Schaurig-schön
Vor knapp einhundert Jahren hat der Tscheche Josef Váchal das Buch „Der blutige Roman“ verfasst und veröffentlicht. Der Grafiker und Buchdrucker hat selbst den Text gesetzt – damals natürlich noch von Hand – und in einer Auflage von 17 Exemplaren gedruckt. Illustriert wurde das
Buch mit zahlreichen Holzschnitten, ebenfalls aus der Hand Váchals.
„Ein gefälschtes Testament, ein…mehrSchaurig-schön
Vor knapp einhundert Jahren hat der Tscheche Josef Váchal das Buch „Der blutige Roman“ verfasst und veröffentlicht. Der Grafiker und Buchdrucker hat selbst den Text gesetzt – damals natürlich noch von Hand – und in einer Auflage von 17 Exemplaren gedruckt. Illustriert wurde das Buch mit zahlreichen Holzschnitten, ebenfalls aus der Hand Váchals.
„Ein gefälschtes Testament, ein Schatz auf Honolulu, ein Werwolf in den Fängen der spanischen Inquisition, und in Prag toben Anarchisten und Gespenster. Das sind nur ein paar der vielen Handlungsstränge dieses auf unzähligen Ebenen spannenden Romans…“, so verspricht es die Buchbeschreibung. Und sie hat nicht zu viel versprochen. Auch macht sie dem als „Schundroman“ angekündigten Buch alle Ehre.
Neben der Hochsprache wird überwiegend in der Volkssprache erzählt. Das war für mich recht gewöhnungsbedürftig und ich habe feststellen müssen, dass dies kein Buch für „nebenbei“ ist. Mit der nötigen Ruhe hatte ich mich in kurzer Zeit daran gewöhnt und bald Gefallen daran gefunden – gerade in Bezug auf die Sprache.
„Was geschieht hier gerade?“ Wird noch wenige Sätze zuvor von Ermordeten geredet, folgt dieser Satz: „Durch die Geäste des Waldes beobachtete die Leichen voll Neugier die Morgensonne.“ - Ein Satz voller Poesie – nur die Leichen sprechen dagegen. Gelacht habe ich über den raffinierten Grafen, der später als Geldfälscher entlarvt wurde, gestaunt über den „gepanschten“ Wein, der so viel Äthanol enthielt, „daß nach seinem Entfachen das Schiff wie ein Strohwisch brannte.“ Und die Jesuiten waren ja wohl mit allen Wassern gewaschen!
Nicht zuletzt durch die Holzschnitte fühlte ich mich in eine andere Zeit versetzt. Besonders gefallen hat mir das Bild von der Flucht mit den Ballonen – bis ich gelesen hatte, woraus sie hergestellt wurden.
Kann man einen „Schundroman“ als Kunst bezeichnen? Ich sage ganz laut „JA“!
Vor allem aber gilt meine Bewunderung Ondrej Cikán, der den Roman ins Deutsche übersetzt, kommentiert und mit einem Nachwort versehen hat – eine großartige Leistung! Ich kann mir vorstellen, dass das eine große Menge an Zeit und Arbeit erfordert hat, und ich spüre die besondere Liebe, die bei einer solchen Aufgabe nicht fehlen darf.
Erschienen ist „Der blutige Roman“ im Verlag Ketos. Das Buch hat einen tollen Einband in passender Farbe ;-). Es liegt gut in der Hand, ist mit zwei Lesebändchen versehen und das Layout ist einfach gelungen.
Komisch: Ich mag keine Krimis oder Thriller, die sehr blutrünstig sind. – Genau das, was ich nicht mag, bietet „Der blutige Roman“, und: Mir gefällt’s!
Gern empfehle ich das Buch weiter.