Produktdetails
  • Verlag: Nord Süd-Verlag
  • ISBN-13: 9783314007484
  • ISBN-10: 3314007485
  • Artikelnr.: 25024019
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Anna Vollmer empfiehlt ohne Wenn und Aber Mischa Damjans bekannte Geschichte vom Clown, der keine Lust mehr hat, lustig zu sein, und der von allerhand gleichgesinnten Zirkustieren unterstützt wird, in der Neubebilderung von Torben Kuhlmann. Die Story ist gut gealtert findet sie, macht heute weiterhin Sinn, ist aber auch ohne politische Message eine Freude. Das liegt nicht zuletzt an Kuhlmanns melancholischen Manegenszenen, die immer wieder aus neuen Perspektiven betrachtet werden, wie Vollmer erklärt. Der Leitgedanke des Verlages, Bücher für Kinder und Poeten zu machen, ist hier aufs Herrlichste erfüllt, meint sie.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2021

Genug ist genug, gerade im Zirkuszelt

Vor sechzig Jahren erschien Mischa Damjans "Der Clown sagte Nein" zum ersten Mal. Jetzt hat Torben Kuhlmann den Text neu illustriert.

Von Anna Vollmer

In der amerikanischen Komödie "Der Ja-Sager" spielt Jim Carrey einen Mann, dessen Leben eine unerwartete Wendung nimmt, als er beginnt, alle Fragen, die ihm gestellt werden, mit einem simplen "Ja" zu beantworten. Unzählige Möglichkeiten tun sich ihm auf einmal auf, er lernt Koreanisch und findet die Liebe. Die Botschaft: Wer Ja sagt, hat mehr vom Leben. Das mag in manchen Fällen auch zutreffen. Es ist aber vor allem deutlich einfacher als das Gegenteil zu tun: "Nein" zu sagen, auch wenn es unangenehm ist und andere vor den Kopf stößt. Genau davon, vom Neinsagen und von der Befreiung, die damit tatsächlich einhergehen kann, erzählt das Bilderbuch "Der Clown sagte Nein".

Eines Tages beschließt Petronius, seines Zeichens "der lustigste Clown der Welt", dass er keine Lust mehr hat, immer nur der Narr zu sein. Und stellt fest, dass er dazu eigentlich noch nie Lust hatte. Er reitet auf seinem Esel Theodor in die Manege, und als der Direktor ihn auffordert, endlich anzufangen, sagt Petronius schlicht "Nein!". Er möchte lieber Geschichten erzählen. Und Theodor möchte Petronius zuhören, anstatt dem Zirkusdirektor zu gehorchen. Nach und nach kommen dann noch vier weitere Tiere in die Manege, nicht um Kunststücke aufzuführen, sondern um zu sagen: Es reicht.

Die inzwischen zum Klassiker gewordene Geschichte von Dimitrije Sidjanski (1914 bis 1998), der unter dem Namen Mischa Damjan schrieb, erschien erstmalig vor sechzig Jahren als erstes Buch des Schweizer NordSüd Verlags, den Sidjanski selbst gegründet hatte. Nun, zum sechzigsten Verlagsjubiläum, hat NordSüd es zum vierten Mal neu aufgelegt und zum vierten Mal einen neuen Illustrator mit der Bebilderung beauftragt. Torben Kuhlmann, den man wohl als einen Star der deutschen Illustratorenszene bezeichnen kann und dessen berühmtes Kinderbuch "Lindbergh" ebenfalls im NordSüd Verlag erschienen ist, hat diesmal die Geschichte von Petronius und seinen fünf Freunden illustriert.

Die Wahl ist gut getroffen. Kuhlmann gelingt es, die verständlicherweise große Anzahl von Manegenszenen nicht eintönig wirken zu lassen, indem er immer wieder eine andere Perspektive einnimmt: Mal folgen wir dem Blick des Orchesters, mal dem des Publikums. Wir schauen also von allen Seiten auf die Protagonisten, die manchmal so herzzerreißend traurig gucken, dass man nicht anders kann, als mit ihnen zu fühlen. Überhaupt umweht diese Geschichte eine leichte Melancholie, was vielleicht auch daran liegt, dass Kuhlmann sich entschieden hat, sie in der Zeit spielen zu lassen, in der sie geschrieben wurde: Die Autos sind elegant, die Männer tragen Hut. Die Stadt, in die sich die Gruppe aufmacht, nachdem sie den Zirkus verlassen hat, ist eine Ansammlung von hübschen Fachwerkhäusern und Altbauten. Das ist legitim, hätte aber nicht unbedingt sein müssen. Denn so alt dieses Kinderbuch ist, so zeitlos ist es auch.

Bei vielen anderen Büchern hätte eine Neuauflage sechzig Jahre später sicherlich weniger gut funktioniert. Geschichten kommen manchmal in die Jahre - wenn auch selten die guten. "Der Clown sagte Nein" ist eine dieser guten Geschichten. Und es ist ein Buch, das nicht passender sein könnte in einer Zeit wie heute, in der immer mehr Menschen sich gegen Umstände wehren, die sie nicht mehr wollen, in der Sportlerinnen internationale Wettbewerbe abbrechen, weil sie sich unter Druck gesetzt fühlen. Und wenn die Giraffe Luise sich weigert, ihren langen Hals weiter für Kunststücke zu benutzen, weil der "weder ein Kunststück noch mein Verdienst ist", dann ist auch das eine ziemlich moderne Ansicht.

Man muss dieses Buch aber nicht politisch lesen, man kann auch einfach verstehen, wie gut es manchmal tut zu sagen: Genug ist genug. Und dass aus dieser Weigerung oft etwas Neues entstehen kann. In "Der Clown sagte Nein" gründen Petronius und seine Freunde sehr erfolgreich einen neuen Zirkus, weil sie sich nicht am Zirkus selbst stören, sondern an der Fremdbestimmung durch den Direktor. Sie wollen einen Zirkus, in dem sie gerne arbeiten, einen Zirkus "für Kinder, Poetinnen und Poeten", wie es im Buch heißt.

Geschichten für Kinder und Poeten zu erzählen sei im Übrigen auch der Leitgedanke des NordSüd Verlags, wie der heutige Verleger Herwig Bitsche in seinem Vorwort schreibt. Wer sich das eigensinnige und schöne Programm des Verlags anschaut, in dem Kinder ernst genommen werden, kann feststellen, dass dieses Motto nicht nur für Petronius und seine Freunde, sondern auch für NordSüd über die vergangenen Jahrzehnte ein ziemlich guter Ratgeber war.

Mischa Damjan, Torben Kuhlmann: "Der Clown sagte Nein".

NordSüd Verlag, Zürich 2021. 40 S., geb., 15,- Euro. Ab 4 J.

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