Subjektivität in einer objektiv beschreibbaren Welt
Wie passt das Subjektive in eine objektiv beschreibbare Welt, deren Bestandteil es letztendlich sein muss? Mit dieser (nicht nur) philosophischen Frage beschäftigt sich Thomas Nagel in „Der Blick von nirgendwo“. Das Verhältnis von Innenansicht
und Außenansicht betrifft u.a. die Metaphysik des Geistes, die Erkenntnistheorie, das…mehrSubjektivität in einer objektiv beschreibbaren Welt
Wie passt das Subjektive in eine objektiv beschreibbare Welt, deren Bestandteil es letztendlich sein muss? Mit dieser (nicht nur) philosophischen Frage beschäftigt sich Thomas Nagel in „Der Blick von nirgendwo“. Das Verhältnis von Innenansicht und Außenansicht betrifft u.a. die Metaphysik des Geistes, die Erkenntnistheorie, das Freiheitsproblem und die Ethik. Ohne Einbeziehung der Subjektivität ist eine Wirklichkeitsauffassung unvollständig. Damit ist das Problem umrissen.
Autor Nagel ist davon überzeugt, dass wir nicht über die notwendigen Mittel verfügen, um uns selbst zu verstehen. (22) Wer wollte ihm da widersprechen. Wie sollte auch der Mensch als Teil dieser Welt, sich und diese verstehen können?
Der physikalischen Objektivität sind Grenzen gesetzt, wie der Autor mit dem K.O.-Kriterium „Selbstbezug“ deutlich macht. „... ganz zu schweigen von der psychischen Tätigkeit der Konstruktion einer objektiven Auffassung der materiellen Wirklichkeit, die nicht ihrerseits einer physikalischen Analyse zugänglich zu sein scheint.“ (30)
Noch problematischer ist die psychische Objektivität. „Wir sollten“, so der Autor, „... auch uns selbst aus der Außenperspektive denken können – und zwar in einer psychologischen und nicht in einer materialistischen Begrifflichkeit.“ (34) Das halte ich nicht für möglich. Das Bewusstsein ist – aus dem Blickwinkel des eigenen Erlebens – subjektiv und kann ohne materiellen Bezug nicht objektiv gedeutet werden. Es sind primär die physischen Prozesse im Gehirn, die naturwissenschaftlich untersucht werden können und nicht die damit in Beziehung stehenden psychischen Erlebnisse.
Objektivität ist nicht das (alleinige) Kriterium für Realität, wie der Autor deutlich macht. Und daraus folgt, dass die objektive Wirklichkeit nicht die gesamte Wirklichkeit ist. Er schlägt die Doppelaspekt-Theorie vor als Lösung für das psychophysische Problem, bei der es nicht um Substanzen, sondern um Eigenschaften geht.
Mit dem Begriff des objektiven Selbst nähert Nagel sich auch dem „Blick von nirgendwo“ an, indem die Welt als ganzes betrachtet wird, ohne individuelle subjektive Perspektive. (108) Das ist natürlich eine Idealisierung, da es eine Betrachtung der Welt ohne konkrete Perspektive nicht gibt.
Der Autor erläutert verschiedene Theorien der Erkenntnis, wohl wissend, dass auch eine objektive Auffassung über uns und die Welt nicht das beinhalten kann, was diese Auffassung bildet. (120) Immer wieder zeigt der Selbstbezug die Grenzen der Erkenntnisfähigkeit auf. Nagel äußert sich skeptisch zur evolutionären Erkenntnistheorie, bietet aber keine Alternative an. (142)
Handlungen, betrachtet unter objektiven Gesichtspunkten, führen zum Eindruck der kausalen Festlegung. So stellt sich die Frage, ob wir überhaupt verantwortlich sind, für das, was wir tun. Objektivität bedroht die Annahmen über menschliche Freiheit. Nagel diskutiert zwei Aspekte der Willensfreiheit, das Problem der Autonomie und das Problem der Verantwortlichkeit. Beide Probleme erscheinen je nach Perspektive (Innenperspektive, Außenperspektive) unterschiedlich und lassen Zweifel am freien Willen aufkommen. Die Experimente von Libet zur Willensfreiheit fließen nicht in Nagels Überlegungen ein.
In der Ethik geht es um die objektive Angemessenheit von Handlungen anhand intersubjektiv ausgehandelter Spielregeln. Nagel widmet sich diesem Thema ausführlich, wenngleich nach seiner eigenen Einschätzung seine Diskussion allgemein und unvollständig ist.
Das Buch ist umfassend, anspruchsvoll und tief gehend. Für den schnellen Überblick gibt es leichtere Lektüre. Allerdings ist mein Eindruck, dass manche Probleme einfacher und strukturierter hätten dargestellt werden können. Dennoch handelt es sich um ein lesenswertes Buch, in dem Thomas Nagel ausführlich auf die Problematik „Objektivität – Subjektivität“ eingeht.