andreas Heinz einen Überblick über das Thema und die Probleme, bleibt jedoch weitgehend hilfreiche Antworten und Auswege schuldig, bedauert die Rezensentin. Die Absicht, die Debatte mit den Anthropologien Kants und Helmut Plessners zu unterfüttern, wird Heinz nur teilweise gerecht, zu unsystematisch ist seine Argumentation, meint Gehring, die das Werk daher "eher als Problemaufriss denn als Stellungnahme" empfehlen kann.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Das Ergebnis ist eine empathische Anerkennung psychischen Leidens, aber auch ein Plädoyer gegen voranschreitende Pathologisierungen - und eine beeindruckende Verteidigung der Vielfalt des menschlichen In-der-Welt-Seins.« Daniel Schreiber Philosophie Magazin