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In den Protokollen des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages von Juli bis Dezember 1952 spiegeln sich die Auseinandersetzungen um die Sicherheitspolitik der Bundesrepublik und ihrer Streitkräfte an der Nahtstelle zwischen Parlament, Bundeswehrführung und Öffentlichkeit besonders ausdifferenziert wider. Die Einfügung einer neuen Wehrverfassung in die Vorgaben des Grundgesetzes wird ebenso greifbar wie die Anpassungen von Bündnisstrategie und nationaler Verteidigungsplanung an die sicherheitspolitischen Herausforderungen eines sich wandelnden Ost-West-Konfliktes und das Ringen um…mehr

Produktbeschreibung
In den Protokollen des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages von Juli bis Dezember 1952 spiegeln sich die Auseinandersetzungen um die Sicherheitspolitik der Bundesrepublik und ihrer Streitkräfte an der Nahtstelle zwischen Parlament, Bundeswehrführung und Öffentlichkeit besonders ausdifferenziert wider. Die Einfügung einer neuen Wehrverfassung in die Vorgaben des Grundgesetzes wird ebenso greifbar wie die Anpassungen von Bündnisstrategie und nationaler Verteidigungsplanung an die sicherheitspolitischen Herausforderungen eines sich wandelnden Ost-West-Konfliktes und das Ringen um die großen Rüstungsprogramme. Ein wissenschaftlicher Apparat mit Querverweisen auf Forschungsliteratur und parallele Aktenbestände hilft bei der Erschließung der Detailfragen in den Protokollen wie in den zur Verhandlung kommenden Vorlagen.
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Autorenporträt
Hans-Erich Volkmann, geboren 1938 in Montabaur, Direktor und Professor am Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br.
Veröffentlichungen u.a.: Die NS-Wirtschaft in Vorbereitung des Krieges, in: Ursachen und Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik, Stuttgart 1979 (= Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 1), S. 177-370; als Hrsg.: Ende des Dritten Reiches - Ende des Zweiten Weltkrieges. Ein perspektivische Rückschau, München, Zürich 1995; als Hrsg. gemeinsam mit Rolf-Dieter Müller: Die Wehrmacht. Mythos und Realität, München 1999.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.05.2006

Schach dem Kanzler!
Der Ausschuß zur Mitberatung des EVG-Vertrages im Jahr 1952

Auch wenn Arnulf Barings griffige Formel von 1969 "Im Anfang war Adenauer - so läßt sich der Beginn der Bundesrepublik kurz kennzeichnen" später präzisiert worden ist ("Im Anfang waren die Amerikaner"), kennzeichnet sie den Beginn der revolutionären Bonner Westintegrationspolitik. Inzwischen ist die mit ihr verknüpfte Sicherheits- und Militärpolitik gut erforscht, während grundlegende Aktenpublikationen noch fehlen. Diese Situation wird sich verbessern durch die angekündigte Edition der Protokolle des 1956 konstituierten Verteidigungsausschusses des Bundestags. Dessen Vorläufer war ein eigener, zur Mitberatung des EVG-Vertrages eingesetzter Ausschuß, der vom 19. Juli bis zum 3. Dezember 1952 tagte. Die Niederschriften seiner insgesamt 22 Sitzungen sind jetzt in einem Band zugänglich.

Ende April 1952 lag der Vertrag über eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) unterschriftsreif vor, den der französische Regierungschef René Pleven bereits 1950 vorgeschlagen hatte, mußte aber noch von den Parlamenten in Paris und Bonn ratifiziert werden. Das galt auch für den mit ihm verbundenen "Deutschlandvertrag" über die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu den drei Mächten. Mit beiden Abkommen suchten die Vereinigten Staaten, Frankreich und Großbritannien - als Garanten für die Sicherheit der Bundesrepublik - gleichzeitig ein für sie heikles Problem zu lösen: Wie ließ sich eine Verstärkung alliierter Truppen durch deutsche Streitkräfte, wie sie die Nato benötigte, erreichen, ohne eigene Sicherheitsinteressen zu gefährden? Die Antwort lautete: durch Einbindung in eine europäische Armee.

An der Ausführung des EVG-Vertrags war vor allem die "Dienststelle Blank" unter Adenauers neuem "Beauftragten für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen", dem CDU-Abgeordneten Theodor Blank, beteiligt. Sie galt als Grundstock eines Verteidigungsministeriums, jedoch ohne parlamentarische Kontrolle. Um diesen Zustand zu ändern, erreichten Abgeordnete der Koalition wie der Opposition im Juli 1952 die Einsetzung des Ausschusses zur Mitberatung des EVG-Vertrags und der mit ihm zusammenhängenden Abkommen. Vorsitzender des 21köpfigen Gremiums wurde Franz Josef Strauß (CSU), sein Stellvertreter Fritz Erler (SPD).

Zum Ärger des Kanzlers ging der Ausschuß keineswegs rasch an die Beratung der Verträge, sondern zunächst in die Sommerpause. "Das politische Spiel hieß", so kommentiert Herausgeber Hans-Erich Volkmann, ",Schach dem Kanzler', ohne ihn matt zu setzen." Dann aber arbeitete der Ausschuß zügig und konstruktiv. Unter seinen SPD-Mitgliedern spielte Erler eine herausragende Rolle, auch wenn die Oppositionspolitiker in Distanz zu dem auf 50 Jahre geplanten Vertrag verblieben. Die Abgeordneten berieten Möglichkeiten und Umfang, Kosten und Folgen der militärischen Verteidigungsleistungen. Dabei kannten sie nicht die entsprechenden Ansätze der Vertragsstaaten; denn die Bundesregierung rückte deren Grundlage, den Nato-Fragebogen ("streng geheim"), nicht heraus. So beschafften sich die Parlamentarier ihre Informationen durch gezielte Fragen. Sie waren sich darin einig, in den künftigen Eigenbeitrag die Berlin-Hilfe der Bundesrepublik sowie bestimmte Sozialleistungen als "abzugsfähig" einzusetzen.

Der Ausschuß beschäftigte sich mit allen nur denkbaren militärpolitischen, -technischen und -rechtlichen Themen, mit Besoldungs- und Disziplinarfragen, mit Problemen der Rüstungswirtschaft und Auftragsvergabe, der Rekrutierung und Motivierung wie mit solchen des Völkerrechts und eines eigenen Sanitätswesens, selbst mit der Verpflegung gemischter Verbände angesichts regional unterschiedlicher Geschmäcker. In den Debatten über Rechte und Pflichten der neuen Armee, über Grußpflicht und Dienstgrade wie über tausend Einzelprobleme des militärischen Alltags brachten viele Abgeordnete eigene Erfahrungen ein, nicht zuletzt Strauß, der sich schon als künftigen Verteidigungsminister sah. Sie erfuhren das Konzept des "Bürgers in Uniform" ebenso wie das einer "europäischen Erziehung" der Offiziere. Einhellig empfahlen sie, in der Europaarmee das bewährte deutsche Maschinengewehr 42 einzuführen.

Die im Ausschuß geleistete "parlamentarische Knochenarbeit", deren Ergebnis dem Auswärtigen Ausschuß zuging, blieb ohne unmittelbare Auswirkungen. Ende August 1954 kippte die Nationalversammlung in Paris den bereits ratifizierten EVG-Vertrag. Dennoch haben die Debatten des Ausschusses, in dem Blank und seine zivilen wie militärischen Sachverständigen - darunter Adolf Heusinger und Hans Speidel - eine gute Figur machten, das parlamentarische Zusammenspiel gefördert und die Diskussionen um die Bundeswehr positiv beeinflußt. Manche Vorschläge des Ausschusses wurden zudem später realisiert. Seine Sitzungsprotokolle sind dicht und sorgfältig kommentiert, wo nötig, mit Belegen bis zurück in die Verfassung des Deutschen Bundes. Die sachlich ergiebige Einführung Volkmanns ist frei von früheren Fehleinschätzungen des Autors über die Wiedervereinigungspolitik Adenauers.

RUDOLF MORSEY

Der Bundestagsausschuß für Verteidigung und seine Vorläufer. Band 1: Der Ausschuß zur Mitberatung des EVG-Vertrages Juli bis Dezember 1952. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes herausgegeben und bearbeitet von Hans-Erich Volkmann. Droste Verlag, Düsseldorf 2006. 1046 S., 49,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Aufschlussreich findet Rezensent Rudolf Morsey diesen Band, der Protokolle der Sitzungen des Ausschusses zur Mitberatung des EVG-Vertrages zugänglich macht. Der Ausschuss, ein Vorläufer des 1956 konstituierten Bundestagsausschuss für Verteidigung, befasste sich nach Angaben Morseys mit der damals anstehenden Einbindung der Bundeswehr in eine europäische Armee, die im Vertrag über eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) geregelt werden sollte. Auch wenn die geleistete Arbeit letztlich ohne unmittelbare Auswirkungen blieb, da die Nationalversammlung in Paris den bereits ratifizierten EVG-Vertrag kippte, bewertet Morsey die Debatten des Ausschuss positiv. Er bescheinigt ihnen, das parlamentarische Zusammenspiel gefördert und die Diskussionen um die Bundeswehr angeregt zu haben. Hans-Erich Volkmanns Kommentierung der Sitzungsprotokolle lobt er als "dicht und sorgfältig", seine Einführung als "sachlich ergiebig".

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