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Der Buzi-Maler - Kurz, Hermann
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  • Gebundenes Buch

Emil Kneiß - dieser Name ist kaum jemand in München oder dem Oberland noch bekannt. Und das, obwohl es zwei seiner Schöpfungen zu regelrechtem Weltruhm gebracht haben: Täglich finden sich unzählige Einheimische und Touristen im "Großen Bräustüberl"-Saal des bekannten Tegernseer Bräustüberls unter dem Bild vom "Buzi" und seinem Herrchen ein. Und jährlich paradieren beim Münchner Oktoberfest am Turm des "Winzerer Fähndls" die stattlichen, ihre Maßkrüge schwingenden Bedienungen, die Kneiß 1911 als "Kellnerinnenparade" gezeichnet hatte, an ihrem internationalen Publikum vorbei.Doch Kneiß konnte…mehr

Produktbeschreibung
Emil Kneiß - dieser Name ist kaum jemand in München oder dem Oberland noch bekannt. Und das, obwohl es zwei seiner Schöpfungen zu regelrechtem Weltruhm gebracht haben: Täglich finden sich unzählige Einheimische und Touristen im "Großen Bräustüberl"-Saal des bekannten Tegernseer Bräustüberls unter dem Bild vom "Buzi" und seinem Herrchen ein. Und jährlich paradieren beim Münchner Oktoberfest am Turm des "Winzerer Fähndls" die stattlichen, ihre Maßkrüge schwingenden Bedienungen, die Kneiß 1911 als "Kellnerinnenparade" gezeichnet hatte, an ihrem internationalen Publikum vorbei.Doch Kneiß konnte noch weitaus mehr: Seiner Ausbildung an der Akademie der Bildenden Künste folgte ein rasanter Aufstieg als Maler und Grafiker, vor allem aber als Karikaturist. Er begleitete mit seiner Zeichenfeder z. B. das Aufkommen von Fahrrad und Automobil und schuf über 200 Postkarten, die meist den Münchner Bierkonsum schmunzelnd aufs Korn nahmen. Mit dem Aufkommen der Kinematographen produzierte Kneiß als einer der Ersten von Hand gezeichnete Trickfilme.Als einer der profundesten Kenner von Kneiß' Schaffen legt Hermann Kurz nun die erste Biografie und Werkschau zu diesem lange vergessenen Maler und Münchner Original vor. Viele hochwertige Abbildungen gewähren nicht nur Einblick in die Arbeit von Emil Kneiß, sondern zeigen die ganze Qualität des außergewöhnlichen und vielseitigen bayerischen Künstlers.
Autorenporträt
Kurz, HermannHermann Kurz, bis 2009 Gymnasiallehrer, seitdem Archivpfl eger für den Altlandkreis Grafenau. Bei der Digitalisierung der Ausgaben des Grafenauer Anzeigers fielen ihm politische und gesellschaftliche Karikaturen auf, deren Signaturen erst nicht zu entschlüsseln waren - sie stammten alle vom Maler Emil Kneiß. Von diesem Moment an ließ Kurz diese vergessene Künstlerpersönlichkeit nicht mehr los. Mit großem Engagement und Wissen gelang es ihm, Kneiß' Leben nachzuvollziehen und große Teile seines lange verschollenen Werkes wieder aufzuspüren.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung

Der Buzi und sein Meister
Emil Kneiß hat als Künstler Gemälde in Wirtschaften gemalt, aber vor allem Karikaturen von Bauernlackln, Radlern und
diensteifrige Polizisten. Ein Buch von Hermann Kurz widmet sich dem Leben des Zeichners – in dem es auch dunkle Kapitel gibt
VON WOLFGANG GÖRL
Wer gelegentlich im Herzoglichen Bräustüberl Tegernsee einkehrt, kennt wahrscheinlich das groteske Paar, das unter einem Gewölbebogen im großen Gastraum an die Wand gemalt ist. Da ist ein Bayer mit Hacklstecken und Gamsbarthut, Typ alter Grantler, der einen Bierbauch von der Größe eines Medizinballs vor sich herträgt. Unter der Wampen, für deren Besitzer unsichtbar, macht ein kleiner Hund Männchen. Dazu der Text: „Wo steckt er denn wieder, der Buzi, dös Hundsvieh, dös miserablige!“
Herr und Hund sind mittlerweile zu einer Art Markenzeichen des Tegernseer Bräustüberls geworden, sogar Geschirrtücher und Smartphone-Hüllen mit dem Buzi-Logo gibt es im dortigen Shop zu kaufen. Wer aber hat den Butzi und sein beleibtes Herrchen gemalt? Nun, der Künstler heißt Emil Kneiß, geboren 1867 in Frankfurt am Main, gestorben 1956 in München. Der Grafenauer Archivpfleger Hermann Kurz hat sich auf die Spuren dieses vielseitigen, wenn auch nicht ganz unproblematischen Künstlers begeben und im Volk-Verlag eine Biografie vorgelegt, die nicht zuletzt mit einem hervorragenden Bildteil besticht. Den Münchner, so verraten die Zeichnungen, hat Kneiß vorwiegend als rundschädligen Bierdimpfl wahrgenommen, wobei eine gewisse Sympathie für diesen Typus in den Karikaturen stets durchschimmert. Kneiß’ Lebensmittelpunkt war München, und wer in der Stadt nach künstlerischen Hinterlassenschaften sucht, findet sie im Wirtshaus Tattenbach, dessen prächtige Deckenbemalung von Kneiß stammt. Berühmter aber ist die 1911 geschaffene Postkartenzeichnung „Kellerinnenparade“, deren Motiv den Paulaner-Turm auf der Wiesn ziert.
Kneiß’ Eltern waren Schauspieler. Als Emil auf die Welt kam, weilten sie gerade in Frankfurt, wo der Vater Ludwig Kneiß ein Engagement hatte. 1872 zog die Familie wieder nach München. Am Gärtnerplatztheater erhielt Ludwig Kneiß eine Stelle als Schauspieler und Sekretär. Sein Sohn Emil absolvierte nach dem Besuch des Realgymnasiums eine Lithografenlehre. Und er hatte Talent: Mit knapp 18 Jahren ergatterte er einen Studienplatz an der Akademie der Bildenden Kunst.
Eine Begabung war bei dem jungen Kunststudenten besonders ausgeprägt: Karikaturen und humoristische Zeichnungen zu Papier zu bringen. Dies trug bald Früchte, allerdings auf einem eher ungewöhnlichen Feld. Damals, gegen Ende des 19. Jahrhunderts, kam das Radfahren auch in München in Mode, und für die Radlpioniere gab es sogar eine einschlägige Zeitschrift mit dem ebenso programmatischen wie humorlosen Titel Radfahr-Humor. Für dieses Blatt fertigte Kneiß lustige Zeichnungen an, die oft abenteuerliche Stürze und skurrile Pannen schildern, vor allem aber den ständigen Ärger, den die Radler mit der Polizei hatten. Kneiß kannte sich aus in der Sache, er war selbst begeisterter Radfahrer. Damals benötigte man noch eine behördliche Genehmigung, um aufs Hochrad und bald dann auch aufs Niederrad zu steigen. „Um 1892“, schreibt Kurz, „besaß Kneiß bereits eine ‚Fahrkarte‘, eine Erlaubnis, mit dem Velociped Nr. 1472 öffentliche Straßen befahren zu dürfen“. Mit Blick auf heute darf man sagen: Es war nicht alles schlecht in der alten Zeit.
Kneiß’ Humor ist meist harmlos und mitunter auch mal derb, die besten Blätter gelingen dem Zeichner, wenn er Figuren gestaltet, deren Gesichtern man ansieht, welche Eigenheiten und Schrullen sie pflegen: diensteifrige Polizisten beispielsweise, geschniegelte Gigerl oder grobe Bauernlackl. Im Kampf mit der Obrigkeit stand Kneiß stets auf Seiten der Radfahrer, und als dann allmählich die Automobilisten als Objekt polizeilicher Schikanen in den Vordergrund rückten, setzte er seine Sticheleien gegen die Ordnungshüter fort. Das war schon deshalb konsequent, weil Kneiß Gründungsmitglied des „Allgemeinen Schnauferl Clubs“ war. Für dessen Vereinsorgan Das Schnauferl, Fliegende Blätter für Autler-Humor fertigte er Autofahrer-Karikaturen an, in denen die Polizei erneut als natürlicher Feind der modernen Mobilität auftrat. Zudem malte und zeichnete Kneiß farbige Postkarten, Plakate, Illustrationen für Bücher und Faschingszeitungen sowie Reklametafeln, oder er dekorierte Gaststätten und Privathäuser mit seinen Malereien. Aber er hatte auch eine Ader für technische Neuerungen, deren künstlerisches Potenzial er durchaus erkannte: Als die Kinematografie, mithin der Film, aufkam, machte sich Kneiß daran, Trickfilme zu erstellen. Das war mühsam: Zahllose Zeichnungen mussten angefertigt werden, um die Illusion von Bewegung zu erzielen. Als Pionier des Zeichentrickfilms profilierte sich Kneiß unter anderem mit dem dreiminütigen Western „Texas-Jack zähmt ein wildes Pferd“.
Von 1928 an fabrizierte Kneiß Karikaturen für den Bayerischen Zeitungsblock, eine Mantelzeitung, die in der Region München erschien. Herausgeber war Klaus Eck, einst Chefredakteur des Miesbacher Anzeigers, in dem Anfang der Zwanzigerjahre Ludwig Thomas seine berüchtigten antisemitischen Tiraden publizierte. Gedruckt wurde das Blatt im Münchner Buchgewerbehaus in der Schellingstraße, dort, wo auch der Völkische Beobachter aus der Rotation kam. Hermann Kurz zufolge war der Bayerische Zeitungsblock jedoch „bürgerlich-konservativ, eher der Bayerischen Volkspartei nahestehend“.
Neben Spötteleien über die Mode, Touristen oder Biertrinker nahm Kneiß vor allem die Politik aufs Korn. Zielscheibe war besonders die Regierung in Berlin, die dem braven bayerischen Löwen, so die gängige Lesart im Freistaat, das Leben schwer machte. Biograf Kurz sieht den Zeichner auf Seiten der Bayerischen Volkspartei und des damaligen Ministerpräsidenten Heinrich Held. Man darf vermuten, dass Kneiß’ häufige Lästereien Richtung Berlin von antirepublikanischen Lesern als generelle Schmähung der Weimarer Republik verstanden wurden. Mit den immer stärker werdenden Nazis beschäftigte sich Kneiß in seinen Karikaturen bis 1933 hingegen fast gar nicht.
Kaum waren die Nationalsozialisten an der Macht, geriet der Bayerische Zeitungsblock sukzessive in die Hände der NSDAP. Satirische Freiheiten konnte sich nun niemand mehr erlauben. Wenn möglich, wich Kneiß auf unverfängliche Themen aus. Auf Dauer ging das aber nicht, schreibt Kurz: „Aber je mehr Hitler nun die Bevölkerung auf einen Krieg vorbereitete, der von den ‚jüdischen Kriegsgewinnlern‘ und den ‚jüdischen Bolschewisten‘ ausgehen würde, umso häufiger tauchten in den Kneiß-Karikaturen durch krumme Nasen und Fettleibigkeit als Juden gekennzeichnete Vertreter des Kapitalismus, der Weltpresse, aber auch des Bolschewismus auf.“
Dies ist noch sehr nachsichtig formuliert. Kneiß bediente sich in den betreffenden Zeichnungen eindeutig antisemitischer Stereotype, wie man sie ganz genauso im NS-Blatt Der Stürmer finden würde. Besonders widerwärtig ist eine Karikatur, die den ehemaligen Reichstagspräsidenten Paul Löbe (SPD) zwangsarbeitend hinter KZ-Stacheldraht zeigt, während der bayerische Löwe gemütlich pfeifeschmauchend am Zaun vorbeispaziert und zynische Sprüche reißt. Mag sein, dass Kneiß als Privatmann eher altbairisch-konservativ gestimmt und kein in der Wolle gefärbter Nazi war – in einigen seiner Karikaturen aber mutierte er zum rassistischen Hetzer und nationalsozialistischen Propagandisten. Es hätte dem Buch gut getan, wäre sein Autor in diesem Punkt deutlicher geworden. Dass Emil Kneiß von März 1941 an aus ungeklärten Gründen bis Kriegsende nichts mehr publizierte, exkulpiert ihn keineswegs für die Abscheulichkeiten, die er zuvor produziert hat.
Beim Blättern durch den lobenswert umfangreichen Bildteil beschleicht einen das Gefühl, dass Kneiß sein Talent nur unzureichend ausgeschöpft hat. Hier findet sich beispielsweise ein großartiges Blatt mit bäuerlichen Charakterköpfen, das zeigt, wozu er imstande gewesen wäre, wenn er sich häufiger von klischeehaften Vorstellungen gelöst hätte.
Gewiss hatte der „Buzi-Maler“ nicht die stupende Qualität der zeitgenössischen Simplicissimus-Meister Thomas Theodor Heine, Olaf Gulbransson oder Eduard Thöny. Gleichwohl verkörpert er ein Stück Münchner Kulturgeschichte, das ins Licht zu rücken nun wieder Hermann Kurz’ Verdienst ist.
Hermann Kurz: Der Buzi-Maler. Leben und Werk von Emil Kneiß (1867-1956). Volk-Verlag, 200 Seiten, 25 Euro.
MÜNCHNER SEITEN
Neben Spötteleien über Mode
oder Touristen nahm er
vor allem die Politik aufs Korn
Kneiß bediente sich in
einigen Zeichnungen eindeutig
antisemitischer Stereotype
Vermutlich ist es die Wand eines Wirtshauses, die Emil Kneiß hier ausmalt. Das Motiv – Kinder bejubeln ein vorbeifahrendes Auto – legt nahe, dass das Foto vor dem Ersten Weltkrieg entstand.
Fotos: Volk-Verlag
Radler und Polizei standen sich in der
Prinzregentenzeit oft feindlich gegenüber. Emil Kneiß
machte sich in seinen Karikaturen für die Zeitschrift
Radfahr-Humor gern über die Diensteifrigkeit der
Ordnungshüter lustig. Bild unten: Für die Humorseite
des
Bayerischen Zeitungsblocks schuf Kneiß den „Buzi“, hier in einer letzten Variante aus dem Jahr 1948.
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