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Eine Leseprobe finden Sie unter "http://verlag.sandstein.de/reader/98-529_BlickStasi"Die Fotografie galt im Ministerium für Staatssicherheit als »wichtige Waffe«, die von den MfS-Mitarbeitern in vielfältiger Weise eingesetzt wurde. Wenn sie Oppositionelle beschatteten, Flucht- und Protestaktionen untersuchten, Dienstgebäude, Straßen und Plätze überwachten, ihre eigene Arbeit oder gemeinsame Aktivitäten dokumentierten - der Griff zur Kamera war oft Teil ihres Auftrags. Wohl weit mehr als zwei Millionen Fotografien, darunter auch beschlagnahmte Aufnahmen, bilden das visuelle, bis heute kaum…mehr

Produktbeschreibung
Eine Leseprobe finden Sie unter "http://verlag.sandstein.de/reader/98-529_BlickStasi"Die Fotografie galt im Ministerium für Staatssicherheit als »wichtige Waffe«, die von den MfS-Mitarbeitern in vielfältiger Weise eingesetzt wurde. Wenn sie Oppositionelle beschatteten, Flucht- und Protestaktionen untersuchten, Dienstgebäude, Straßen und Plätze überwachten, ihre eigene Arbeit oder gemeinsame Aktivitäten dokumentierten - der Griff zur Kamera war oft Teil ihres Auftrags. Wohl weit mehr als zwei Millionen Fotografien, darunter auch beschlagnahmte Aufnahmen, bilden das visuelle, bis heute kaum erforschte Erbe des MfS. Der Bildband gewährt Einblicke in die Bilderwelt der Staatssicherheit, analysiert Entstehung und Funktion der Fotografien im Repressionssystem des MfS, stellt einzelne Fotografen vor und präsentiert unerwartete Blicke auf den Alltag in der DDR.
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Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einen "Bildband" hat der Autor aus dieser Sammlung von Stasi-Fotos gemacht, und das findet Annette Vowinckel sehr gut. Denn so erstickt man nicht an den vielen klugen Erklärungen von Kontext und Funktion der hier versammelten Bilder, die aber durchaus in einem gesonderten Text zu finden sind. Allerdings ist die Rezensentin Annette Vowinckel, selbst Leiterin der Abteilung Mediengeschichte im Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam, nicht zufrieden damit, dass die DDR-typischen Kürzel für Institutionen und Vorgänge, anfangs zwar kurz erklärt, im Text aber immer weiter benutzt werden. Und auch das Selbstlob des Herausgebers gefällt ihr nicht sonderlich. Dennoch findet Vowinckel dies eine gelungene Arbeit sowohl zur Fotografie- wie auch zur Diktaturgeschichte und eine notwendige Ergänzung zur visuellen Erinnerung, die höchst aussagekräftig den kontrollierenden Blick der Überwachungsgesellschaft dokumentiert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.10.2020

Die dunklen Stunden der Fotografie
Philipp Springer zeigt eindrücklich, wie die Stasi alle Bereiche des Alltags überwachte. Die Aufnahmen erzählen aber vor allem über das Wesen der DDR-Diktatur
Metaphern des Sehens wurden in der Vergangenheit häufig verwendet, um Überwachungssituationen zu umschreiben. Ob es sich um das Auge Gottes, um das Auge des Gesetzes oder um den Weitblick des Historikers handelt – stets geht es darum zu beschreiben, dass Dinge aus dem Verborgenen geholt und sichtbar gemacht werden. Auch in Philipp Springers Buch über den „Blick der Staatssicherheit“ geht es darum, etwas ans Licht zu bringen – nämlich die Bilder, die die Staatssicherheit (MfS) überwiegend heimlich von den Bürgerinnen und Bürgern der DDR gemacht hatte. Anders als im religiösen oder juristischen Kontext geht es hier indes nicht um eine metaphorische Redewendung, sondern um Fotografien, die man mit eigenen Augen sehen und mit eigenen Händen anfassen kann.
Während die Akten des MfS schon lange Gegenstand historischer Forschung und öffentlicher Debatten um die DDR-Vergangenheit sind, wurden diese Fotografien bisher eher als Beiwerk registriert. Philipp Springer hat sich die Mühe gemacht, sie systematisch zu erfassen, Kategorien für ihre Einordnung zu entwickeln und einzelne Fotografie vor dem Hintergrund der Geschichten zu beschreiben, in deren Kontext sie entstanden. Das kann eine Innenansicht aus dem Arbeitsleben eines MfS-Mitarbeiters, das Ergebnis einer Observation, die Aufnahme von Fluchtspuren an der innerdeutschen Grenze, eine alltägliche Szene oder Stadtansicht, die Dokumentation einer Protestaktion oder einer als staatsfeindlich interpretierten Sabotage gewesen sein.
Bei einigen Bildern handelt es sich um unprofessionelle Momentaufnahmen, bei anderen um Polaroid-Fotos, die bei Hausdurchsuchungen gemacht wurden, bei wieder anderen um mit versteckter Kamera gemachte Schnappschüsse oder um professionell angefertigte Tatortfotografien. Der kleinste gemeinsame Nenner ist die Intention der Kontrolle von Menschen, die das MfS verdächtigte, staatsfeindliche Handlungen zu planen, zu unterstützen oder bereits vorgenommen zu haben. Die Fotografie wurde so zu einem repressiven Instrument in den Händen derjenigen, die die Diktatur mit Mitteln der Überwachung zu stabilisieren versuchten.
Viele der hier gezeigten Aufnahmen haben vor diesem Hintergrund einen zweckrationalen Kern. Sie eigneten sich als Beweismittel oder entlarvende Dokumente im Sinne einer staatlichen Anklage. Dazu zählen Fotos von oppositionellen Parolen oder subversiven Aktionen – ein gutes Beispiel für letztere ist das Einfügen einer westdeutschen Flagge und einer Marx-Ausgabe in ein Gemälde aus dem 15. Jahrhundert im Zuge seiner Restaurierung. Andere Aufnahmen sind eher Zeugnisse staatlichen Verfolgungswahns, wie die Observationsfotos eines Familienvaters, der wegen seiner kindlichen Begeisterung für alle Lastkraftwagen der Welt zu Unrecht in den Verdacht geriet, eine Flucht in einem ebensolchen zu planen.
All diese Aufnahmen bezeugen den Anspruch des Staates, das öffentliche Leben ebenso zu überwachen wie privateste Angelegenheiten, sei es der Sonntagsausflug, zwischenmenschliche Beziehungen oder die Wohnungseinrichtung. Sie sind Quellen aus dem Inneren eines Apparats, der sich anmaßte, über die Bürgerinnen und Bürger zu wachen, und sie geben am Ende mehr Aufschluss über das Wesen der modernen Diktatur als über den Alltag der Menschen, die in ihr lebten. Die Sichtachse bleibt die des Apparats, und der ergreift kategorisch Partei für den Staat.
Philipp Springer hat bei der Konzeption des vorliegenden Bands eine weise Entscheidung getroffen: Er zeigt die Bilder als Bilder und stellt sie in den Mittelpunkt, indem er sie jeweils zum Ausgangspunkt eines knappen, den Kontext erklärenden Textes macht. Das Ergebnis ist keine wissenschaftliche Bleiwüste, sondern ein Bildband, in dem man blättern kann, ohne ihn gleich ganz durchlesen zu müssen.
Wer mehr über Kontext und Praxis der MfS-Fotografie wissen möchte, erhält mit dem knapp 30 Seiten langen und wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Einführungstext wertvolle Informationen über die Produktionsbedingungen und Verwendungen der Fotografien, über die Ausbildung der Fotografierenden, über Bildmotive sowie das der Publikation unterliegende Ordnungsprinzip und zum Forschungsstand, bei dem allerdings in auffälliger Weise die Defizite früherer Forschungen moniert werden. Das wäre nicht nötig gewesen, um das eigene Verdienst hervorzuheben.
Formal stört es den Lesefluss, dass DDR-spezifische Abkürzungen nicht aufgelöst werden. Der IM („inoffizieller Mitarbeiter“) und die BV („Bezirksverwaltung“) mögen noch geläufig sein, auf den TBK (den „toten Briefkasten“) oder die ASR („Arbeitsgruppe zur Sicherung des Reiseverkehrs“) trifft das kaum zu. Sie werden zwar bei der ersten Nennung aufgelöst und erscheinen im Abkürzungsverzeichnis, aber niemand wird sich auf diese Weise 80 Kürzel einprägen können. Mehr noch: Es entsteht der Eindruck, dass hier ein Jargon reproduziert wird, der die Leserin oder den Leser das Defizit bei sich selbst suchen lässt (statt bei dem Staat, der diesen Jargon hervorbrachte).
Bedauerlich ist auch, dass die Abbildungen nicht nummeriert sind, zumal sie im Text oft in anderer Reihenfolge erscheinen als auf der jeweils gegenüberliegenden Bildseite. Bei der Lektüre der kurzen Texte wiederum fällt auf, dass sich Vokabeln wie „offenbar“, „wahrscheinlich“ und „vermutlich“ in auffälliger Weise häufen. Hier wäre weniger Spekulation und mehr sachliche Begründung wünschenswert gewesen.
Gleichwohl hat Philipp Springer mit dem „Blick der Staatssicherheit“ erfolgreich Diktaturforschung und Fotografiegeschichte verbunden und so die visuelle Dimension des Tuns der Staatssicherheit offengelegt. In einer Zeit, in der fotografische Erinnerung an die DDR von den ästhetisch hochwertigen Bildern aus dem Umfeld der Ostkreuz-Schule dominiert wird, erinnert dieser Band zu Recht an die dunklen Stunden der Fotografie im Dienst der Diktatur.
ANNETTE VOWINCKEL
Annette Vowinckel leitet am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam die Abteilung für Mediengeschichte und lehrt Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Der Fotograf ergriff
mit seinem Tun
kategorisch Partei für den Staat
Philipp Springer:
Der Blick der Staatssicherheit. Fotografien aus
dem Archiv des MfS.
Herausgegeben vom Bundesbeauftragten
für die Stasi-Unterlagen. Sandstein-Verlag,
Dresden 2020.
328 Seiten, 29 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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