Die Jurymitglieder feilschen, streiten und intrigieren, während die verzweifelt auf Ruhm hoffenden Autoren sich in erotischen Eskapaden und schierer Selbstüberschätzung verlieren. Pünktlich zur Verleihung des Deutschen Buchpreises ein wunderbar amüsanter, scharfzüngiger Roman "von einem der besten Autoren seiner Generation".- The Times
Wie immer steigt in den letzten Wochen vor der Verleihung des begehrten Elysischen Preises die Spannung ins Unermessliche. Und während jedes einzelne der überforderten Jurymitglieder seine ganz persönlichen Interessen verfolgt, bringen sich die Autoren in Stellung: Katherine Burns zum Beispiel, die begnadete Stilistin und Femme fatale, oder Sam Black, der liebestrunkene, vielversprechende Debütant, nicht zu vergessen der grenzenlos selbstgewisse Sonny, dessen Opus Magnum "Der Maulbeerbaum Elefant" natürlich von großen Gnaden ist. Eine missliche Fügung des Schicksals sorgt für eine außerordentlich originelle Entscheidung. - "Der beste Roman des Jahres" stellt mit seinem messerscharfen Humor und seinem pointensicheren Erzählen hintersinnige Fragen nach der Bedeutung der Literatur.
Wie immer steigt in den letzten Wochen vor der Verleihung des begehrten Elysischen Preises die Spannung ins Unermessliche. Und während jedes einzelne der überforderten Jurymitglieder seine ganz persönlichen Interessen verfolgt, bringen sich die Autoren in Stellung: Katherine Burns zum Beispiel, die begnadete Stilistin und Femme fatale, oder Sam Black, der liebestrunkene, vielversprechende Debütant, nicht zu vergessen der grenzenlos selbstgewisse Sonny, dessen Opus Magnum "Der Maulbeerbaum Elefant" natürlich von großen Gnaden ist. Eine missliche Fügung des Schicksals sorgt für eine außerordentlich originelle Entscheidung. - "Der beste Roman des Jahres" stellt mit seinem messerscharfen Humor und seinem pointensicheren Erzählen hintersinnige Fragen nach der Bedeutung der Literatur.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.08.2014Abschied von der Tyrannei schmerzlicher Literatur
Alle Zutaten stimmen, und doch . . . : Edward St Aubyns Satire "Der beste Roman des Jahres" tut niemandem weh
Dieser Roman stammt von einem der scharfsinnigsten, wortgewandtesten englischen Schriftsteller, er ist glänzend geschrieben, sehr komisch und höchst unterhaltsam. Es geht darin um Schriftsteller, Lektoren und Juroren, um hehre Ambitionen und herbe Enttäuschungen, um gute Manieren und Foul Play, um Ignoranz, Faulheit, Insidergeschäfte und Korruption, um etwas Sex und viel Alkohol - kurzum: Es geht um den englischen Literaturbetrieb und den Man Booker Prize, auch wenn die begehrteste literarische Auszeichnung des Commonwealth hier den Namen Elysia trägt. Die eigentliche Pointe dieser fiktiven Komödie über die schöne Literatur und ihren schnöden Markt aber liegt in der realen Figur ihres Verfassers, und sie ist überhaupt nicht lustig. Denn bei allem oberflächlichen Amüsement ist dieses Buch eine Enttäuschung - weil hier ein Autor weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt und ausgerechnet damit wahrscheinlich den bislang größten Erfolg seiner Schriftstellerkarriere landen wird.
"Lost for Words" heißt der um kein Wort verlegene Roman im Original, im Deutschen hat man daraus, in Anspielung auf den Deutschen Buchpreis und ungleich plakativer, den Titel "Der beste Roman des Jahres" gemacht. Denn genau um die Suche nach dem geht es beim Elysia-Preis. Bedenken gegenüber der Sinnhaftigkeit des ebenso traditionsreichen wie umstrittenen Unterfangens sind zwecklos: "Die Königin hat ihre Freude daran, und das ist Grund genug, an der Sache festzuhalten."
Die von Sir David Hampshire, einem früheren Staatssekretär im Auswärtigen Amt, frisch besetzte Jury besteht aus Jo Cross, einer bekannten Zeitungskolumnistin, die vorhat, jeden eingereichten Text einzig auf seine "Relevanz" abzuklopfen; Vanessa Shaw, einer Literaturhistorikerin, die dem Ganzen einen seriösen Anstrich geben soll und eine Stil-Fetischistin ist; Penny Feathers, einer zweitklassigen Krimischreiberin und ehemaligen Geliebten von Hampshire; sowie Tobias Benedict, in erster Linie Schauspieler, außerdem Patensohn von Hampshire und ein "seit frühester Kindheit begeisterter Leser". Den Vorsitz dieser kuriosen Runde übernimmt mit Malcolm Craig ein Hinterbänkler, dessen einzig echtes Interesse im Leben Schottland gilt und der auf keinen Fall mehr als einen Bruchteil der zweihundert eingereichten Romane querlesen will. Stattdessen nominiert er drei Romane, die in Schottland spielen oder von dort stammenden Autoren geschrieben wurden. Auch diese drei hat er natürlich nicht gelesen, sondern nur von ihnen.
Dem Totalausfall auf Juryseite stehen einige Autoren gegenüber, die sich Hoffnungen auf den Elysia machen. Da ist als flamboyanteste Figur Sonny aus vornehmer indischer Familie, der vorhat, Leser in aller Welt mit seinem Opus Magnum "Der Maulbeerelefant" zu beglücken; seine Tante, die ein Kochbuch verfasst hat, das eher aus Versehen und wegen seiner Exotik in die engere Wahl gerät; die Sirene Katherine Burns, die ihre zahllosen Affären sehr lässig handhabt, doch ihrem Lektor, der zugleich ihr Geliebter ist, niemals verzeihen wird, dass er das Manuskript ihres großen Romans "Tragweite" nicht rechtzeitig zum Abgabetermin beim Elysia eingereicht hat.
Und dann ist da noch Sam Black, Autor von zweiflerischen komplexen Texten, der endlich genug Erfolg haben will, "um aus eigener Erfahrung zu wissen, dass Erfolg eine verführerische Sackgasse war". Sein jüngstes Werk heißt "Der gefrorene Wildbach", und wenn das es auf die Shortlist des Preises schafft, glaubt Sam, sich endlich "von der Tyrannei jeder auf Schmerz gegründeten Kunst befreien zu können".
Nicht nur darin hat Sam Black Ähnlichkeit mit Edward St Aubyn, der bisher acht Bücher genau dieser schmerzlichen Art geschrieben hat, allen voran die autobiographisch grundierte fünfteilige Romanreihe um Patrick Melrose, Spross aus vermögender aristokratischer Familie, der als Kind vom Vater missbraucht und von der in das Verbrechen eingeweihten Mutter mit destruktiven Bemerkungen gequält wird und erst durch den Tod der Eltern die Chance bekommt, sich ein Stück weit von seiner Herkunft zu befreien. Das hat auch St Aubyn selbst getan: mit seiner Literatur, die indes keinen therapeutischen, sondern allein ästhetischen Ansprüchen verpflichtet ist. Mit seiner Melrose-Saga - "Schöne Verhältnisse", "Schlechte Neuigkeiten", "Nette Aussichten", "Muttermilch" und "Zu guter Letzt" - hat er ein urenglisches Topos revolutioniert. Wer seine Schilderungen der aristokratischen Lebenswelt liest, wird misstrauisch gegenüber den glorifizierend-wehmütigen Darstellungen von gepflegter Exzentrik, imposanten Landsitzen und Scharen von Bediensteten, wie sie von Dickens über Waughs "Wiedersehen mit Brideshead" bis zur Fernsehserie "Downton Abbey" zuverlässig für Faszination sorgen.
Auch was den eigenen künstlerischen Status angeht, dürfte St Aubyn seine Familie stets als Hindernis empfunden haben, die ihn zum Nestbeschmutzer degradierte. Lange Zeit fanden seine Werke nicht die Beachtung, die sie verdienen - nicht in seiner englischen Heimat und erst recht nicht im Ausland.
Jetzt ist St Aubyn Mitte fünfzig und legt einen Roman vor, der ohne Frage vergnüglich zu lesen ist. Das waren seine früheren Werke, bei allen darin verhandelten Leiden, auch. Erstmals aber tut sein Buch niemandem weh, nicht einmal jenen Figuren des Londoner Literaturbetriebs, die es offenkundig parodiert. Der aufgekratzte Tonfall, die genüsslich in ihrer Klischeehaftigkeit vorgestellten Figuren, der bis zum Slapstick gehende Humor - das alles sagt überdeutlich, dass man dieses Buch nicht ernst zu nehmen braucht. Das ist schade. Gerade St Aubyn hätte man eine Farce zugetraut, die den einen die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte und den anderen die Haare zu Berge hätte stehen lassen. Auf der Longlist zum diesjährigen Man Booker Preis steht der Roman übrigens nicht. Damit immerhin ist er, wenn man die Longlist zum deutschen Pendant als Vergleich heranzieht, in bester Gesellschaft.
FELICITAS VON LOVENBERG
Edward St Aubyn: "Der beste Roman des Jahres".
Aus dem Englischen von Nikolaus Hansen. Piper Verlag, München 2014. 253 S., geb., 16,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Alle Zutaten stimmen, und doch . . . : Edward St Aubyns Satire "Der beste Roman des Jahres" tut niemandem weh
Dieser Roman stammt von einem der scharfsinnigsten, wortgewandtesten englischen Schriftsteller, er ist glänzend geschrieben, sehr komisch und höchst unterhaltsam. Es geht darin um Schriftsteller, Lektoren und Juroren, um hehre Ambitionen und herbe Enttäuschungen, um gute Manieren und Foul Play, um Ignoranz, Faulheit, Insidergeschäfte und Korruption, um etwas Sex und viel Alkohol - kurzum: Es geht um den englischen Literaturbetrieb und den Man Booker Prize, auch wenn die begehrteste literarische Auszeichnung des Commonwealth hier den Namen Elysia trägt. Die eigentliche Pointe dieser fiktiven Komödie über die schöne Literatur und ihren schnöden Markt aber liegt in der realen Figur ihres Verfassers, und sie ist überhaupt nicht lustig. Denn bei allem oberflächlichen Amüsement ist dieses Buch eine Enttäuschung - weil hier ein Autor weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt und ausgerechnet damit wahrscheinlich den bislang größten Erfolg seiner Schriftstellerkarriere landen wird.
"Lost for Words" heißt der um kein Wort verlegene Roman im Original, im Deutschen hat man daraus, in Anspielung auf den Deutschen Buchpreis und ungleich plakativer, den Titel "Der beste Roman des Jahres" gemacht. Denn genau um die Suche nach dem geht es beim Elysia-Preis. Bedenken gegenüber der Sinnhaftigkeit des ebenso traditionsreichen wie umstrittenen Unterfangens sind zwecklos: "Die Königin hat ihre Freude daran, und das ist Grund genug, an der Sache festzuhalten."
Die von Sir David Hampshire, einem früheren Staatssekretär im Auswärtigen Amt, frisch besetzte Jury besteht aus Jo Cross, einer bekannten Zeitungskolumnistin, die vorhat, jeden eingereichten Text einzig auf seine "Relevanz" abzuklopfen; Vanessa Shaw, einer Literaturhistorikerin, die dem Ganzen einen seriösen Anstrich geben soll und eine Stil-Fetischistin ist; Penny Feathers, einer zweitklassigen Krimischreiberin und ehemaligen Geliebten von Hampshire; sowie Tobias Benedict, in erster Linie Schauspieler, außerdem Patensohn von Hampshire und ein "seit frühester Kindheit begeisterter Leser". Den Vorsitz dieser kuriosen Runde übernimmt mit Malcolm Craig ein Hinterbänkler, dessen einzig echtes Interesse im Leben Schottland gilt und der auf keinen Fall mehr als einen Bruchteil der zweihundert eingereichten Romane querlesen will. Stattdessen nominiert er drei Romane, die in Schottland spielen oder von dort stammenden Autoren geschrieben wurden. Auch diese drei hat er natürlich nicht gelesen, sondern nur von ihnen.
Dem Totalausfall auf Juryseite stehen einige Autoren gegenüber, die sich Hoffnungen auf den Elysia machen. Da ist als flamboyanteste Figur Sonny aus vornehmer indischer Familie, der vorhat, Leser in aller Welt mit seinem Opus Magnum "Der Maulbeerelefant" zu beglücken; seine Tante, die ein Kochbuch verfasst hat, das eher aus Versehen und wegen seiner Exotik in die engere Wahl gerät; die Sirene Katherine Burns, die ihre zahllosen Affären sehr lässig handhabt, doch ihrem Lektor, der zugleich ihr Geliebter ist, niemals verzeihen wird, dass er das Manuskript ihres großen Romans "Tragweite" nicht rechtzeitig zum Abgabetermin beim Elysia eingereicht hat.
Und dann ist da noch Sam Black, Autor von zweiflerischen komplexen Texten, der endlich genug Erfolg haben will, "um aus eigener Erfahrung zu wissen, dass Erfolg eine verführerische Sackgasse war". Sein jüngstes Werk heißt "Der gefrorene Wildbach", und wenn das es auf die Shortlist des Preises schafft, glaubt Sam, sich endlich "von der Tyrannei jeder auf Schmerz gegründeten Kunst befreien zu können".
Nicht nur darin hat Sam Black Ähnlichkeit mit Edward St Aubyn, der bisher acht Bücher genau dieser schmerzlichen Art geschrieben hat, allen voran die autobiographisch grundierte fünfteilige Romanreihe um Patrick Melrose, Spross aus vermögender aristokratischer Familie, der als Kind vom Vater missbraucht und von der in das Verbrechen eingeweihten Mutter mit destruktiven Bemerkungen gequält wird und erst durch den Tod der Eltern die Chance bekommt, sich ein Stück weit von seiner Herkunft zu befreien. Das hat auch St Aubyn selbst getan: mit seiner Literatur, die indes keinen therapeutischen, sondern allein ästhetischen Ansprüchen verpflichtet ist. Mit seiner Melrose-Saga - "Schöne Verhältnisse", "Schlechte Neuigkeiten", "Nette Aussichten", "Muttermilch" und "Zu guter Letzt" - hat er ein urenglisches Topos revolutioniert. Wer seine Schilderungen der aristokratischen Lebenswelt liest, wird misstrauisch gegenüber den glorifizierend-wehmütigen Darstellungen von gepflegter Exzentrik, imposanten Landsitzen und Scharen von Bediensteten, wie sie von Dickens über Waughs "Wiedersehen mit Brideshead" bis zur Fernsehserie "Downton Abbey" zuverlässig für Faszination sorgen.
Auch was den eigenen künstlerischen Status angeht, dürfte St Aubyn seine Familie stets als Hindernis empfunden haben, die ihn zum Nestbeschmutzer degradierte. Lange Zeit fanden seine Werke nicht die Beachtung, die sie verdienen - nicht in seiner englischen Heimat und erst recht nicht im Ausland.
Jetzt ist St Aubyn Mitte fünfzig und legt einen Roman vor, der ohne Frage vergnüglich zu lesen ist. Das waren seine früheren Werke, bei allen darin verhandelten Leiden, auch. Erstmals aber tut sein Buch niemandem weh, nicht einmal jenen Figuren des Londoner Literaturbetriebs, die es offenkundig parodiert. Der aufgekratzte Tonfall, die genüsslich in ihrer Klischeehaftigkeit vorgestellten Figuren, der bis zum Slapstick gehende Humor - das alles sagt überdeutlich, dass man dieses Buch nicht ernst zu nehmen braucht. Das ist schade. Gerade St Aubyn hätte man eine Farce zugetraut, die den einen die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte und den anderen die Haare zu Berge hätte stehen lassen. Auf der Longlist zum diesjährigen Man Booker Preis steht der Roman übrigens nicht. Damit immerhin ist er, wenn man die Longlist zum deutschen Pendant als Vergleich heranzieht, in bester Gesellschaft.
FELICITAS VON LOVENBERG
Edward St Aubyn: "Der beste Roman des Jahres".
Aus dem Englischen von Nikolaus Hansen. Piper Verlag, München 2014. 253 S., geb., 16,99 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Etwaige Befürchtungen gegenüber diesem Schlüsselroman kann Marion Löhndorf aus dem Weg räumen: Edward St. Aubyns Persiflage auf den Literaturbetrieb sei auch ohne nähere Kenntnis des beteiligten Personals verständlich und vergnüglich und in keiner Weise das Produkt eines beleidigten Autors. Hohn und Spott auf eine selbstreferenzielle Literaturszene hat Löhndorf hier zur Genüge gefunden, doch rutsche St. Aubyns Prosa nie ins Beleidigte, versichert sie, der Ton bleibe stets kühl, der Witz schneidend und die "intellektuelle Messlatte" hoch. Respekt zollt sie dem Autor auch dafür, dass er sich nicht nur nur an Kritikern und Medien abarbeitet, sondern mit "fröhlicher Gründlichkeit" alle Seiten des Literaturbetriebs angehe, Schriftsteller und Verleger eingeschlossen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"'Der beste Roman des Jahres' ist ein hinreißend kluges kleines Buch geworden.", Stern, 04.09.2014