Ein Buchclub wie in meinen Träumen
Gleich vorweg: Der Klappentext trifft es nicht. Das Buch ist so viel mehr, als darin angerissen. Es gibt einen Einblick ins Amerika von 1942, das nur scheinbar weit vom Kriegsgeschehen entfernt ist, denn auch hier an der Küste von Maine – in der fiktiven
Kleinstadt Derby – hat es Auswirkungen auf viele Lebensbereiche. Da ist Ginny, Tochter eines Hummerfischers,…mehrEin Buchclub wie in meinen Träumen
Gleich vorweg: Der Klappentext trifft es nicht. Das Buch ist so viel mehr, als darin angerissen. Es gibt einen Einblick ins Amerika von 1942, das nur scheinbar weit vom Kriegsgeschehen entfernt ist, denn auch hier an der Küste von Maine – in der fiktiven Kleinstadt Derby – hat es Auswirkungen auf viele Lebensbereiche. Da ist Ginny, Tochter eines Hummerfischers, die mit ihrer Familie aus Long Island vertrieben wurde, da die Marine die Insel für sich beansprucht. Avis, die eine gute Ehe- und Hausfrau sein möchte und deshalb alle Ratgeber für Frauen verschlingt, die es gibt, mit Büchern aber nichts am Hut hat. Ergänzt wird das sehr unterschiedliche Quartett durch die verschreckte Martina, die ein dunkles Geheimnis mit sich herumträgt und Louise eine geradlinige, disziplinierte, etwas schrullige Frau in den Fünfzigern, die nicht nur ihr Scheckbuch immer dabei hat, wenn es gilt, Wohltätigkeit zu zeigen, sondern auch tatkräftig anpackt, wenn es um Hilfs- und Arbeitskreise geht, egal, ob Kinder, Soldaten oder Kranke ihre Unterstützung brauchen. Ihr Bedürfnis, anderen zu helfen, wirkt schon wie eine Manie. Hat sie einmal ein Ziel, verfolgt sie es unerbittlich. Beispielsweise einen Kindergarten für die Frauen in der Rüstungsproduktion. Dafür soll die private Bücherei, die ihr Vater einst ins Leben gerufen hat, weichen. Avis, die von ihrem Bruder, der in den Krieg zog, den Job als Bibliothekarin übernommen hat, weiß sich nicht anders zu helfen: Sie gründet spontan einen Buchclub, um die Bücherei zu retten, der anfangs mehr schlecht als recht läuft, sodass sie zu einigen Tricks greift, um die Menschen in die Bibliothek zu bringen – denn Louise, für die Bücher immer eine Konkurrenz in der Liebe ihres Vaters darstellten – ist immer dabei und beobachtet all das mit Argusaugen.
Amy Lynn Green hat ein sehr warmherziges Buch geschrieben, das nicht nur Bücherfreunde begeistern dürfte. Sehr genau schildert sie die Atmosphäre der 1940er-Jahre in Amerika, weit weg vom Krieg, aber immer in der Angst, dass deutsche U-Boote vor den Küsten auftauchen. Der Stil ist flüssig, die Figuren sind gut gezeichnet, die Gruppe, die sich schließlich immer öfter in der Bücherei trifft, geradezu köstlich, vor allem die Kommentare während der Sitzungen. Hier versammelt sich ein Sammelsurium an Menschen, das unterschiedlicher nicht sein könnte. Besonders faszinierend: Die Kinder sind nicht nur im Club dabei, sondern dürfen auch selbst mitbestimmen, welches Buch als nächstes gelesen wird. Es ist schön zu sehen, wie ernsthaft die Gruppe sich den verschiedenen Lektüren, angefangen vom Kinderbuch „Das Samtkaninchen“ über Shakespeares Hamlet bis hin zu „Pygmalion“ von George Bernard Shaw, widmet und dabei immer mehr zusammenwächst.