Ein belangloser Zettel auf dem Fußboden und eine Bäuerin, namens Josephine Roy, die sich danach bückt und ihn in ihrer Faust verschwinden lassen will. Es ist die Schlüsselszene in dem vorliegenden wunderbaren Kriminalroman, wie ihn nur Georges Simenon schreiben kann.
Was ist geschehen? Vor dem
abgelegenen Hof der reichen Bauernfamilie Roy wird ein Fahrradfahrer von einem Auto angefahren.…mehrEin belangloser Zettel auf dem Fußboden und eine Bäuerin, namens Josephine Roy, die sich danach bückt und ihn in ihrer Faust verschwinden lassen will. Es ist die Schlüsselszene in dem vorliegenden wunderbaren Kriminalroman, wie ihn nur Georges Simenon schreiben kann.
Was ist geschehen? Vor dem abgelegenen Hof der reichen Bauernfamilie Roy wird ein Fahrradfahrer von einem Auto angefahren. Während der Verunfallte im Straßengraben liegt, begeht der Schuldige Fahrerflucht. Man holt den Schwerverletzten ins Haus, wo sich bald zwei Ärzte und Wachmeister Liberge um ihn kümmern. Aber er ist nicht ansprechbar und transportunfähig, sodass er noch einige Tage in der Dachkammer der Roys bleiben muss.
Niemand kennt den Verletzten. Er hat einen Koffer mit einer Menge Geld bei sich und in seiner Hosentasche findet man den bewussten Zettel mit der Anschrift der Roys. Woher hat er ihre Adresse? Liberge, ein äußerst dienstbeflissener Dorfpolizist, sieht darin ein erstes Beweisstück in dem kommenden Fall, den er mit fast preußischer Akribie verfolgen wird.
Aber nicht nur Wachtmeister Liberge auch Josephines Ehemann Etienne hat deren Ver-such, den Zettel verschwinden zu lassen, bemerkt. War es nur eine Instinkthandlung oder doch Absicht?
Nachdem der Unfallverursacher gefunden wird, ist klar, dass es sich nicht um einen Mordversuch handelt. Für Liberge steht nun im Mittelpunkt seiner Ermittlungen die Frage: „Was wollte der Unbekannte bei den Roy’s, wo ihn dort doch anscheinend keiner kennt?“ Liberge überwacht quasi den Bauernhof und notiert penibel seine Beobachtungen. Immer mehr vertieft er sich in die Vergangenheit von Josephine Roy, die nicht von hier ist und die ihm rätselhaft erscheint. Puzzle für Puzzle setzt er zusammen und taucht immer tiefer in die geheimnisvolle Familiengeschichte der Roy’s ein.
Josephine lebt in ständiger Angst, dass ihre Vergangenheit ans Tageslicht kommt und Etienne hegt einen Verdacht, der ihn schon jahrelang verfolgt. Schließlich kommt es in dem Bauernhaus zu einem tragischen Blutbad.
Den Roman über den großen Traum einer Frau, das Leben noch einmal zu beginnen, schrieb Simenon bereits 1941, doch er erschien erst drei Jahre später unter dem Originaltitel „Le rapport du gendarme“. 1987 wurde der Roman in Frankreich verfilmt und erschien in einer deutschen Erstausgabe im Diogenes Verlag. Diese Übersetzung wurde jetzt für die neue Edition der „Ausgewählten Romane“ noch einmal überarbeitet.
Manfred Orlick