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Aus dem Englischen von Barbara Rojahn-Deyk
England in den fünfziger Jahren. Die kleine April zieht mit ihren Eltern aufs Land, wo sie das Café »Copper Kettle« übernehmen wollen. Zum Glück findet April bald eine beste Freundin, die rothaarige Ruby. Die beiden Mädchen richten sich in einem verlassenen Obstgarten ihren geheimen Schlupfwinkel ein. Hier steht ein alter Eisenbahnwaggon, ein Versteck, wie es sich jedes Kind erträumt.
Und im Dorf gibt es jede Menge interessante Leute: den zerstreuten Professor, der beinahe verlorengeht, Major Morton mit der Stahlplatte im Kopf, die beiden jungen
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Produktbeschreibung
Aus dem Englischen von Barbara Rojahn-Deyk

England in den fünfziger Jahren. Die kleine April zieht mit ihren Eltern aufs Land, wo sie das Café »Copper Kettle« übernehmen wollen. Zum Glück findet April bald eine beste Freundin, die rothaarige Ruby. Die beiden Mädchen richten sich in einem verlassenen Obstgarten ihren geheimen Schlupfwinkel ein. Hier steht ein alter Eisenbahnwaggon, ein Versteck, wie es sich jedes Kind erträumt.

Und im Dorf gibt es jede Menge interessante Leute: den zerstreuten Professor, der beinahe verlorengeht, Major Morton mit der Stahlplatte im Kopf, die beiden jungen Künstlerinnen aus London, die einen Hauch von Bohème mitbringen. Nur ist da auch Mr. Greenidge. Er gibt sich sehr freundlich, aber im geheimen stellt er April nach. Ständig will er, daß sie ihm einen Kuß gibt, und er sagt ihr so komische Dinge ...

April weiß nicht, wie sie sich dagegen wehren soll, denn schließlich muß man Erwachsenen gegenüber höflich sein. Und ihre Eltern finden es ausgesprochen nett, daß Mr. Greenidge sich so um sie kümmert. Auch Ruby hat Probleme: Immer wieder taucht sie in der Schule mit blauen Flecken und Schrammen auf. Jeder weiß, daß ihr Vater brutal und jähzornig ist und ihre Mutter gleichgültig wegschaut ...

Autorenporträt
Mackay, Shena
Shena Mackay, geboren 1944 in Edinburgh, lebt und arbeitet in London. Mit zwanzig Jahren veröffentlichte sie ihre ersten Erzählungen. Zahlreiche Romane folgten, für die sie u. a. den Fawcett Prize und zweimal den Scottish Arts Council Book Award gewann. 'Der brennende Obstgarten' wurde 1996 für den Booker Prize nominiert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.03.2000

Extra-Pennys eines alten Mannes
Blick in die Kindheit: Shena Mackays "Der brennende Obstgarten"

Kindheitserinnerungen schreiben die Erwachsenen um ihres späteren Lebens willen. Abzurechnen gilt es entweder mit den Fehlern und Schmerzen des Vergangenen, oder unerfüllte Sehnsüchte sollen gestillt werden. Dann legt sich gewöhnlich der milde Glanz eines verklärten "Es war einmal" darüber. In ihrem Roman "Der brennende Obstgarten" führt die in London lebende Schottin Shena Mackay, Jahrgang 1944, beides zusammen. Entstanden ist daraus ein Sittengemälde der englischen Nachkriegszeit, das die schwierige Balance zwischen Paradies und Wirklichkeit mit feinem Gespür für das Tragikomische über knapp dreihundert Seiten durchhält.

In den Sommerferien unternimmt die Lehrerin April Harlency, gleichaltrig mit der Autorin, einen Ausflug in die Provinz. Vor fast 45 Jahren war sie schon einmal an einem Sommertag in das kleine Nest Stonebridge gekommen, achtjährig damals und voller Neugierde auf das Leben, das ihre Eltern als Pächter einer heruntergekommenen Teestube beginnen wollten. Das war 1953, im selben Jahr, in dem Elisabeth die Zweite gekrönt wurde und Josef Stalin starb. Von diesen Ereignissen der großen Politik bekam die kleine April aus den Gesprächen der Erwachsenen zwar so manches mit; aber die lebhafte Fantasie des Mädchens schuf aus abstrakten Begriffen eine eigene anschauliche Wirklichkeit. Die harte Realität des Eisernen Vorhangs zum Beispiel verwandelte sich für sie in ein fernes Gebilde aus rostigem Wellblech, das mit weißen Blüten behängt war.

Schon am Tag ihrer Ankunft in Stonebridge lernt April - im Englischen ist das kein seltener Vorname - die temperamentvolle Ruby kennen, die schnell ihre "neue, erste, beste Freundin" wird. Gemeinsam ziehen die beiden Mädchen auf Entdeckungstouren in die Umgebung, schlagen ihr geheimes Quartier in einem verlassenen Obstgarten auf und sind sich in allen wichtigen Fragen einig: Die Lehrerin ist eine seltsame alte Jungfer, verbotene Gruselkrimis sind ein Hochgenuss, und beim Metzger des Dorfes darf man nichts kaufen, weil er ein brutaler Mörder ist und niedliche Ferkel umbringt. Ein wenig klingt das nach unbeschwerter Backfischromantik und ungehemmter englischer Tierliebe, doch stellt sich bald heraus, dass auch aus der Sicht kichernder Mädchen die Welt keinesfalls immer in rosaroten Schweinchenfarben gemalt ist.

Nüchtern registriert April, wie schäbig ihr neues Zuhause ist, an dessen Wänden "die Farbtöne von Fleisch mit Kartoffeln und Gemüse" vorherrschen. Über solche Unzulänglichkeiten lohnt sich für sie und ihre neue Freundin jedoch kein Gespräch, und erst recht sprechen sie nicht über die dunklen Geheimnisse, die ihnen aus Scham voreinander den Mund verschließen. April ahnt zwar längst, dass Rubys Vater, ein "Schweinemörder" auch er, seine Tochter schlägt und misshandelt. Ruby aber erfindet immer neue Ausreden für ihre Verletzungen: Die Kellertreppe sei sie hinuntergefallen oder habe sich irgendwo gestoßen. Als der jähzornige Vater ihr aber mit dem Brotmesser die flammendroten Haare absäbelt, fallen selbst der fantasievollen Ruby keine Ausflüchte mehr ein. Eine der eindringlichsten Szenen des Buches schildert Aprils freundschaftliche Solidarität angesichts dieser Verstümmelung. Großmütig bietet sie an, auf ihre eigenen Zöpfe zu verzichten, um der Freundin den Verlust leichter zu machen. Die gemeinschaftliche Opferhandlung im Kinderzimmer leidet allerdings unter dem handwerklichen Ungeschick der beiden Friseusen wider Willen, und so entdeckt April anschließend im Spiegel, dass sich ihr vertrautes Gesicht in das des mittelalterlichen Kleinbauern aus ihrem Schulbuch verwandelt hat. Lachen und Entsetzen halten sich die Waage.

Mit ihren Eltern hat April zwar keine Probleme, denn die bleiben bei allen finanziellen Sorgen liebevoll und bemühen sich um Verständnis für ihre Tochter. Allerdings sehen sie in dem Hundefreund Mister Greenidge allein den liebenswerten älteren Stammgast ihres Lokals, der immer ein nettes Wort und ab und zu einige Extra-Pennys für April hat. Das Mädchen aber kennt einen anderen Mister Greenidge: den, der sie heimlich verfolgt, mit Küssen und Liebesgeständnissen bedrängt und sie so berührt, dass sie sich schmutzig und schlecht fühlen muss. Darüber aber kann April mit niemandem sprechen und quält sich mit dem Gedanken, selbst die Schuld für das alles zu tragen. Denn warum sonst sollte der alte Mann ausgerechnet sie für seine verstohlenen Liebkosungen ausgesucht haben?

Das alles wird unaufgeregt und mit erstaunlicher Gelassenheit erzählt. Deutsche Leser, die in jüngster Zeit in allen Medien ausführlich über entsprechende Vorfälle informiert wurden, mag es verblüffen, wie kunstvoll-beiläufig Mackay das heikle Thema des sexuellen Missbrauchs in ihre Kindheitsgeschichte einbettet. Denn nicht um juristische Fragen oder soziale Anklage geht es der Autorin, sie konzentriert sich allein auf die Perspektive des Mädchens, das keinen rettenden Ausweg aus ihren Qualen sieht.

Immer stärker erweist sich das kleine Dorf, das anfangs so idyllisch erschien, als Spiegel der großen Welt. Zwar erklären Aprils Eltern als aufrechte Anhänger der Labour Party ihrer Tochter geduldig die Unmenschlichkeit der Todesstrafe; aber gegen Gewalt und Unrecht in ihrer Nachbarschaft vermögen sie nichts auszurichten und entdecken auch nicht die Ursache für den Kummer ihres Kindes. Mächtiger als jede Weltanschauung erweist sich schließlich die Unberechenbarkeit des Todes. Als der berühmte Kunstprofessor, den die beiden Freundinnen vom Bahnhof abholen sollen, auf dem Weg zu seinem Vortrag plötzlich stirbt, wissen auch die Erwachsenen keinen Trost. "Armer Hund", lautet der lakonische Kommentar von Aprils Vater, der den vermeintlich Betrunkenen gerade eben noch in seiner Schubkarre durch das Dorf gefahren hat - wieder einmal sind Komik und Ernst eng miteinander verflochten.

Mackay gönnt ihren Lesern kein Happy End. In dem entlegenen Obstgarten bricht eines Tages ein Feuer aus, und bald darauf verlieren sich die beiden Freundinnen aus den Augen; denn keine ihrer Familien hält es lange in Stonebridge aus. Der längst erwachsenen April bleibt bei ihrem Sommerausflug in das Land ihrer Kindheit nur die Entdeckung von Rubys Grab und die melancholische Erkenntnis, dass das Vergangene vergangen ist und Versäumtes sich nicht nachholen lässt.

SABINE DOERING.

Shena Mackay: "Der brennende Obstgarten". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Barbara Rojahn-Deyk. C. H. Beck Verlag, München 1999. 290 S., geb., 38,- DM.

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"Eine ebenso lapidare wie köstliche Kindheitsgeschichte aus den 50er Jahren im ländlichen England. Die scheinbare Dorfidylle ist von geheimer Gewalt durchsetzt, aber da April das, was sie sieht und miterlebt, nicht einordnen kann, nimmt sie es eben so hin. Was aus ihr geworden ist, erfahren wir am Rand auch. Ein wunderschönes, intelligentes Buch über ein Frauenleben." Ellen Pomikalko in 'BuchMarkt'

"Ein Sittengemälde der englischen Nachkriegszeit, das die schwierige Balance zwischen Paradies und Wirklichkeit mit feinem Gespür für das Tragikomische über knapp dreihundert Seiten durchhält ... Komik und Ernst, eng miteinander verflochten." Sabine Doering in der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung'

"Wunderbar leichtfüßige Sprache ... Für ihren Abschied von der Kindheit trifft Shena Mackay genau den richtigen Ton: wehmütig, ohne sentimental zu sein, mit aufblitzendem Witz und scharfem Blick für Skurriles." Süddeutsche Zeitung