Schade – dieser Artikel ist leider ausverkauft. Sobald wir wissen, ob und wann der Artikel wieder verfügbar ist, informieren wir Sie an dieser Stelle.
  • Broschiertes Buch

Im Jahre 2009 hat sich der Gesetzgeber entschlossen, die parlamentarische Kontrolle im nachrichtendienstlichen Tätigkeitsbereich des Bundes explizit im Grundgesetz zu verankern. Artikel 45d GG sieht seitdem die Einsetzung eines "Parlamentarischen Kontrollgremiums" vor. Die Untersuchung greift die unterschiedlichen rechtlichen Bewertungen dazu auf, stellt die Rechtslage vor und nach Implementierung dar und kommt zu dem Ergebnis, dass Art. 45d GG eine insoweit neubestimmende Wirkung auf das Kontrollverhältnis von Bundestag und Bundesregierung nicht beigemessen werden kann. Im Hinblick auf die…mehr

Produktbeschreibung
Im Jahre 2009 hat sich der Gesetzgeber entschlossen, die parlamentarische Kontrolle im nachrichtendienstlichen Tätigkeitsbereich des Bundes explizit im Grundgesetz zu verankern. Artikel 45d GG sieht seitdem die Einsetzung eines "Parlamentarischen Kontrollgremiums" vor. Die Untersuchung greift die unterschiedlichen rechtlichen Bewertungen dazu auf, stellt die Rechtslage vor und nach Implementierung dar und kommt zu dem Ergebnis, dass Art. 45d GG eine insoweit neubestimmende Wirkung auf das Kontrollverhältnis von Bundestag und Bundesregierung nicht beigemessen werden kann. Im Hinblick auf die zunehmend problematische "Vernachrichtendienstlichung der Polizei" entfaltet Art. 45d GG gleichwohl rechtliche Wirksamkeit, die vor allem von rechtspolitischem Interesse sein dürfte, zumal die Norm dem Prinzip der "wehrhaften Demokratie" zugleich eine rechtlich bedeutsame Stärkung verliehen hat.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.08.2014

Wie geheim darf es sein?
Parlamentarische Kontrolle deutscher Nachrichtendienste

Dass eine effektive Kontrolle der Geheimdienste ein schwieriges Unterfangen ist, wissen wir nicht erst seit den Enthüllungen über die exzessive Überwachungstätigkeit der NSA. Geheimdienste müssen, wenn sie die ihnen zugewiesenen Sicherheitsaufgaben erfolgreich erfüllen sollen, im Verborgenen agieren, unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel Informationen sammeln, auswerten und weiterleiten. Aber wenn sie nicht zu einem eigenmächtigen, sich von verfassungsrechtlichen Bindungen frei zeichnenden Staat im Staate werden sollen, müssen sie auch einer wirksamen Kontrolle unterzogen werden.

Die rechtlich wie politisch anspruchsvolle Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes oder genauer: der Bundesregierung im Bereich der Nachrichtendienste fällt in die Zuständigkeit des sogenannten Parlamentarischen Kontrollgremiums, eines kleinen, geheim tagenden Gremiums, dessen Mitglieder durch den Bundestag gewählt werden. Funktional übernimmt dieses Gremium als selbständiges Hilfsorgan eine Aufgabe, die sonst dem Plenum oder den Ausschüssen des Bundestages zufällt. Mit dem 2009 ins Grundgesetz (GG) eingefügten Artikel 45d hat dieses Gremium erstmals eine verfassungsrechtliche Grundlage erhalten, die allerdings mehr als wortkarg ist und die gesamte nähere Ausgestaltung seiner Rechtsstellung weiterhin dem einfachen Gesetzgeber überlässt, so dass sich die Frage stellt, ob der Vorschrift überhaupt konstitutive Bedeutung für die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste zukommt.

Die Kontrolle durch das Gremium ist als begleitende, "mitwirkende" ausgestaltet; sie erfasst also auch und gerade noch nicht abgeschlossene "Vorgänge", das heißt das laufende nachrichtendienstliche Geschäft. Nur so kann mangels Öffentlichkeit die Wirksamkeit der Kontrolle gewährleistet werden. Mitwirkende Kontrolle funktioniert allerdings nur dann, wenn sich das Kontrollorgan auf eine rechtzeitige und vollständige Information seitens der Bundesregierung verlassen kann. Da die Opposition auf unzureichende Information durch die Bundesregierung nicht öffentlichkeitswirksam reagieren kann, bedarf es kompensatorisch einer Ergänzung dieses Fremdinformationsrechts durch ein akzessorisches Selbstinformationsrecht des Gremiums.

Die "Vernachrichtendienstlichung" von Polizeibehörden und eine dadurch notwendig werdende Anwendung materiellen Geheimschutzes führen zu Lücken bei der parlamentarischen Kontrolle, die nur durch eine Einbeziehung nachrichtendienstlicher Tätigkeit dieser Behörden in die Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium geschlossen werden können. Artikel 45d GG muss in dieser Weise ausgelegt werden; der gesetzlich gezogene Kontrollrahmen erweist sich als zu eng.

Für die Besetzung des Gremiums gilt der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit: Es muss als verkleinertes Abbild des Plenums in seiner Zusammensetzung die dort vertretenen Fraktionen in ihrer Stärke widerspiegeln. Dieser Grundsatz darf nur ausnahmsweise aus Gründen des Verfassungsschutzes durchbrochen werden. Artikel 45d GG soll dem Bundestag nicht nur das Recht geben, bei der Gremiumsbesetzung geheimnisunfähige oder -unwillige Abgeordnete unberücksichtigt zu lassen, sondern auch Abgeordneten, die als verfassungsfeindlich angesehenen und daher nachrichtendienstlich observierten Parteien angehören, den Zugang zu verweigern. Artikel 45d GG wird so zum Bestandteil des Konzepts der "wehrhaften" Demokratie, die sich gegen eine ausufernde Praxis der Geheimdienste ebenso schützen muss wie gegen eine Beeinträchtigung der Geheimheit und damit Effektivität dieser Dienste und deren parlamentarischer Kontrolle.

CHRISTIAN HILLGRUBER

Marcel Hempel: Der Bundestag und die Nachrichtendienste - eine Neubestimmung durch Art. 45d GG? Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2014. 249 S., 69,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
"Gleichwohl: Wer zukünftig zur parlamentarischen Kontrolle der hier interessierenden exekutiven Tätigkeiten forscht oder Art. 45d GG kommentiert, wird an der Untersuchung von Hempel kaum vorbeikommen." Prof. Dr. Fredrik Roggan, in: Deutsches Verwaltungsblatt, 21/2015