Already in his first term of office Theodor Heuss laid the foundation for a new tradition in German history. In his person, a positive attitude towards democracy was uniquely united with extensive historical experience and a strong political will to shape the young state. Through his educated but at the same time folksy demeanor, he integrated the different groups of the population and sharpened the democratic consciousness of the citizens of this still-fragile democracy.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.2012Glücksfall
Heuss-Briefe 1949-1954
Alles diesseits des Protokolls: Der neue Band der "Stuttgarter Ausgabe" ist einer Auswahl von Briefen gewidmet, die Theodor Heuss als Bundespräsident zwischen September 1949 und September 1954 verfasste. Die 245 Stücke spiegeln Probleme der Frühgeschichte der Bundesrepublik wider, zeugen auch vom Humor und von der Schlagfertigkeit des 1884 geborenen Nationalökonoms, Journalisten, Honorarprofessors und Politikers (bis 1933: Deutsche Staatspartei, nach 1945: Demokratische Volkspartei und FDP). Heuss habe - so urteilen die Herausgeber treffend - "die Integration zum Leitwert seines Amtsverständnisses" gemacht und Stellung bezogen "gegen eine verantwortungslose Machtpolitik, welche die Autorität und den Bestand des Staates" untergrabe. Der Überparteilichkeit verpflichtet, habe er bei Konflikten als "politischer Mediator" und neben dem Bundesverfassungsgericht zumindest als "Mit-Hüter der Verfassung" fungiert.
Wenige Monate nach seinem Amtsantritt in Bonn meinte Heuss leicht ironisch gegenüber einer Zeitung zur Erwartungshaltung an ihn: "Ich bin ein Glücksfall! Die Welt möchte an der Spitze des deutschen Staates keinen General sehen, aber auch keinen Industriellen und keinen Arbeiterführer. Ich habe Bücher geschrieben. Das hat die Welt gern, so einen Deutschen, der Bücher schreibt und Gedichte macht." Und so reimte er zum 70. Geburtstag seiner Frau Elly im Januar 1951: "Wie im Nehmen, so im Geben/ galt das schöne Gleichgewicht/ als Gesetz für unser Leben:/ ,Einer war des andern Licht'." Und ein Gedicht zum 6. Geburtstag der Enkelin Barbara im September 1953 beginnt mit den Zeilen: "Der Großvater setzt sich auf seinen Popo/ Und träumt vor sich hin: das ist nun so."
Dienstlich ging es weniger lustig zu. Da ärgerte sich das Staatsoberhaupt über Pressefotografen und beschwerte sich im Mai 1951 bei dpa-Chef Fritz Sänger: "Ich lege Wert darauf . . ., dass ich nicht photographiert werde, wenn ich mit irgendjemandem, was ja unvermeidlich ist, ein Glas Wein trinke oder einen Kirsch. Ich will nicht haben, dass es dann heißt: ,Sie saufen wieder.'" Ausführlich dokumentiert sind der aussichtslose Kampf um eine neue Nationalhymne, sein Einsatz für die Begnadigung der in Landsberg und Spandau Inhaftierten auf der einen, für die Erinnerung an den deutschen Widerstand auf der anderen Seite sowie sein Anteil an der Stiftung des Bundesverdienstkreuzes. Letzteres geschehe "nicht aus dem Bedürfnis, latenten Schmucksehnsüchten der Menschenseele (sogenannte Knopflochschmerzen) zu genügen", sondern aus kühler Überlegung der Staatsräson, bekannte er Ende 1953. Damals schrieb er auch der Journalistin Margret Boveri nach einer Diplomaten-Jagd: "Ich selber, totaler Zivilist, habe dabei nicht einmal ein Gewehr in der Hand gehabt, sondern machte in acte de présence, was aber bei einem wunderbar lichten Altweibersommer-Wald sehr nett war."
RAINER BLASIUS
Theodor Heuss: Der Bundespräsident. Briefe 1949-1954. Herausgegeben und bearbeitet von Ernst Wolfgang Becker, Martin Vogt und Wolfram Werner. Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2012. 684 S., 39,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Heuss-Briefe 1949-1954
Alles diesseits des Protokolls: Der neue Band der "Stuttgarter Ausgabe" ist einer Auswahl von Briefen gewidmet, die Theodor Heuss als Bundespräsident zwischen September 1949 und September 1954 verfasste. Die 245 Stücke spiegeln Probleme der Frühgeschichte der Bundesrepublik wider, zeugen auch vom Humor und von der Schlagfertigkeit des 1884 geborenen Nationalökonoms, Journalisten, Honorarprofessors und Politikers (bis 1933: Deutsche Staatspartei, nach 1945: Demokratische Volkspartei und FDP). Heuss habe - so urteilen die Herausgeber treffend - "die Integration zum Leitwert seines Amtsverständnisses" gemacht und Stellung bezogen "gegen eine verantwortungslose Machtpolitik, welche die Autorität und den Bestand des Staates" untergrabe. Der Überparteilichkeit verpflichtet, habe er bei Konflikten als "politischer Mediator" und neben dem Bundesverfassungsgericht zumindest als "Mit-Hüter der Verfassung" fungiert.
Wenige Monate nach seinem Amtsantritt in Bonn meinte Heuss leicht ironisch gegenüber einer Zeitung zur Erwartungshaltung an ihn: "Ich bin ein Glücksfall! Die Welt möchte an der Spitze des deutschen Staates keinen General sehen, aber auch keinen Industriellen und keinen Arbeiterführer. Ich habe Bücher geschrieben. Das hat die Welt gern, so einen Deutschen, der Bücher schreibt und Gedichte macht." Und so reimte er zum 70. Geburtstag seiner Frau Elly im Januar 1951: "Wie im Nehmen, so im Geben/ galt das schöne Gleichgewicht/ als Gesetz für unser Leben:/ ,Einer war des andern Licht'." Und ein Gedicht zum 6. Geburtstag der Enkelin Barbara im September 1953 beginnt mit den Zeilen: "Der Großvater setzt sich auf seinen Popo/ Und träumt vor sich hin: das ist nun so."
Dienstlich ging es weniger lustig zu. Da ärgerte sich das Staatsoberhaupt über Pressefotografen und beschwerte sich im Mai 1951 bei dpa-Chef Fritz Sänger: "Ich lege Wert darauf . . ., dass ich nicht photographiert werde, wenn ich mit irgendjemandem, was ja unvermeidlich ist, ein Glas Wein trinke oder einen Kirsch. Ich will nicht haben, dass es dann heißt: ,Sie saufen wieder.'" Ausführlich dokumentiert sind der aussichtslose Kampf um eine neue Nationalhymne, sein Einsatz für die Begnadigung der in Landsberg und Spandau Inhaftierten auf der einen, für die Erinnerung an den deutschen Widerstand auf der anderen Seite sowie sein Anteil an der Stiftung des Bundesverdienstkreuzes. Letzteres geschehe "nicht aus dem Bedürfnis, latenten Schmucksehnsüchten der Menschenseele (sogenannte Knopflochschmerzen) zu genügen", sondern aus kühler Überlegung der Staatsräson, bekannte er Ende 1953. Damals schrieb er auch der Journalistin Margret Boveri nach einer Diplomaten-Jagd: "Ich selber, totaler Zivilist, habe dabei nicht einmal ein Gewehr in der Hand gehabt, sondern machte in acte de présence, was aber bei einem wunderbar lichten Altweibersommer-Wald sehr nett war."
RAINER BLASIUS
Theodor Heuss: Der Bundespräsident. Briefe 1949-1954. Herausgegeben und bearbeitet von Ernst Wolfgang Becker, Martin Vogt und Wolfram Werner. Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2012. 684 S., 39,95 [Euro].
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