1. Bekanntlich ist das Leben selber bedroht; aber nur bei naiver Betrachtung ist die Wahrung der Lebensmöglichkeit selbstverständliche Aufgabe des Rechts. Nicht nur praktisches Unvermögen, sondern auch philosophische Haltung steht dem ent gegen. Die philosophische Betrachtung des Rechts teilt sich auf in eine solche, deren Gegenstand das geltende Recht ist, und eine solche, die sich mit einem mög lichst guten, richtigen Recht beschäftigt. Diese beiden Richtungen haben ihr Feld nicht aufgeteilt, sondern kämpfen um Terrain. Die erste, die wir Relativismus nennen, bestreitet der zweiten, die hier…mehr
1. Bekanntlich ist das Leben selber bedroht; aber nur bei naiver Betrachtung ist die Wahrung der Lebensmöglichkeit selbstverständliche Aufgabe des Rechts. Nicht nur praktisches Unvermögen, sondern auch philosophische Haltung steht dem ent gegen. Die philosophische Betrachtung des Rechts teilt sich auf in eine solche, deren Gegenstand das geltende Recht ist, und eine solche, die sich mit einem mög lichst guten, richtigen Recht beschäftigt. Diese beiden Richtungen haben ihr Feld nicht aufgeteilt, sondern kämpfen um Terrain. Die erste, die wir Relativismus nennen, bestreitet der zweiten, die hier unter der Bezeichnung Universalismus oder dem alten Wort Naturrecht erscheint, den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit und hat sich hiermit auch durchgesetzt. Es hat sich eine Hierarchie gebildet, nach der der kontextbezogene Relativismus stichhaltiger, abgesicherter, zuverlässiger ist als das universalistische Naturrecht Mit dieser Hierarchie wird der Einsatz des Rechts zugunsten der Lebenserhaltung behindert. Wir wollen dieser Rangordnung die Idee entgegensetzen, daß Relativismus und Universalismus zwei korrespondierende gei stige Gestalten sind, von denen die eine nicht ohne Schaden für das Ganze ver nachlässigt werden darf. Wir werden die beiden Auffassungen in zwei Hemi sphären des Geistes einordnen, die nur bei Ausgeglichenheit das Ganze repräsen tieren und deren einseitige Bevorzugung die notwendige Polarität ignoriert und ein Irrweg ist Wenn wir die eine Auffassung »Relativismus« nennen, könnten wir die zweite entsprechend als »Absolutismus« bezeichnen, was aber zu Mißverständnissen ein laden würde. Stattdessen werden wir von Universalismus sprechen - oder synonym das Wort Naturrecht benutzen, obwohl in diesem viele Unschärfen liegen.Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Dr. jur. Sibylle Tönnies ist Professorin für Recht an der Hochschule Bremen, Fachbereich Sozialwesen.
Inhaltsangabe
1. Organismus-Artefakt.- I. Die Bekämpfung des Naturrechts durch die Idee des Organischen.- II. Die Fortsetzung der Romantik im Positivismus.- III. Das Organische in der Systemtheorie.- IV. Die Rehabilitierung des Zweckgerichteten durch Hans Jonas.- 2. Die Unendliche Entzweiung.- I. Das Ergänzungsverhältnis von Romantik und Aufldärung.- II. Schleiermachers »Unendliche Entzweiung.- III. Schillers Unterscheidung zwischen dem Realisten und dem Idealisten.- IV. Entweder - Oder.- 3. Vergangenheit-Zukunft.- I. Das Charakteristikum der morphologischen Betrachtungsweise.- II. Die Vergangenheitsbezogenheit des Relativismus.- III. Die Zukunftsbezogenheit des Naturrechts.- IV. Der Symbolcharakter der Zeitdimensionen.- 4. Partikular-Universal.- I. Die Bevorzugung des Partikularen in Romantik und Postmoderne.- II. Partikularität und Universalität als Merkmale von Gemeinschaft und Gesellschaft.- III. Relativismus und asiatischer Despotismus.- IV. Das Versagen des Universalismus im Thermidor und in Auschwitz.- 5. Kontingenz-Notwendigkeit.- I. Notwendigkeit durch Überlagerung.- II. Simplex sigillum veri.- III. Die Verkennung der Notwendigkeit durch die Systemtheorie.- IV. Die geschichtliche Tendenz vom Kontingenten zum Notwendigen.- 6. Polarität.- I. Die Polaritätsidee bei Arthur Kaufmann.- II. Die Polarität von Yin und Yang.- III. Selbstbezug der Methode.- IV. Abkehr von Synthese.- V. Adam Müllers »Lehre von den Gegensätzen« und Kants »negative Größen«.- 7. Ohnmacht oder Macht der Subjektivität.- I. Der Verlust des Subjekts in der Soziologie.- II. Subjektivität in der Sprache.- III. Die schwankende Gestalt des Subjekts in den Kulturkreisen.- IV. Das Vexierbild als Antwort auf die Ignoramus-Formel.- V. Die Relativität des liberum arbitrium.- 8.Komplementarität.- I. Komplementarität bei Niels Bohr.- II. Hans Jonas' Rezeption der Komplementaritätsidee.- 9. Gemeinschaft-Gesellschaft.- I. Die soziologische Ausformung des Dimorphismus.- II. Gemeinschaft und Gesellschaft als soziologische Repräsentanten einer übersoziologischen Archetypik.- III. Das Naive und das Sentimentalische.- IV. Die Mißachtung der Grenzlinie.- 10. Distributiv-Kommutativ.- I. Die Isomorphie zu der Polarität »Weiblich-Männlich«.- II. Die Isomorphie zu den Polaritäten »Ost-West« und »Sozialismus-Kapitalismus«.- 11. Monistisch-Dualistisch.- I. Die analoge Verkettung der monistischen und dualistischen Auffassungen.- II. Monismus und Dualismus in der Gegenwartsphilosophie.- III. Der Monismus der Lehre von der Natur der Sache.- IV. Zur Antipodik führende Binnendifferenzierungen.- 12. Deutsch-Okzidental.- I. Die Polarität Deutsch-Jüdisch.- II. Der Antirationalismus in Nazi-Deutschland.- III. Das Deutsche und die Morphologie.- 13. Morphologie.- I. Goethe: Polarität und Steigerung.- II. Verhältnis zur Postmoderne.- 14. Unten-Oben, Ost-West, Links-Rechts, Kreis-Linie.- I. Unten-Oben.- II. Ost-West.- III. Links-Rechts.- IV. Kreis-Linie.- V. Zwei Auslegungsweisen des Buchs der Geschichte.- 15. Weiblich-Männlich.- I. Frau und Mann als Archetypen.- II. Antigone.- 16. Böse-Gut.- I. Einordnung in die »Unendliche Entzweiung.- II. Indifferenz und Diskriminierung.- Personenregister.
1. Organismus-Artefakt.- I. Die Bekämpfung des Naturrechts durch die Idee des Organischen.- II. Die Fortsetzung der Romantik im Positivismus.- III. Das Organische in der Systemtheorie.- IV. Die Rehabilitierung des Zweckgerichteten durch Hans Jonas.- 2. Die Unendliche Entzweiung.- I. Das Ergänzungsverhältnis von Romantik und Aufldärung.- II. Schleiermachers »Unendliche Entzweiung.- III. Schillers Unterscheidung zwischen dem Realisten und dem Idealisten.- IV. Entweder - Oder.- 3. Vergangenheit-Zukunft.- I. Das Charakteristikum der morphologischen Betrachtungsweise.- II. Die Vergangenheitsbezogenheit des Relativismus.- III. Die Zukunftsbezogenheit des Naturrechts.- IV. Der Symbolcharakter der Zeitdimensionen.- 4. Partikular-Universal.- I. Die Bevorzugung des Partikularen in Romantik und Postmoderne.- II. Partikularität und Universalität als Merkmale von Gemeinschaft und Gesellschaft.- III. Relativismus und asiatischer Despotismus.- IV. Das Versagen des Universalismus im Thermidor und in Auschwitz.- 5. Kontingenz-Notwendigkeit.- I. Notwendigkeit durch Überlagerung.- II. Simplex sigillum veri.- III. Die Verkennung der Notwendigkeit durch die Systemtheorie.- IV. Die geschichtliche Tendenz vom Kontingenten zum Notwendigen.- 6. Polarität.- I. Die Polaritätsidee bei Arthur Kaufmann.- II. Die Polarität von Yin und Yang.- III. Selbstbezug der Methode.- IV. Abkehr von Synthese.- V. Adam Müllers »Lehre von den Gegensätzen« und Kants »negative Größen«.- 7. Ohnmacht oder Macht der Subjektivität.- I. Der Verlust des Subjekts in der Soziologie.- II. Subjektivität in der Sprache.- III. Die schwankende Gestalt des Subjekts in den Kulturkreisen.- IV. Das Vexierbild als Antwort auf die Ignoramus-Formel.- V. Die Relativität des liberum arbitrium.- 8.Komplementarität.- I. Komplementarität bei Niels Bohr.- II. Hans Jonas' Rezeption der Komplementaritätsidee.- 9. Gemeinschaft-Gesellschaft.- I. Die soziologische Ausformung des Dimorphismus.- II. Gemeinschaft und Gesellschaft als soziologische Repräsentanten einer übersoziologischen Archetypik.- III. Das Naive und das Sentimentalische.- IV. Die Mißachtung der Grenzlinie.- 10. Distributiv-Kommutativ.- I. Die Isomorphie zu der Polarität »Weiblich-Männlich«.- II. Die Isomorphie zu den Polaritäten »Ost-West« und »Sozialismus-Kapitalismus«.- 11. Monistisch-Dualistisch.- I. Die analoge Verkettung der monistischen und dualistischen Auffassungen.- II. Monismus und Dualismus in der Gegenwartsphilosophie.- III. Der Monismus der Lehre von der Natur der Sache.- IV. Zur Antipodik führende Binnendifferenzierungen.- 12. Deutsch-Okzidental.- I. Die Polarität Deutsch-Jüdisch.- II. Der Antirationalismus in Nazi-Deutschland.- III. Das Deutsche und die Morphologie.- 13. Morphologie.- I. Goethe: Polarität und Steigerung.- II. Verhältnis zur Postmoderne.- 14. Unten-Oben, Ost-West, Links-Rechts, Kreis-Linie.- I. Unten-Oben.- II. Ost-West.- III. Links-Rechts.- IV. Kreis-Linie.- V. Zwei Auslegungsweisen des Buchs der Geschichte.- 15. Weiblich-Männlich.- I. Frau und Mann als Archetypen.- II. Antigone.- 16. Böse-Gut.- I. Einordnung in die »Unendliche Entzweiung.- II. Indifferenz und Diskriminierung.- Personenregister.
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