Studienarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Geschichte Europas - Mittelalter, Frühe Neuzeit, Note: 1,0, Technische Universität Darmstadt (Institut für Geschichte), Veranstaltung: Proseminar Einführung in die Mittelalterliche Geschichte, Sprache: Deutsch, Abstract: Der Bußgang Heinrichs IV. nach Canossa im Jahr 1077 gehört mit großer Sicherheit zu den am weitläufigsten bearbeiteten Themen der Mediävistik. Bis in die unmittelbare Gegenwart erfährt der Begriff "Canossa" eine breite Rezeption und gilt als Synonym für eine schwere und schmachvolle Demütigung. Dadurch dass Canossa zum allgemein verständlichen Repertoire der Tagespresse geworden ist, können auch geschichtliche Laien mit diesem Begriff etwas anzufangen.Auslöser dieser breiten Canossarezeption ist wohl der Ausspruch des damaligen Reichskanzlers Otto von Bismarcks aus dem Jahr 1872, in Bezug auf einen Konflikt mit der römischen Kurie um die Bestellung eines deutschen Gesandten: "Seien sie außer Sorge, nach Canossa gehenwir nicht - weder körperlich noch geistig ". Bismarck wollte damit die ungeheure Schmach verdeutlichen, die das Reich durch den Canossagang Heinrichs des IV. 1077 erlitten hätte. So etwas sollte sich im neu gegründeten deutschen Kaiserreich in keinem Fall wiederholen. Doch kann im Zusammenhang mit Heinrichs Bußgang 1077 wirklich von einer schmachvollen Demütigung gesprochen werden? Wie groß war das Opfer Heinrichs wirklich? Kann es sich nicht vielmehr um ein taktisch pragmatisches Manöver des Saliers gehandelt haben? Könnte man vielleicht sogar so weit gehen und behaupten, Heinrich sei ein genialer politischer Coup gelungen, indem er durch seine inaudita humiliatio Gregor mit seinen eigenen Waffen schlug und ihn dadurch zwang, ihn wieder in die Christengemeinschaft aufzunehmen? Genau diesen Fragestellungen versucht die nachfolgende Hausarbeit nun auf den Grund zu gehen.Der Rekonstruktion der Vorgänge in Canossa liegt vor allem eine schwerwiegende Problematik zu Grunde, die eine wissenschaftlich korrekte Bewertung nicht immer einfach macht. Das Gros unserer erhaltenen Quellen entstammen der Autorenschaft von Heinrichs' Gegnern und sind zumeist tendenziös oder propagandistisch gefärbt. Dieser Aspekt muss bei der Analyse dieser Quellen immer berücksichtigt werden. Umso gewichtiger sind in diesem Zusammenhang positiv konnotierte Beschreibungen des Verhaltens Heinrichs' zu beurteilen, während negative Aspekte in jedem Fall einer gründlichen Prüfung unterzogen werden müssen.