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Lange hat es gedauert, bis Umberto Saba, einer der berühmtesten italienischen Dichter dieses Jahrhunderts, auch bei uns bekannt geworden ist. In ihm gilt es ein höchst originelles Genie zu entdecken, einen freien Geist, der auch heute noch unerhört modern wirkt, weil er jeglichen Zeitgeist verachtete und die Dinge mit dem provozierend unschuldigen Blick eines Kindes sah.

Produktbeschreibung
Lange hat es gedauert, bis Umberto Saba, einer der berühmtesten italienischen Dichter dieses Jahrhunderts, auch bei uns bekannt geworden ist. In ihm gilt es ein höchst originelles Genie zu entdecken, einen freien Geist, der auch heute noch unerhört modern wirkt, weil er jeglichen Zeitgeist verachtete und die Dinge mit dem provozierend unschuldigen Blick eines Kindes sah.
Autorenporträt
Umberto Saba (eigentlich Poli), geboren 1883 in Triest, wo er viele Jahre lang als Antiquar arbeitete. 1921 erschien eine Sammlung seiner Lyrik, die erste Fassung des Canzoniere, 1943 musste er wegen seiner jüdischen Herkunft aus Triest fliehen und kehrte 1946 zurück. Er erhieltdie erste große Anerkennung durch dem Premio Viareggio (1946). 1957 starb er in Görz. Auf Deutsch erschienen: Ernesto (1985), Das zerbrochene Glas (1991), Canzoniere (1997), Der Dichter, der Hund und das Huhn (Zsolnay, 1999)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.05.1999

Die Ewigkeit eines Huhns
Umberto Saba betrachtet das Leben · Von Thomas Medicus

Auf den Ruhm, der Umberto Saba auch in Italien erst postum zuteil wurde, muß der 1957 gestorbene Triester Lyriker hierzulande noch warten. Sein Hauptwerk "II Canzoniere" - von dem fälschlicherweise behauptet wurde, der Titel sei Petrarca entliehen, wiewohl er auf Heines "Buch der Lieder" verweist - liegt in zwei deutschen Verlagen nur auszugsweise vor. Jetzt hat sich mit Paul Zsolnay in Wien ein dritter Verlag aufgemacht, Saba einem deutschsprachigen Publikum näherzubringen. Leider handelt es sich dabei nicht um die vollständige Übersetzung des "Canzoniere", Sabas sechshundert Seiten starker lyrischer Autobiographie, von der er sich wünschte, daß dieser mehr als fünf Jahrzehnte umfassende Gedichtzyklus als "psychologischer Roman" gelesen werde. Statt diesem einzigartigen Lebenswerk hält man ein schmales Prosabändchen in Händen. Es bietet nur eine Auswahl eines bei Mondadori in Mailand erschienenen Bandes, den die Tochter Linuccia 1964 herausgegeben hatte.

Die jetzt vorliegende, hervorragend übersetzte Edition könnte als Brückenschlag dienen und an Sabas lyrisches Lebenswerk heranführen. Die verspätete Übersetzung bekommt auch dadurch Sinn, daß sich der Leser am Ende des Jahrhunderts mühelos auf dieselbe Rückschau einlassen kann, die der Dichter zur Jahrhundertmitte vornahm. Größtenteils unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg verfaßt, werden die Prosastücke dieses Büchleins durch die Perspektive des Jahres 1945, von dem sein Verfasser zurückblickt, unversehens zu einem Resümee dieses extremen Jahrhunderts.

Sofort läßt dieser Band den Lyriker erkennen, der in bündigen Alltagsbildern die unverstellte Essenz des Lebens zeigen wollte. Seinem Grundsatz, die Dinge - ungeachtet ihrer Vulgarität oder Erhabenheit - beim Namen zu nennen, in ihr Herz zu dringen, um "in den glühenden Mittelpunkt des Lebens" zu gelangen, ist Saba treu geblieben. Das Diktum "Ich kann nichts mehr sagen, ohne abzukürzen" ist freilich nicht bloß die Übertragung einer von avantgardistischen Ambitionen freien Poetik des Gedichts als Abbreviatur auf das Gebiet der Prosa. Dieses Bekenntnis meint, daß es Saba von genau diesem Zeitpunkt an nicht mehr möglich sein wird, mehr als das Notwendige zu sprechen. Wenn der Triestiner Jude wiederholt, die Aphorismen, die er zu Papier bringe, seien "in gewisser Hinsicht Überlebende von Majdanek", so wollen seine "Abkürzungen" als Chiffren eines aufgeschobenen Verstummens gelesen werden.

Diese Äußerungen, mehr Seufzer abgrundtiefer Traurigkeit als poetisches Manifest, treffen den Leser, weil sie schockartig im Umfeld unterhaltsamer Anekdoten, Geschichten und Erinnerungen auftauchen. Die bewundernswerte Leichtigkeit dieser Prosa bewegt sich stets auf dem doppelten Boden einer negativen Anthropologie, die mit "Majdanek" zur Gewißheit wurde. Wie die Ironie der Wehmut, so bleibt für den Freudianer Saba von nun an immer häufiger auch der Eros dem Todestrieb hoffnungslos unterlegen. Dabei verfügen diese Prosastücke über diagnostischen Scharfsinn und analytischen Witz von derart stupendem Ausmaß, als sollte bewiesen werden, daß sich solche Tugenden nur erwerben kann, wer sich - wie dieser Dichter - nie in der Mitte, sondern stets am Rande des Lebens aufgehalten hat.

Sabas Eingeständnis seines existentiellen Außenseitertums zählt denn auch nicht zufällig zu den wichtigsten Erträgen dieses Bandes. Sich der eigenen Herkunft zu stellen war für ihn 1945, nachdem es ihm gelungen war, sich zwei Jahre lang vor der Verfolgung durch die Rassengesetze des faschistischen Italien zu verstecken, zur unabdingbaren Notwendigkeit geworden. Sohn einer jüdischen Mutter, "ein Mischling" zu sein und zudem "aus der Peripherie, aus Triest", zu stammen, benennt Saba als die für seine Biographie wie seine künstlerische Entwicklung entscheidenden Stigmata. Diese Selbstvergewisserung, in der Autobiographie und Geographie einen harten Schicksalsring bilden, löst schlagartig das immer wieder mit Verwunderung festgestellte Rätsel, warum dieser Schriftsteller nirgendwo anders leben konnte als in Triest. Gewiß gibt es keinen Anlaß, an seiner in diesem Band immer wieder bekundeten Zuneigung zur Kultur Italiens zu zweifeln. Die Bemerkung, daß er in seiner Jugend, als seine Heimatstadt noch am äußersten Rand der Donaumonarchie lag, Kaiser Franz Joseph "zu Unrecht" gehaßt habe, zeigt jedoch, was Saba im Grunde seines Herzens auch jetzt noch blieb: Bürger jener mitteleuropäischen Grenzkultur, deren Übernationalität bis 1918 für das österreichisch-italienisch-slowenisch-jüdische Triest so typisch gewesen war.

Glück und Verhängnis dieser Kultur verkörperte der nicht nur ethnisch und geographisch, sondern auch sozial zeitlebens periphere Saba nahezu idealtypisch. Als Kommis gescheitert, wurde er Mitinhaber eines Elektrogeschäftes, danach Direktor eines Tanzcafés, bevor er sich in kennzeichnender mitteleuropäischer Seßhaftigkeit und Depressivität fast bis an sein Lebensende in die dunkle Neurosenhöhle eines 1919 erworbenen Buchantiquariats vergrub. Hierhin zog er sich, wie es in der "Geschichte einer Buchhandlung" heißt, vor dem "verhaßten Gesicht" der faschistischen Gegenwart zurück, hier kultivierte er die für seine lyrische Tätigkeit erforderliche, von einer inneren Emigration bald nicht mehr zu unterscheidende ästhetische Distanz. Dieses innerste Triest blieb fortan der Schutzraum einer auf Schauen und Lauschen gegründeten meditativen Ars poetica, von der auch die immer wieder um Triest kreisenden Prosastücke dieses Bandes Zeugnis ablegen.

Gleichgültig, ob Saba den Grafen Giacomo Leopardi phantasmagorisch wieder auferstehen läßt, ob er sich an Begegnungen mit den Zeitgenossen d'Annunzio und Malaparte oder an seinen Antiquariatsgehilfen Carletto erinnert, ob er Anekdoten aus römischen und triestischen Gasthäusern, von Kellnerinnen oder x-beliebigen armen Jungen als Symbolen italienischer Volkstümlichkeit berichtet - hinreißend sind diese "Skizzen nach dem wahren Leben" allesamt. Wenn in diesem Panorama auch der Hund Occo oder das Huhn Cócó dabei sind, so deshalb, weil in der Weltsicht dieses großen Schriftstellers auch das geringste Lebewesen einen würdigen Platz erhält. Nichts, was hier nicht Teil eines großen Ganzen, einer überindividuellen Ordnung wäre, die nicht wenigstens zuweilen den Glanz eines freilich abwesenden Gottes zeigte. Daß ein eitler Pfau wie d'Annunzio bei Saba nicht allein seiner faschistischen Neigungen wegen schlecht wegkommt, ist nicht verwunderlich. Pomp konnte ein Schriftsteller wie Saba, dem es darum ging, Ewiges im Geringen - in schmutzigen Gassen oder im Leben eines Huhns - zu finden, nur als weltlichen Tand begreifen. Mag sein, daß dabei ein wenig der Neid des nicht anerkannten Schriftstellers im Spiel war, wichtiger war jedoch das Bedürfnis des Peripheren, "zu sein wie alle alltäglichen Menschen", wie es im Canzoniere heißt.

Geprägt ist diese Sehnsucht nach Assimilation, die Sabas Prosastücke fast durchgängig bestimmt, von einer gleichnishaften Moral, deren profane Religiosität unverkennbar triestische Züge zeigt. Italienisches sowie Habsburgisches, franziskanische Demut sowie eine österreichisch-barocke Philosophie der Kreatürlichkeit verhelfen Saba dazu, sich auf die Suche nach dem Leben in seiner ursprünglichen Unschuld zu machen. Daß diese nur im künstlerischen Experiment einer das Herz der Dinge abbildenden, adamitischen Sprache zu haben ist, zeigt seine Lyrik. Aber auch seine Prosastücke lassen nicht davon ab, eine bessere Wirklichkeit aus der Katastrophe der Zeitumstände herauszufiltern. Wenigstens ein Schimmer von Heil leuchtet in einem der schönsten und zugleich melancholischsten Prosastücke dieses Bandes auf. Im Jahre 1913 sei er in Bologna, fällt Saba nach der Befreiung der Stadt 1945 ein, häufig Gast eines Cafés mit dem Namen "Zum glücklichen Europa" gewesen, das hundert Jahre zuvor im Glauben eröffnet hatte, mit der Heiligen Allianz sei das Zeitalter europäischer Kriege für immer erloschen. Nur einem Schriftsteller wie Saba, der mit dem langen historischen Gedächtnis des Mitteleuropäers ausgestattet war, konnte es einfallen, mitten in der Apokalypse des Jahrhunderts in solch einem Kaffeehaus ein Hoffnungssymbol dieses unheilvollen Kontinents zu sehen.

Umberto Saba: "Der Dichter, der Hund und das Huhn". Aus dem Italienischen übersetzt von Anna Leube. Paul Zsolnay Verlag, Wien 1999. 166 S., geb., 26,- DM.

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"Der Auswahlband, der jetzt in der gelungenen Übersetzung von Anna Leube erstmals auf Deutsch erschienen ist, kann uns in unserer Zuneigung für diesen zartfühlenden Außenseiter und Dichter der Peripherie nur bestärken. (...) Mit dieser Kraft kann seine lyrische Stimme in dem Lärm jener Epoche so gelassen, so scheinbar unscheinbar, so ganz ohne Form- und Redneraufwand auskommen." Gabriele Killert, Die Zeit, 12.08.1999 "Sabas spezifische Mischung von Erzählung, Argument und Poesie auf minimalem Raum, hat ihren eigenen Reiz und Schärfe. (...) Saba ist ein intelligenter Könner des Nebenbei, der auf keinen Fall auftrumpfen will; seine kleinen hinterlistigen Porträts (...) lesen sich betont aufregungslos." Hans-Peter Kunisch, Süddeutsche Zeitung, 13.08.1999 "Verstreut über sein ganzes Leben hat Saba immer wieder Erinnerungen, ganze Erzählungen, Erzählfragmente, Notizen, Aphorismen verfasst, die, wie Claudio Magris im Nachwort schreibt, ein 'Geflecht aus reifer Weisheit und kindlichem Staunen sind.'... Die hier versammelten kleinen Erzählungen und 'Abkürzungen' können, so Saba, 'Sehnsucht nach den langen, ebenen, geraden Landstraßen wecken'. Wir ergänzen: Sehnsucht danach, endlich einmal das Gesamtwerk von Umberto Saba so gut übersetzt und ediert zu sehen wie diese Geschichten vom Dichter, dem Hund und dem Huhn." Wilhelm Macke, Frankfurter Rundschau "Auch in der Prosa bewahrt die Sprache Sabas jenen unmittelbaren und spontanen Zug, der seine Gedichte charakterisiert: Es ist dieselbe Mischung von Zartheit und Ironie, von Autobiographischem und Allgemeinmenschlichem wie in seinen einfachen, musikalischen, charmanten Versen. In seinen Skizzen und Anekdoten zeigt Saba den Mut (manchmal sogar die Frechheit), gegen alle Moden und jedes voreilige Urteil seine Unabhängigkeit zu bewahren. (...) Saba zählt heute unbestritten zu den originellsten Vertretern der italienischen Poesie des 20. Jahrhunderts." Gabriella Rovagnati, Rheinischer Merkur, 02.07.1999 "Sofort lässt dieser Band den Lyriker erkennen, der in bündigen Alltagsbildern die unverstellte Essenz des Lebens zeigen wollte. Seinem Grundsatz, die Dinge - ungeachtet ihrer Vulgarität oder Erhabenheit - beim Namen zu nennen, in ihr Herz zu dringen, um 'in den glühenden Mittelpunkt des Lebens' zu gelangen, ist Saba treu geblieben ... Gleichgültig, ob Saba sich an Begegnungen mit den Zeitgenossen d Annunzio und Malaparte oder an seinen Antiquariatsgehilfen Carletto erinnert, ob er Anekdoten aus römischen und triestinischen Gasthäusern, von Kellnerinnen oder x-beliebigen armen Jungen als Symbol italienischer Volkstümlichkeit berichtet - hinreißend sind diese "Skizzen nach dem wahren Leben" allesamt." Thomas Medicus, Frankfurter Allgemeine Zeitung…mehr