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Es ist die Geschichte von drei Männern im Paris der 80er Jahre. Da ist der homosexuelle Willie, der aus der Provinz nach Paris gekommen ist, um »den Kokon in einen Schmetterling zu verwandeln«. Er geht mit der Mode, wird später Skandalschriftsteller, den die Medien zerreißen. Dominique Rossi ist ein charismatischer Schönling und politischer Linksaußen, er gründet die erste Schwulenbewegung Frankreichs Der dritte, Jean-Michel Leibowitz, repräsentiert jene Art des kultivierten jüdischen Pariser Intellektuellen, den das Fernsehen liebt. Willie und Dominique sind erst ein Paar, dann verfeindet.…mehr

Produktbeschreibung
Es ist die Geschichte von drei Männern im Paris der 80er Jahre. Da ist der homosexuelle Willie, der aus der Provinz nach Paris gekommen ist, um »den Kokon in einen Schmetterling zu verwandeln«. Er geht mit der Mode, wird später Skandalschriftsteller, den die Medien zerreißen. Dominique Rossi ist ein charismatischer Schönling und politischer Linksaußen, er gründet die erste Schwulenbewegung Frankreichs Der dritte, Jean-Michel Leibowitz, repräsentiert jene Art des kultivierten jüdischen Pariser Intellektuellen, den das Fernsehen liebt. Willie und Dominique sind erst ein Paar, dann verfeindet. Jean-Michel mutiert zum Salonphilosophen und verliert, zu sehr von der Macht fasziniert, seine Überzeugungen. Die Journalistin Elisabeth Levallois, die Freundin Willies, die Kollegin Dominiques und die Geliebte von Jean-Michel, berichtet vom Leben der drei Männer, die jeder auf seine Weise das kulturelle Paris repräsentieren. Alle vier erleben eine Geschichte von Leidenschaft und Verrat in einem Paris, das Ende der 80er Jahre zur Hauptstadt von Sex und Tod wird.
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Autorenporträt
Tristan Gracia, 1981 in Toulouse geboren, besuchte die École Normale Supérieure und unterrichtet heute Philosophie an der Universität von Lyon III. Für sein vielbeachtetes Debüt »Der beste Teil der Menschen« (FVA 2010) erhielt er den »Prix de Flore«, den Preis für das beste französischsprachige Buch eines jungen Autors.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.2011

Betriebsnudel
Tristan Garcia entzaubert die Pariser Intelligenz

Seit der Aufklärung gibt es in Frankreich die Gattung des "conte philosophique", der philosophischen Erzählung, in der fundamentale Thesen und Fragen mittels literarischer Figuren und Motive problematisiert werden. Voltaire hat die Gattung rhetorisch geschickt auf die Spitze getrieben, Diderot hat sie ins skeptische Paradox übersteigert; Thesenromane, etwa die Michel Houellebecqs, sind Erben der vitalen Gattung. Auch Tristan Garcia erzählt in philosophischer Tradition: Sein Erstlingsroman "Der beste Teil der Menschen", den der damals erst siebenundzwanzig Jahre alte Absolvent der Eliteschule École normale supérieure 2008 in Frankreich veröffentlicht hat, stellt die Frage nach dem, was im Menschen wertvoll sei, die sichtbaren Werke und Erfolge oder der verborgene Kern.

Bevor er zu derart grundsätzlichen Fragen kommt, erzählt Garcia zunächst von großen Gefühlen, von Liebe, Verrat und auch von Treue: William Miller (Willie), extravaganter Star der Homosexuellenszene, Dominique Rossi (Doum), Anti-Aids-Aktivist, und Jean-Michel Leibowitz (Leibo), ein öffentlicher Intellektueller, der eine steile Denkkarriere von links nach rechts durchläuft, treffen im Paris der achtziger, neunziger und zweitausender Jahre aufeinander. Zentrum des instabilen Dreiecks ist Elizabeth Levallois (Liz), Journalistin bei der Tageszeitung "Libération": "Es gibt endgültige Leute und andere, die lediglich Transmissionsriemen sind. Angesichts meines Alters ist klar, dass ich zur zweiten Kategorie gehöre." Liz ist mit allen befreundet, Leibo unterhält eine außereheliche Beziehung mit ihr - sie, die treue Seele, lehnt sich weder hier noch an anderer Stelle auf. Mit ihr verfolgt der Leser, wie sich Willie und Doum erst lieben und dann hassen, wie Leibo und Doum Freunde werden, dann Feinde, dann wieder Freunde; wie Willie Doum und Leibo attackiert und schließlich von beiden medial exekutiert wird.

Eigentliches Zentrum des Romans ist Willie, der Provinzler aus Amiens, der wie ein Balzac-Held vom Niemand zum Idol wird. Sein schillernder Charakter zeichnet sich dadurch aus, dass er nichts recht kann, Freunde systematisch verrät, immer seinen Launen folgt - und dass es ihm trotzdem gelingt, als charismatischer Schriftsteller zu gelten.

Garcias Roman hat den "Prix de Flore" erhalten und in Paris Wirbel verursacht. Der Grund ist schnell genannt: Die Triade ist spürbar von realen Persönlichkeiten inspiriert. Leibo trägt Züge der Philosophen Alain Finkielkraut und Luc Ferry; die Auseinandersetzung um "safer sex" oder "bareback" zwischen Doum und Willie spiegelt den Konflikt zwischen Didier Lestrade und Guillaume Dustan, Prominenten der Pariser Homosexuellenszene. Garcia zeichnet nicht nur reale Personen und Debatten nach, er unterwirft sie zudem einer ätzenden Analyse: Hinter jeder Stellungnahme, jedem Beitrag zum intellektuellen Leben verbergen sich persönliche Konflikte und Passionen, deren Transformation in Gegenstände öffentlichen Interesses Garcia treffend beschreibt; moralistisch scharf entlarvt er die Mittelmäßigkeit der Pariser Intelligenz.

Liz, die passive Zeugin, soll also eine "Erziehung des Herzens" durchlaufen. "Der beste Teil der Menschen" erreicht freilich nicht die nötige künstlerische Höhe: Die Figuren bleiben flach, allen voran Liz. Im Falle Willies fragt man sich, wie ein nur unsympathischer, mediokrer Charakter große Fragen veranschaulichen soll - "Er wirkte total schwachsinnig", heißt es des Öfteren; nur im Moment ihres Aids-Leidens vermag die Figur zu berühren. Das liegt an der laxen Sprache, die, von wenigen griffigen Formulierungen abgesehen, kunstlos ist; jedoch muss man dem Übersetzer, dem Romancier Michael Kleeberg, dankbar sein, dass er Schnitzer des Originals ausgebügelt hat. Schließlich der schwerwiegendste Einwand: Auch wenn man Thesenromane mag, stört, dass Garcia seine Frage schlecht stellt. Er lässt nur die Wahl zwischen medialer Betriebsnudelei (Leibo, Doum) und Willies Starallüren, hinter denen sich ein guter Kern so geschickt verbirgt, dass er sich nie manifestiert; schon Garcias Annahme, dass es ihn gebe, streift den Kitsch. Eine alternative Option wäre eine aufrichtige oder begabte Figur gewesen - oder eine literarische Form, welche die Schalheit des Gegenstands sublimiert. Garcia aber spielt ein Gedankenexperiment durch, das weder logisch noch sprachlich überzeugt: Der Roman ist so sehr Teil der von ihm entworfenen Welt, dass er in ihrem Morast versinkt.

NIKLAS BENDER

Tristan Garcia: "Der beste Teil der Menschen". Roman.

Aus dem Französischen von Michael Kleeberg. Frankfurter Verlags-Anstalt, Frankfurt 2010. 320 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Niklas Bender hätte sich sehr einen aufrichtigen Charakter, eine begabte Figur gewünscht, um diesen Thesenroman des jungen Franzosen Tristan Garcia mit offensichtlichen Bezügen zur Pariser intelligenten Gesellschaft zu retten. Allein der Autor will es so, die Hauptfiguren sind entweder flach oder bösartig. Die vom Autor gestellte philosophische Frage nach dem Wertvollen im Menschen lässt sich auf die Weise nicht beantworten, meint Bender. Dass Garcias "Gedankenexperiment" um mehr oder weniger aktuelle intellektuelle Debatten den Rezensenten darüber hinaus weder logisch noch sprachlich überzeugt, ist ein weiterer Grund für Benders Unwillen. Die ätzende Gesellschaftsanalyse, zu der dieser Autor laut Bender durchaus fähig ist, steht literarisch also reichlich nackt da.

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