Das blanke Leben
Natürlich zählen die berühmten "Geschichten aus der Murkelei" zu Falladas schönsten. Noch zu entdecken sind hingegen seine Erzählungen, die er seit den zwanziger Jahren neben der Arbeit an den Romanen schrieb - für Zeitungen zum Broterwerb, zur "Erholung", als Skizze für das nächste große Werk. Die Stoffe gewann er fast immer aus Erlebtem, und nicht zuletzt erweist sich Hans Fallada in diesen 33 Geschichten aus 3 Jahrzehnten einmal mehr als Chronist der "kleinen Leute" und ihrer Alltagsmühen: amüsant bis bitterböse, schonungslos offen oder hoffnungslos romantisch.
"Hier kommt man zu Falladas Stärke, sind diese kleinen Arbeiten oft auf unangestrengte Weise gelungen, sei es als Stilübungen, sei es als Momentaufnahme, als Skizze, die dann später etwas abgewandelt in einem Roman wieder auftaucht; in dieser Form nämlich, gerade weil Fallada so nah an seinem eigenen Leben entlang schreibt, zeigt sich der genaue und einfühlsame Beobachter seiner Zeit, der seine Umgebungen und Milieus sprachlich einfangen und festhalten konnte, sei es die Angestelltenwelt in Berlin, eine provinzielle Polit-Schildbürgerei in Norddeutschland (es geht da um eine Großkraftstoffabgabestelle, was für ein herrliches Wort), das Laubenidyll in Neuenhagen, die 'kleinen Leute', der Amtsschimmel in den Behörden, das Arbeitslosenelend, die Armut und die Not oder auch manchmal ganz einfach und ergreifend das Zu-Hause-Sein in Carwitz, es zeigt sich gelegentlich das blanke Leben, oft anrührend, mal bitterböse, und wenn die Hochsprache dafür nicht reicht, für das blanke Leben, dann wird bei Fallada getapert, gepapelt, gepüttjert, geschrapt, rabantert und angegrobst, da wird sich düsig geweint, und Mutting kriegt Küssings, dass es im Kopf nur so burrt." (Birgit Vanderbeke)
Natürlich zählen die berühmten "Geschichten aus der Murkelei" zu Falladas schönsten. Noch zu entdecken sind hingegen seine Erzählungen, die er seit den zwanziger Jahren neben der Arbeit an den Romanen schrieb - für Zeitungen zum Broterwerb, zur "Erholung", als Skizze für das nächste große Werk. Die Stoffe gewann er fast immer aus Erlebtem, und nicht zuletzt erweist sich Hans Fallada in diesen 33 Geschichten aus 3 Jahrzehnten einmal mehr als Chronist der "kleinen Leute" und ihrer Alltagsmühen: amüsant bis bitterböse, schonungslos offen oder hoffnungslos romantisch.
"Hier kommt man zu Falladas Stärke, sind diese kleinen Arbeiten oft auf unangestrengte Weise gelungen, sei es als Stilübungen, sei es als Momentaufnahme, als Skizze, die dann später etwas abgewandelt in einem Roman wieder auftaucht; in dieser Form nämlich, gerade weil Fallada so nah an seinem eigenen Leben entlang schreibt, zeigt sich der genaue und einfühlsame Beobachter seiner Zeit, der seine Umgebungen und Milieus sprachlich einfangen und festhalten konnte, sei es die Angestelltenwelt in Berlin, eine provinzielle Polit-Schildbürgerei in Norddeutschland (es geht da um eine Großkraftstoffabgabestelle, was für ein herrliches Wort), das Laubenidyll in Neuenhagen, die 'kleinen Leute', der Amtsschimmel in den Behörden, das Arbeitslosenelend, die Armut und die Not oder auch manchmal ganz einfach und ergreifend das Zu-Hause-Sein in Carwitz, es zeigt sich gelegentlich das blanke Leben, oft anrührend, mal bitterböse, und wenn die Hochsprache dafür nicht reicht, für das blanke Leben, dann wird bei Fallada getapert, gepapelt, gepüttjert, geschrapt, rabantert und angegrobst, da wird sich düsig geweint, und Mutting kriegt Küssings, dass es im Kopf nur so burrt." (Birgit Vanderbeke)
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.01.2015Tröstung statt Trostlosigkeit –
Erzählungen von Hans Fallada
Hans Fallada schrieb an die dreißig Bücher. Ihnen stehen vier Aufenthalte im Gefängnis, drei in psychiatrischen Kliniken und 23 in Sanatorien für Nervenkranke gegenüber. Als Schüler inszenierte er mit Hanns Dietrich von Necker ein Duell, in dem beide den Tod finden sollten. Fallada überlebte, sein Freund nicht. Fallada war Kettenraucher, Trinker, Morphinist.
Die ganze Chronik des Leidens findet man minutiös aufgearbeitet in dem kürzlich erschienenen Buch „Der andere Fallada“ von KlausJürgen Neumärker. Liest man sie parallel mit den schönsten Geschichten, die gerade vom Aufbau Verlag herausgegeben wurden, reibt man sich noch verwunderter die Augen, als wenn man etwa „Kleiner Mann - was nun?“ – Falladas berühmtestes Werk – danebenlegt. Müsste dieser Geschlagene nicht Geschichten der allerdunkelsten Art verfassen?
Das Gegenteil ist der Fall. Fallada hat sich die Welt die längsten Jahre schöner geschrieben, als sie in Wirklichkeit war. Zwar handeln die meisten der immer auch autobiografisch gefärbten Erzählungen von Arbeitslosen, Kleinkriminellen, Paaren in Geldnöten – die Weimarer Republik mit Inflation, Armut und Wohnungsnot bildet ihre Folie. Aber der typisch leichtfüßige Fallada-Sound federt das Elend ab – zum Beispiel wenn die Laube, in der viele der Protagonisten hausen, kurzerhand zu einem „entzückenden Holzhäuschen“ mit „Zimmerchen“, „Küchelchen“ und „Verandachen“ gemacht wird. Nur ganz selten wird Fallada wirklich laut und böse wie in dem Ehedesaster-Stück „Wie vor dreißig Jahren“.
Statt Trostlosigkeit Tröstung: Der Autor, der bürgerlich Rudolf Ditzen hieß, liebte Märchen, und so verwundert es nicht, dass er in den Dreißigerjahren begann, selber welche zu schreiben. Die „Geschichten aus der Murkelei“, die den Band beenden, las er seinen eigenen Kindern vor. Dort findet sich der Satz: „So aber ist es auf dieser Welt: Wenn man etwas nur wirklich glaubt, so ist es auch da.“ Er klingt wie die Schreib- und Überlebensstrategie des Schriftstellers Hans Fallada. FLORIAN WELLE
Hans Fallada: Der Bettler, der Glück bringt. Die schönsten Geschichten.
Aufbau Verlag, Berlin 2014. 334 Seiten, 9,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Erzählungen von Hans Fallada
Hans Fallada schrieb an die dreißig Bücher. Ihnen stehen vier Aufenthalte im Gefängnis, drei in psychiatrischen Kliniken und 23 in Sanatorien für Nervenkranke gegenüber. Als Schüler inszenierte er mit Hanns Dietrich von Necker ein Duell, in dem beide den Tod finden sollten. Fallada überlebte, sein Freund nicht. Fallada war Kettenraucher, Trinker, Morphinist.
Die ganze Chronik des Leidens findet man minutiös aufgearbeitet in dem kürzlich erschienenen Buch „Der andere Fallada“ von KlausJürgen Neumärker. Liest man sie parallel mit den schönsten Geschichten, die gerade vom Aufbau Verlag herausgegeben wurden, reibt man sich noch verwunderter die Augen, als wenn man etwa „Kleiner Mann - was nun?“ – Falladas berühmtestes Werk – danebenlegt. Müsste dieser Geschlagene nicht Geschichten der allerdunkelsten Art verfassen?
Das Gegenteil ist der Fall. Fallada hat sich die Welt die längsten Jahre schöner geschrieben, als sie in Wirklichkeit war. Zwar handeln die meisten der immer auch autobiografisch gefärbten Erzählungen von Arbeitslosen, Kleinkriminellen, Paaren in Geldnöten – die Weimarer Republik mit Inflation, Armut und Wohnungsnot bildet ihre Folie. Aber der typisch leichtfüßige Fallada-Sound federt das Elend ab – zum Beispiel wenn die Laube, in der viele der Protagonisten hausen, kurzerhand zu einem „entzückenden Holzhäuschen“ mit „Zimmerchen“, „Küchelchen“ und „Verandachen“ gemacht wird. Nur ganz selten wird Fallada wirklich laut und böse wie in dem Ehedesaster-Stück „Wie vor dreißig Jahren“.
Statt Trostlosigkeit Tröstung: Der Autor, der bürgerlich Rudolf Ditzen hieß, liebte Märchen, und so verwundert es nicht, dass er in den Dreißigerjahren begann, selber welche zu schreiben. Die „Geschichten aus der Murkelei“, die den Band beenden, las er seinen eigenen Kindern vor. Dort findet sich der Satz: „So aber ist es auf dieser Welt: Wenn man etwas nur wirklich glaubt, so ist es auch da.“ Er klingt wie die Schreib- und Überlebensstrategie des Schriftstellers Hans Fallada. FLORIAN WELLE
Hans Fallada: Der Bettler, der Glück bringt. Die schönsten Geschichten.
Aufbau Verlag, Berlin 2014. 334 Seiten, 9,99 Euro.
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