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Die Germanistik hat schon so viele Begriffe erfunden, daß man mit denselben mühelos ganze Lexika füllen kann, aber nur ein einziger, ganz einfacher Terminus aus der Frühzeit des Faches wird heute auf der ganzen Welt selbst von solchen Wissenschaftlern, die des Deutschen gar nicht mächtig sind, als geläufiges Fremdwort wie selbstverständlich gebraucht, nämlich der Begriff des Bildungsromans. So bekannt dieser global gängige Begriff ist, so vergessen ist sein ›Erfinder›, der aus Magdeburg gebürtige Philologe Karl Morgenstern (1770-1852), der mehr als drei Jahrzehnte als Professor an der Universität Dorpat (Tartu) in Estland gewirkt hat.…mehr

Produktbeschreibung
Die Germanistik hat schon so viele Begriffe erfunden, daß man mit denselben mühelos ganze Lexika füllen kann, aber nur ein einziger, ganz einfacher Terminus aus der Frühzeit des Faches wird heute auf der ganzen Welt selbst von solchen Wissenschaftlern, die des Deutschen gar nicht mächtig sind, als geläufiges Fremdwort wie selbstverständlich gebraucht, nämlich der Begriff des Bildungsromans. So bekannt dieser global gängige Begriff ist, so vergessen ist sein ›Erfinder›, der aus Magdeburg gebürtige Philologe Karl Morgenstern (1770-1852), der mehr als drei Jahrzehnte als Professor an der Universität Dorpat (Tartu) in Estland gewirkt hat.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.08.2020

Erfinder des Bildungsromans
Karl Morgenstern kommt wieder zu Ehren

Den Begriff "Bildungsroman" kennt jeder, sogar als Fremdwort in anderen Sprachen. Dessen Erfinder hingegen ist völlig vergessen: Der Philologe Karl Morgenstern (1770 bis 1852), der heute vor 250 Jahren in Magdeburg geboren wurde, war drei Jahrzehnte lang Professor in Dorpat, heute Tartu in Estland. Dort hielt er 1819 und 1820 zwei Vorträge über das Wesen und die Geschichte des Bildungsromans, die jetzt zu seinem Geburtstag neu kommentiert erschienen sind. Morgenstern bestimmt den neuen Romantyp am Vorbild von Goethes "Wilhelm Meister" durch die Idee einer Bildung des Helden, aber auch des Lesers. Während sich Friedrich von Blanckenburgs Definition des Romans als "innere Geschichte des Menschen" von 1774 öffentlich kaum durchgesetzt hat, etabliert sich damit ein Modell, das sich von den gängigen Liebesgeschichten, Räuberpistolen und Staatsaktionen der Zeit abhebt.

Der Herausgeber des Bandes, Dirk Sangmeister, hat an der Universitätsbibliothek Tartu, deren Gründungsdirektor Morgenstern war, gründlich recherchiert und alle möglichen Handschriften und Briefe entdeckt. Dazu gehört eine Skizze zu dem Projekt von 1803, die Morgensterns Orientierung an Fielding, Richardson und Rousseau, an Goethe, Jacobi und Klinger (dem Kurator der Universität) dokumentiert. Moritz' "Anton Reiser", Hölderlins "Hyperion" oder Eichendorffs "Ahnung und Gegenwart" hingegen übergeht Morgenstern in seinen Vorträgen, von den weit populäreren Bildungsgeschichten eines Knigge, Lafontaine oder Vulpius ganz zu schweigen. Sein eigener Plan zu einem Bildungsroman, eine literarisierte Autobiographie, blieb unausgeführt. Umso wertvoller ist das ausführliche Lebensbild, das die neue Ausgabe im Nachwort enthält.

kos

Karl Morgenstern: "Der Bildungsroman".

Hrsg. von Dirk Sangmeister. Lumpeter & Lasel, Eutin 2020. 154 S., geb., 16,80 [Euro].

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