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Nichts hat die Zerstörungskraft des Zweiten Weltkriegs so sehr ins kollektive Gedächtnis eingebrannt wie der Bombenkrieg: Mit nie dagewesener Gewalt vernichtete er Dutzende Städte in ganz Europa, 600 000 Menschen starben, Millionen verloren alles; die Ruinen von Coventry oder Dresden wurden zu Symbolen einer technischen, menschengemachten Apokalypse. In der ersten umfassenden Darstellung erzählt Richard Overy die Geschichte dieses Krieges. Er schildert die Anfänge der neuen Strategie des "Moral Bombing", ihre Entwicklung wie schließlich ihr Scheitern, und er deckt zahlreiche Mythen und…mehr

Produktbeschreibung
Nichts hat die Zerstörungskraft des Zweiten Weltkriegs so sehr ins kollektive Gedächtnis eingebrannt wie der Bombenkrieg: Mit nie dagewesener Gewalt vernichtete er Dutzende Städte in ganz Europa, 600 000 Menschen starben, Millionen verloren alles; die Ruinen von Coventry oder Dresden wurden zu Symbolen einer technischen, menschengemachten Apokalypse. In der ersten umfassenden Darstellung erzählt Richard Overy die Geschichte dieses Krieges. Er schildert die Anfänge der neuen Strategie des "Moral Bombing", ihre Entwicklung wie schließlich ihr Scheitern, und er deckt zahlreiche Mythen und Irrtümer auf, die bis heute kursieren. Erstmals entsteht ein internationales Gesamtbild, von der Offensive gegen das Ruhrgebiet bis zu den "Baedeker-Angriffen", die unschätzbares historisches Erbe auslöschten, von den deutschen Bomben auf Stalingrad bis zu wenig bekannten Schauplätzen wie Rom oder Bulgarien. Overy zeigt, warum der Luftkrieg trotz Ineffektivität und mörderischer Kosten ausgeweitet wurde, welche Rolle Hermann Göring oder General Harris dabei spielten. Aber auch die kulturellen und menschlichen Verheerungen treten vor Augen, die Not und Hoffnung in den Luftschutzkellern wie bei den Piloten. Richard Overy zeichnet ein monumentales Panorama Europas in dunkler Zeit - das Standardwerk über den Bombenkrieg.
Autorenporträt
Richard Overy, geboren 1947 in London, zählt zu den bedeutendsten Zeithistorikern unserer Tage. Er lehrt Geschichte an der University of Exeter und lebt in London. Mehrere seiner Bücher, darunter 'Russlands Krieg' (2003) und 'Die Diktatoren' (2005), gelten als Standardwerke. 'Weltenbrand', Overys große Geschichte des Zweiten Weltkriegs, wurde zum 'New York Times'-Bestseller; das Buch stand auf der Shortlist des Gilder Lehrman Prize und wurde mit der Duke of Wellington Medal for Military History ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Christian Hartmann schätzt Richard Overy als einen der bedeutendsten Militärhistoriker und seine Geschichte des Bombenkriegs als beispiellos. Overy, bemerkt der Rezensent beeindruckt, stützt sich auf ein gewaltiges Quellenfundament und bemüht sich stets, den verschiedenen konfligierenden Perspektiven gerecht zu werden. Neben viel profundem Wissen nimmt der Rezensent als bittere Einsicht aus der Lektüre mit, dass es die westlichen Demokratien waren, die den "mitleidlosen Luftkrieg" perfektionierten, während die Diktature in Deutschland, Italien und Japan ihn eigentlich nur partiell einsetzten. Dennoch scheint es dem Rezensenten an zu hohen Erwartungen bemessen, wenn Overy den Luftkrieg für militärisch unergiebig und moralisch verwerflich beurtielt. Schließlich hätten die USA und Großbritannien in den Jahren 1940 bis 1943 keine andere und eigentlich keine echte Chance auf einen Sieg über das nationalsozialistische Deutschland gehabt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.12.2014

Größte Fehlkalkulation
Der europäische Luftkrieg der Jahre 1939 bis 1945

War der alliierte Luftkrieg gegen Deutschland militärisch sinnlos? War er vielleicht sogar kontraproduktiv? Oder war es am Ende nicht mehr als ein gigantisches Verbrechen? Folgt man der in jeder Hinsicht großen Überblicksdarstellung von Richard Overy über den Luftkrieg im Europa der Jahre 1939 bis 1945, so ist man geneigt, diese Fragen zu bejahen. Overys Urteil hat Gewicht; er ist derzeit einer, wenn nicht der bedeutendste britische Militärhistoriker. Und: Seine Geschichte des Bombenkriegs sucht konzeptionell ihresgleichen.

Hier handelt es sich nicht nur um eine Darstellung des gesamten europäischen Kriegstheaters, Overy geht es immer auch darum, verschiedene Aspekte in dieser "Histoire totale" miteinander zu verknüpfen: die Perspektive der Bombardierenden wie der Bombardierten, aber auch die Frage, welche Funktion der Krieg aus der Luft in der Großen Strategie der Kriegführenden denn hatte. Das Ergebnis ist ernüchternd. Overy hält die Großoffensiven aus der Luft, "die von Deutschland, England und den Vereinigten Staaten bestritten wurden, für langwierige Unternehmen, Abnutzungskriege bei hohen Verlusten an Menschen und Maschinen, ohne klares Ende und mit einer tiefen Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, eine festgefahrene Westfront der Lüfte. Den eher kleinen Operationen, die die deutsche Luftwaffe in der Sowjetunion oder die italienische Luftwaffe auf dem mediterranen Schauplatz durchführten, mangelte es an Mitteln und an Wirkung. Dies alles stand im Gegensatz zu den Erwartungen und Ankündigungen." Im Grunde, so Overy unter Rückgriff auf das Urteil eines amerikanischen Nationalökonomen, der 1945 mit einer abschließenden Beurteilung des westalliierten Luftkriegs beauftragt wurde, sei der Luftkrieg "die größte Fehlkalkulation des Krieges überhaupt" gewesen.

Diese "Fehlkalkulation" kostete im gesamten Europa immerhin 600 000 Menschen das Leben, so jedenfalls Overys Schätzung - die toten Flieger noch nicht einmal mitgerechnet. Dabei zeigt sich, betrachtet man wie Overy den europäischen Luftkrieg der Jahre 1939 bis 1945 als Gesamtphänomen, ein seltsamer Widerspruch; mit unserer gängigen Vorstellung von den damals kriegführenden Staaten, ihrer Strategie und vor allem auch ihrem Selbstverständnis hat er wenig zu tun. Obwohl Diktaturen wie Italien, Japan und Deutschland schon früh, bereits lange vor dem September 1939 signalisiert hatten, dass sie einen mitleidlosen Luftkrieg gegen die Zivilbevölkerung führen konnten und auch führen wollten - erinnert sei an Libyen und Abessinien, an Schanghai und an Guernica - , waren es erst die westlichen Demokratien, insbesondere Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika, welche die Möglichkeiten dieser neuen wie schrecklichen Waffe konsequent perfektionierten.

Diktatoren wie Hitler und auch Stalin favorisierten im Zweiten Weltkrieg hingegen meist einen taktisch begrenzten Einsatz ihrer Luftstreitkräfte, der primär der Unterstützung des Heeres diente. Dagegen besaßen die Royal Air Force (RAF) und die United States Army Air Forces (USAAF) die technischen Voraussetzungen, das Konzept und nicht zuletzt auch den Willen für einen wirklich "großen", strategischen Einsatz ihrer Bomberflotten. Dass dieser "strategische" Bombenkrieg das zivile Hinterland des Gegners und seine dort lebenden Menschen in einem ganz anderen Maße in Mitleidenschaft ziehen musste, war mehr als nur ein unvermeidlicher "Kollateralschaden". Das Problem war vielmehr: Die Terrorisierung der Zivilbevölkerung, die Ausschaltung von Arbeitskräften war schon bald auch ein Ziel der britischen Luftkriegsstrategie, der dann die verbündeten Amerikaner zunächst noch zögerlich, dann aber mit zunehmender Entschlossenheit folgten.

Overys Darstellung, die auf einem gewaltigen Fundament an Quellen und Literatur ruht, ist ein prononciertes Statement zu zwei Fragen, die der Luftkrieg der Jahre 1939 bis 1945 - und zwar insbesondere der der westlichen Alliierten - bis zum heutigen Tag aufwirft: War ein derart rigider Luftkrieg, der nicht nur auf militärische, sondern immer auch auf zivile Ziele setzte, unter militärischen Gesichtspunkten wirklich sinnvoll? Und: Wie weit ließ sich eine solche Strategie noch ethisch vertreten? Das sind Fragen, die sich zunächst an die Führung der britischen und der amerikanischen Luftwaffen richten und erst in zweiter Linie an ihre Kontrahenten auf der Gegenseite. Denn mehr als drei Viertel jener 600 000 europäischen Luftkriegstoten starben durch Bombardements von RAF und USAAF, die ja nicht nur das Deutsche Reich, sondern auch die deutschen Verbündeten und - nicht zu vergessen - die von Deutschland besetzten Gebiete trafen.

Es ist das Problem dieser Studie, dass sich Overy bei der Beantwortung der ersten Frage, der Frage nach dem militärischen Sinn des Luftkriegs, zu sehr an den viel zu hohen Erwartungen der Vorkriegszeit und auch denen der alliierten Führung orientiert. Natürlich ließ sich ein Konflikt wie der Zweite Weltkrieg nicht allein aus der Luft entscheiden, und natürlich blieben die wirtschaftlichen, psychologischen und militärischen Folgen des strategischen Luftkriegs weit hinter den Hoffnungen seiner Initiatoren zurück.

Die Moral einer Massengesellschaft lässt sich nicht allein durch Brandund Sprengbomben "brechen". Doch ändert das nichts daran, dass der alliierte Luftkrieg gegen die Achsenmächte immer eine ganz wesentliche Voraussetzung für den Sieg der Alliierten in einem langen, globalen Ringen war, dessen Ergebnis sich unmöglich auf die Wirkung weniger Faktoren reduzieren lässt. Man sollte nicht vergessen, dass die westlichen Demokratien während der Jahre 1940 bis 1943 keine echte Chancen für einen militärischen Sieg in Zentraleuropa besaßen. Es waren allein die Flieger, die in diesen langen Jahren Hitlers Imperium wirklich angriffen. Kaum jemand war auf westalliierter Seite so gefährdet, kaum jemand hatte so hohe Verluste zu verkraften wie die Bomberbesatzungen.

Und noch etwas sollte nicht vergessen werden, insbesondere mit Blick auf die zweite Frage, die Frage nach der ethischen Berechtigung einer solchen Strategie: Es gab nur wenig, was den Deutschen eine solch eindrückliche Vorstellung von dem vermittelte, was sie selbst in Europa angerichtet hatten - sei es durch Angriffe aus der Luft, sei es durch Angriffe zu Lande - wie eben die Luftschläge von RAF und USAAF. Ein junger deutscher Soldat, der ebenfalls bei Overy zu Wort kommt, hat dies schon damals mit bemerkenswerter Klarheit erkannt; bei seinem Verhör gab er zu Protokoll: "Auf lange Sicht könnten eure Bombardements Deutschland guttun. Sie haben dem Land einen Vorgeschmack gegeben, mag er auch noch so bitter sein, wie der Krieg wirklich ist."

CHRISTIAN HARTMANN.

Richard Overy: Der Bombenkrieg. Europa 1939-1945. Aus dem Englischen von Hainer Kober. Rowohlt Verlag, Berlin 2014. 992 S., 39,95 [Euro].

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