Lion, dem fast schon legendären Brückenbauer, ist eine Brücke eingestürzt. Das hat neun Leben gekostet, und auch wenn ihn keiner anklagt, einfach weitermachen will er nicht. Lieber unternimmt er ausgedehnte Wanderungen in seinem Garten, auf dass er sich selbst und auch unserer geschundenen Welt auf die Spur komme.Und siehe, immer öfter erscheinen Menschen im Garten. Gleich zu Beginn ist da Andri, der schlitzohrige Nachbarjunge, der verkündet, seine Mutter sei verschwunden. Wo denn? Im Garten natürlich. Was aber will der Junge wirklich? Nun, Lion, immer schon ein bisschen in Andris Mutter verknallt, macht sich auf die Suche im Garten - und wundert sich schon bald nicht mehr, dass dieser mit jedem seiner Schritte grösser wird. Sogar dann, wenn er mit seiner Partnerin und Ökobestsellerautorin am Gartentisch Wein trinkt. Dabei gerät auch die Zeit immer mehr aus den Fugen und saugt Lion hinein in das wahre Wesen und das Wunder der Natur. Bis er glaubt, den Boden unter den Füssen wieder gefunden zu haben.Poetisch und frech zugleich, witzig und elegant entwirft «Der Boden unter den Füßen» nicht eine weitere Dystopie, sondern erzählt von einer Utopie, die Natur und Mensch wieder vereint. Alles wird gut. Ganz sicher.
buecher-magazin.deDystopien sind das Genre der Stunde in einer alarmierten Welt, die auf die Klimakatastrophe zusteuert, doch Christoph Keller kehrt diesen Trend ins Gegenteil und entwirft eine Utopie. Auch seinen Protagonisten Lion wirft erst eine Katastrophe aus der Bahn. Eine Brücke, die er gebaut hat, stürzt ein und tötet zwölf Menschen. Lion zieht Konsequenzen, steigt aus seinem erfolgreichen Unternehmen aus und geht in seinen großen verwilderten Garten. Von dort aus unternimmt er immer weitere Streifzüge in die Natur, der Garten dehnt sich wie die Zeit. Seine Erinnerungen blitzen auf und verschwinden ebenso schnell wie die Menschen, die ihn dort besuchen: sein kurdischer Gärtner-Freund Sarhat, der vorlaute Nachbarsjunge Andri. Und seine große Liebe Cora, die Ökobestsellerautorin, mit der er zusammenlebt und sich doch immer weiter von ihr entfernt, je mehr er dem Vorwärtstreiben der digitalen Zivilisation den Rücken kehrt. Er erkundet das Wesen der Natur und findet lachende schwarze Eichhörnchen und sprechende Bären als Wegbegleiter in seinen immer wilder wuchernden Naturfantasien. Keller verschiebt die Realitäts- und Imaginationsebenen immer weiter und erzeugt so einen unheimlichen Sog. Und die Natur wird auch sprachlich zum Subjekt, je mehr Lion in ihr aufgeht.
© BÜCHERmagazin, Tina Schraml (ts)
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