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Napoleons Rußlandfeldzug ist legendär, über seine Hintergründe wird bis heute spekuliert. Warum ließ sich Napoleon auf dieses wahnwitzige Unternehmen ein? Wer war tatsächlich für den Brand von Moskau verantwortlich? Nicht nur Historiker, auch Schriftsteller hat das immer wieder beschäftigt, wie Lew Tolstojs vierbändiges Epos Krieg und Frieden eindrücklich beweist.Anka Muhlstein schildert die Geschichte des Feldzugs neu, mit Blick vor allem auf die menschlichen Beweggründe, die dem Desaster zugrunde lagen, und mit aufschlußreichen Augenzeugenberichten.Napoleon war nicht der erste und auch nicht…mehr

Produktbeschreibung
Napoleons Rußlandfeldzug ist legendär, über seine Hintergründe wird bis heute spekuliert. Warum ließ sich Napoleon auf dieses wahnwitzige Unternehmen ein? Wer war tatsächlich für den Brand von Moskau verantwortlich? Nicht nur Historiker, auch Schriftsteller hat das immer wieder beschäftigt, wie Lew Tolstojs vierbändiges Epos Krieg und Frieden eindrücklich beweist.Anka Muhlstein schildert die Geschichte des Feldzugs neu, mit Blick vor allem auf die menschlichen Beweggründe, die dem Desaster zugrunde lagen, und mit aufschlußreichen Augenzeugenberichten.Napoleon war nicht der erste und auch nicht der letzte, der sich auf einen aussichtslosen Krieg in einem Land einließ, von dem er nichts wußte. Im Sommer 1812 überfällt er Rußland, um Zar Alexander in die Knie zu zwingen, der ihm die Vorherrschaft in Europa streitig macht. Der erfolgsverwöhnte Kaiser rechnet mit einer siegreichen Entscheidungsschlacht. Aber ein Großteil seiner Truppe ist den Strapazen des mehr als 2000 Meilen langen Marsches nicht gewachsen; Hunger, Krankheiten, Desertionen und ungewöhnlich verlustreiche Schlachten dezimieren das aus den unterschiedlichsten Nationen zusammengesetzte Riesenheer. Nach dem Brand von Moskau bleibt Napoleon nichts anderes übrig als der Rückzug seiner völlig zerrütteten Armee, der in der Katastrophe an der Beresina endet.Anka Muhlstein erzählt vom Leiden und Sterben der Soldaten, von der beispiellosen Metzelei bei Borodino, sie schildert packend den Brand von Moskau und die hemmungslosen Plünderungen in der verlassenen Stadt. Die Stimmen der Beteiligten, auf französischer wie auf russischer Seite, verleihen ihrer Darstellung Leben und Anschaulichkeit.
Autorenporträt
Anka Muhlstein wurde 1935 in Paris geboren. Zusammen mit ihrem Mann, dem Romancier und Anwalt Louis Begley, lebt die Historikerin und Autorin seit 1974 in New York. 1996 wurde sie mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet.

Ulrich Kunzmann, geboren 1943, studierte Romanistik und arbeitete zunächst 20 Jahre lang als Dramaturg. Seit 1969 übersetzt er literarische Texte und Sachbücher aus dem Spanischen, Französischen und Portugiesischen ins Deutsche.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.05.2008

Der Untergang
Nahsicht auf die Menschennatur: Anka Muhlstein erzählt den Brand von Moskau
Bis 1914 blieb Napoleons Feldzug gegen Russland von 1812 für die Europäer das schrecklichste Kriegsereignis aller bisherigen Geschichte. Kein späterer Waffengang des 19. Jahrhunderts, die Kriege auf der Krim nach 1853, in Italien 1859 oder zwischen Deutschland und Frankreich 1870/71 erreichten die Opferzahlen und die mythische Gewalt dieses Ereignisses; dabei waren auch sie durchaus entsetzlich, nur von den barbarischen Kindern des 20. Jahrhunderts unterschätzt. In der Mitte des 19. Jahrhunderts behandelte dessen größter historischer Roman, Tolstois Epos „Krieg und Frieden”, den Russlandkrieg mit seinem Zentralereignis, der Auslöschung einer Stadt von 300 000 Einwohnern in einem Flammenmeer. Nicht einmal die Leipziger Völkerschlacht ein Jahr später, das in Zahlen größte Kriegsereignis der damals bekannten Weltgeschichte, vermochte den Eindruck zu übertreffen, den der Brand von Moskau hinterlassen hatte.
Nach ihm ist auch die Darstellung benannt, die die französische, in New York lebende Historikerin Anka Muhlstein diesem oft erzählten Ereignis gewidmet hat, im Original allerdings noch zugespitzter: „Napoléon à Moscou”. Damit ist die Grundkonstellation des Dramas benannt: der geniale Feldherr der Blitzkriege verloren in einem grenzenlosen, ja ungestalten, nur von wenigen zu Festungen ausgebauten Haltepunkten gegliederten Land.
Fruchtlose Leere
Muhlsteins Darstellung hält sich kaum auf mit der politischen Vorgeschichte des Feldzugs, dem immer prekären Verhältnis Napoleons zu Russland seit 1807, erwähnt nur kurz das Ausscheren des Zarenreichs aus der Kontinentalsperre, womit Napoleons zentrales weltpolitisches Anliegen, die Zerstörung der englischen Wirtschaftskraft, unterlaufen war. Nicht einmal die Grunddaten der beiden aufeinanderstoßenden Machtblöcke – das napoleonische Europa hatte etwa 70 Millionen Einwohner, Russland 30 Millionen – fallen. Vielmehr dominiert die Nahsicht auf das Kriegsgeschehen von Woche zu Woche, ja von Tag zu Tag.
Diese literarische Vorentscheidung wird von den Quellen nahegelegt. Wie so viele große Kriege hat auch dieser einen Strom von Augenzeugenberichten der Überlebenden hervorgebracht, nicht nur die Generalstabsliteratur der Heerführer, sondern auch Memoiren einfacher Soldaten oder der Betroffenen am Wegrand, vor allem in Moskau. Solche Nahsicht wiederholt den Eindruck rätselhafter Verschlossenheit bei ungemeiner Anschaulichkeit wie er auch in Tolstois Roman vorherrscht. Der lange Heerwurm von fast 600 000 Soldaten mit ihren Familien, den Fourageleuten, Marketendern, Wundärzten, Offizieren, kriecht scheinbar ratlos durch ein dünnbesiedeltes, teils sommerlich brütendes, teils steppenhaft dürres, von Mückenschwärmen oder Staubwolken überzogenes Land. Die Gegenpartei, ihrer numerischen Unterlegenheit gewahr, weicht in vorauseilend gleichem Rhythmus zurück.
Pläne gibt es, aber sie lassen sich nicht umsetzen. Napoleon setzte wie immer auf schnelle, entscheidende Hammerschläge; zwar hatte er riesige Vorratslager an den russischen Grenzen in Polen anlegen lassen, aber die fruchtlose Leere des Landes überraschte ihn doch: Hier konnte der Kriegs sich nicht mehr selbst ernähren wie im dichtbesiedelten Mitteleuropa. Die Russen wiederum hatten ursprünglich nicht vor, den Feind mit der schieren Größe des Landes zu besiegen, also durch tückisches Zurückweichen, wie später oft geglaubt wurde. Auf beiden Seiten fielen die Entscheidungen von Tag zu Tag, das Vorrücken, das Verweilen in Wilna oder Smolensk bei den Franzosen, das Ausweichen vor angebotenen Schlachten der Russen. Die Armeen Napoleons schmolzen sozusagen in der Sonne oder sie zerflossen im Regen, lange bevor sie zu erfrieren begannen. Bei Muhlstein wird deutlich, dass dieser Krieg schon vor Moskau für die Franzosen verloren war; die massenmörderische Schlachterei von Borodino im September war so sinnlos wie der Brand der alten russischen Kapitale.
Die Frage, wer Moskau angezündet hat, beantwortet auch Muhlstein nicht. Entscheidend war, dass mit dem Auszug des größten Teils der Bevölkerung – nur etwa 30 000 Menschen, ein Zehntel, blieben zurück – auch Polizei und Feuerwehren aus Moskau verschwanden. In einer so großen Stadt brennt es immer irgendwo; wenn sie zusätzlich noch weithin aus Holz gebaut ist, genügen kräftige Winde, um Großbrände wachsen zu lassen. So geschah es wohl; ob einzelne Brandstiftungen von russischer Seite dazu kamen, ist fast belanglos.
Das Herz des Buches sind die vier Wochen, die Napoleon vom 14. September bis zum 19. Oktober 1812 mit seiner auf kaum 100 000 Mann zusammengeschmolzenen Armee in Moskau verbrachte. Sie bieten ein grausiges Bild von der Menschennatur im Ausnahmezustand. Brandgeruch und Völlerei, Katastrophe und Amüsement durchdringen sich zu einem unvergesslichen Bild. Die Reste der an vielen Brandherden verglühenden Stadt waren noch so enorm, dass die Krieger sich ein vorübergehendes Leben im Luxus erlauben konnten; man leerte die unermesslich reichen Vorratskeller, hüllte sich in teure Stoffe, verheizte schimmerndes Mobiliar, häufte Diebesgut auf Kutschen oder packte es in Säcke und lebte so in einem orgiastischen Zustand der Gesetzlosigkeit.
Zügellose Apathie
Napoleon, zunächst krank, dann ratlos, verfällt inmitten des riesigen leeren Kremls, wo er das Feldbett mit dem weichen Pfuhl des Zaren vertauscht hat, in einen Zustand von zügelloser Apathie, der an einen anderen Diktator erinnert: „Er, der Berichte in einem Augenblick durchgesehen hatte, der leidenschaftliche Leser von Geschichtsbüchern und Klassikern des 17. Jahrhunderts, vertieft sich jetzt stundenlang auf einem Sofa in Romane. Statt des rasch entscheidenden, scharfsichtigen, begierig Informationen fordernden Mannes tritt ein Befehlshaber auf, der kaum danach verlangt, den Dingen auf den Grund zu gehen, der unangenehme Neuigkeiten zurückweist, der offenkundig unschlüssig ist.”
So führt auch dieser Krieg an Grenzen des Menschlichen in alle Richtungen. Den entsetzlichen Rückzug durch den Winter, der am Ende Nasenspitzen und Ohren abfror oder Pferde einfach umfallen ließ, muss der Historiker nur so nüchtern faktisch erzählen wie Anka Muhlstein, um Wirkung beim Leser zu erzielen. Als Napoleon, begleitet nur von seinem Großstallmeister Caulaincourt, am 18. Dezember 1812 den Louvre durch den Triumphbogen betrat, hatte er seine Fassung wiedergefunden: „Gute Nacht, Caulaincourt!”, sagte er, „Sie haben auch ihre Ruhe verdient.” Und das Bulletin, das der Welt den Untergang von einer halben Million Menschen bekannt machte, schloss mit dem Satz: „Die Gesundheit seiner Majestät war nie besser.” GUSTAV SEIBT
ANKA MUHLSTEIN: Der Brand von Moskau. Napoleon in Russland. Aus dem Französischen von Ulrich Kunzmann. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2008. 323 Seiten, 22,80 Euro.
Im Spagat zwischen Madrid und Moskau verliert der Kaiser seine Macht. So sah es eine französische Karikatur im Jahr 1814. Abb.: Bridgemanart.com
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Als "kleines Meisterwerk" lobt Rezensent Volker Ullrich diese historische Studie über Napoleons gescheiterten Russlandfeldzug im Jahr 1812. Aus seiner Sicht nämlich hat kaum jemand je dessen wahnwitzige und tragische Geschichte so "packend und anschaulich" geschildert, wie nun die in New York lebende französische Historikerin. Anka Muhlstein verbinde sorgfältige Kenntnisse von Quellen und Fachliteratur mit einem ausgeprägten Gespür für Dramatik und interessante Details. So kann ihm diese Autorin höchst eindrucksvoll die völlig neue Art der russischen Kriegsführung schildern, an der Napoleon und seine Armeen aufgerieben wurden, aber auch interessante Details aus dem Soldatenalltag dieses Krieges. In gewisser Weise ist aus Sicht des Rezensenten diese historische Studie sogar das französische Gegenstück zu Leo Tolstois Roman "Krieg und Frieden".

© Perlentaucher Medien GmbH
»Im kontinentalen Maßstab wiederholte Napoleon 1812 gegen Russland, was in Spanien Desaster geworden war. 500.000 Mann, die größte Armee, die die Weltgeschichte je registrierte, wälzten sich nach Osten. Die amerikanische Historikerin Anke Muhlstein hat diese Katastrophe so anschaulich wie selten in ihrem Buch Der Brand von Moskau erzählt.«
Michael Stürmer, DIE WELT